Vertriebsziele – Anreiz oder Druckverstärker?

Vertriebsziele gelten als das Mittel erster Wahl, die Verkäufermannschaft auf das gemeinsame Erfolgsziel einzuschwören – sprich zu motivieren. Auf den ersten Blick lassen sich die Zielvorgaben auch recht einfach festlegen … Doch oftmals fehlen diesen Vorgaben das wirkliche Ziel. Sie erzeugen Druck statt Motivation …

Neben der Motivation gibt es wohl kaum ein weiteres Thema, das immer wieder so heiß diskutiert wird, wenn es um Verkauf, Akquise oder Vertrieb geht: der sinnvolle Umgang mit Zielen. Auch weil die beiden Themen ja ineinanderspielen und verknüpft sind. Ein dritter Faktor sind Vergütungssysteme, die leistungsabhängig sind und deshalb auch in unmittelbarer Korrelation zu Zielen und Motivation stehen. Ziele im Vertrieb und im Verkauf sind auf den ersten Blick einfach festzulegen, da es ausreichend Kennzahlen gibt, die man messen und zur Messung des Erfolgs heranziehen kann. Der Sinn von Zielen ist klar:

Sie sollen den Mitarbeitern und Führungskräften eine Orientierungshilfe sein und als Anreiz dienen, starke Leistungen zu bringen.

Unabhängig davon, ob die Zielsetzungen eines Unternehmens nun wirklich realistisch sind oder nicht, fehlt ihnen aber oft ein entscheidender Faktor: Sie haben für die Mitarbeiter keine persönliche Relevanz oder sie sind nicht mit positiven Emotionen verknüpft. Die Identifikation mit den Zielen bleibt aus, man distanziert sich von ihnen, es sind nicht die eigenen, sondern die Ziele der anderen – Ziele von Führungskräften, vom Management, vom Vorstand, von Aktionären.

Zielsetzungen bilden heute die Basis für den Führungsstil, der in fast allen Vertriebsorganisationen Anwendung findet: MbO, das Management by Objectives. Der Grundgedanke ist einfach und logisch: Eine individuelle Zielerreichung wird mit einer entsprechenden Vergütung gekoppelt. Das führt dazu, dass Mitarbeiter motiviert sind, im Sinne des Unternehmens handeln und konsequent auf die Unternehmensziele hinarbeiten. Die Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter konzentriert sich auf die Leistung des Mitarbeiters, welche durch die Führungskraft auf der Basis von bestimmten Kriterien bewertet wird.

So hat es auch Peter Drucker beschrieben, der diese Methode 1954 erfunden hat. Und grundsätzlich kann sie sehr gut funktionieren. Vorausgesetzt, die Zielsetzungen und die Bewertungskriterien haben zur Folge, dass sie beim Verkäufer positive Emotionen auszulösen und dieser mit Spaß an der Zielerreichung arbeitet. Ein Vertriebsmitarbeiter hat zum Beispiel die Zielvorgabe, in einem bestimmten Zeitraum eine definierte Zahl von Neukunden zu gewinnen. Gemessen wird seine Leistung unter anderem an der Zahl der Besuchstermine, die er vereinbart. Eine rein quantitative Betrachtungsweise also. Schafft er die verlangte Anzahl nicht, wird die Führungskraft reagieren und ihn dazu motivieren, doch mehr Termine zu vereinbaren. Wie Sie wissen, spielt die Anzahl von Besuchsterminen durchaus eine Rolle für den Vertriebserfolg, ist aber nicht der entscheidende Faktor. Ausschlaggebend ist die Qualität dieser Termine. Um weiteres negatives Feedback zu vermeiden, vereinbart der Mitarbeiter also auch Termine, die wahrscheinlich nicht dazu beitragen, sein Ziel zu erreichen. Dafür erhält er wiederum Lob von seiner Führungskraft. Eine verkehrte Welt, das merkt auch der Mitarbeiter.

Entsprechen die Ergebnisse nicht den Erwartungen, heißt es im Vertrieb oft: Wir müssen die Schlagzahl erhöhen, wir brauchen mehr Abschlussorientierung, mehr Biss. Mit der neuen Zielvorgabe gibt der Mitarbeiter den eigenen Verkaufsdruck an den Kunden weiter, dieser wird misstrauisch oder fühlt sich bedrängt.

Vertriebsziele sollen Motivation fördern, nicht blockieren

Nur ein Verkäufer, der locker und frei mit dem Kunden im Verkaufsgespräch sitzt, kann alle seine Stärken ausspielen, auf sämtliche Optionen und Skills zugreifen und kreative Ideen und Lösungen entwickeln.

Es ist definitiv nicht leicht, Menschen mit Zielen zu führen und zu Höchstleistungen zu bringen. Es ist aber auch nicht so schwer, sich Gedanken darüber zu machen, ob wirklich die Ziele vereinbart sind, die eine hohe Relevanz für das Gesamtergebnis haben. Der Führungsexperte Dr. Reinhard K. Sprenger weist immer wieder darauf hin, dass man Motivation und Leistung auch fördert, indem man Demotivationsfaktoren abbaut. Eine weitere Möglichkeit auf dem Weg zu den großen Jahreszielen besteht darin, mit den Mitarbeitern gemeinsam zu erarbeiten, wie sie über kleine, überschaubare Teilziele Schritt für Schritt auf das große Ziel hinarbeiten.

So können Führungskraft und Mitarbeiter viel besser überblicken, ob der Mitarbeiter auf dem richtigen Weg ist oder nicht. Und es werden die klassischen Paniksituationen vermieden, in denen der Mitarbeiter erst kurz vor Schluss Gas gibt, Kunden verbrennt und am Ende das Ziel doch nicht erreicht.

Die Arbeit mit starren Zielen im Vertrieb ist auch kritisch, weil Vertrieb und Verkauf heute einem stetigen Wandel unterliegen. Das betrifft interne und externe Faktoren. Kunden verändern sich, potenzielle Kunden ebenfalls. Märkte sind in Bewegung und es entstehen in atemberaubender Geschwindigkeit neue Produkte und Dienstleistungen. Ein komplexes und sich wandelndes Umfeld setzt flexible Mitarbeiter und entsprechende Ziele voraus.

Hinzu kommt, dass Unternehmen im Laufe eines Geschäftsjahres ihre Strategie ändern. Zu Beginn des Jahres steht die Neukundengewinnung im Fokus und der Mitarbeiter stellt sich darauf ein. Kurze Zeit später sieht man wieder größere Potenziale bei dem bestehenden Kundenstamm und baut auf Cross- und Up-Selling.

Das Führen mit Zielen hat sich seit den Fünfzigerjahren immer mehr verändert. Der Grundgedanke ist immer noch der gleiche, doch für viele Führungskräfte und Mitarbeiter hat es sich vom Segen in einen Fluch gewandelt. Ohne Ziele geht es nicht – und das betrifft nicht nur den Vertrieb. Die Frage ist, wie diese Art zu führen und zu arbeiten flexibler werden kann. Ein Mitarbeiter, der im Verkauf ein bestimmtes Ziel verfolgt, wird sich auf dieses Ziel fokussieren. Erreicht er es, ist er erfolgreich. Erreicht er es nicht, kann das einerseits daran liegen, dass er sich so darauf fokussiert hat, dass er nicht bemerkt hat, dass dieses Ziel in dieser Situation überhaupt nicht zu erreichen war. Es kann aber auch daran liegen, dass er so verbissen auf dieses Ziel hingearbeitet hat, dass er dabei unbewusst den Kunden so stark unter Druck gesetzt hat, dass dieser nicht gekauft hat. Wenn wir etwas zu stark fokussieren, dann verändert sich unsere Wahrnehmung.

Hat der Verkäufer die Signale des Kunden überhaupt wahrgenommen, die es ihm ermöglicht hätten, eine andere Lösung anzubieten und damit doch noch zu seinem Umsatz zu kommen?

Sobald Ziele Druck und Verbissenheit erzeugen, besteht die Gefahr dass Optionen übersehen oder ausgeblendet werden. Viele Optionen ergeben sich, wenn Ziele zwar definiert sind, es aber verschiedenste Möglichkeiten gibt, diese zu erreichen. So ist es auch möglich, einmal ein Teilziel nicht zu erreichen, ohne dass die gesamte Zielerreichung gefährdet ist. Es bestehen ja noch weitere Optionen. Top-Verkäufer setzen nie auf ein einziges Pferd und haben immer ein Ass im Ärmel. Sie halten sich Optionen offen und sind deshalb gerüstet für unvorhergesehene Ereignisse. Sie wissen, dass der große Auftrag, der zum Greifen nahe ist, von heute auf morgen weg sein kann. Dass womöglich der Kunde, der den Kauf schon zugesagt hat, das Bestätigungsfax eben doch nicht schickt. Und dass der neue Entscheider, der überraschend an die Stelle des bisherigen Ansprechpartners getreten ist, ganz andere Vorstellungen haben kann als sein Vorgänger. Das gilt auch für das Verhalten von Verbrauchern, die sich heute mehrere Optionen offenhalten und erst kurzfristig entscheiden oder sich noch einmal umentscheiden. Und es gibt für Top-Verkäufer auch immer noch Ziele, die nicht in der Zielvereinbarung stehen, die aber einen hohen persönlichen Stellenwert besitzen. Sie arbeiten beispielsweise darauf hin, einen ganz bestimmten Wunschkunden zu akquirieren, einen Kunden in einen anderen Umsatzbereich zu führen. Oder sie wollen einen bestimmten Entscheider einmal persönlich kennenlernen. Diese Ziele sorgen für eine hohe Eigenmotivation.

Denn entscheidend bleibt am Ende, wie wichtig ein Ziel für den Verkäufer ist, welche persönliche Bedeutung es für ihn hat, und was es emotional in ihm auslöst, wenn er daran denkt und daran arbeitet.

Das ist eine klare Führungsaufgabe und auch der Mitarbeiter ist in der Verantwortung, für sich selbst zu definieren, was ihm wirklich wichtig ist. Für viele Mitarbeiter ist das auch deshalb schwer, weil sie noch nie danach gefragt wurden. Sie wurden immer damit konfrontiert, welche Ziele das Unternehmen oder der Vertrieb verfolgt, und dass sie dazu da sind, diese Ziele zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass sie auch erreicht werden. Sind die Ziele klar formuliert und werden vom Mitarbeiter mitgetragen, bleibt noch ein wichtiger Faktor: Der Mitarbeiter braucht die bereits erwähnten Freiheiten und Spielräume, um diese Ziele auch erreichen zu können. Führen durch Ziele ist ein gemeinsamer Prozess, der davon lebt, dass Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam auf Augenhöhe interagieren. Um die hohen Ziele gemeinsam zu erreichen, bedarf es eines Schulterschlusses, der sich darin zeigt, dass gemeinsam ein Konzept entwickelt wird, welches den Mitarbeiter und die Führungskraft zum Erfolg führt.

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