Was ist eigentlich gesunde Kommunikation?

Was heist eingentlich gesunde Kommunikation im Alltag? Darf man seinen Chef kritisieren? Wenn ja wie? Und wie entschuldigt man sich angemessen, wenn man mal verbal über die Stränge geschlagen hat? Antworten darauf liefer die Kommunikationsexperten Angela Dietz?

Was sind die größten No-Go’s in der beruflichen Kommunikation?

 Go’s sind als Orientierung hilfreich. Für eine Umsetzung im Alltag scheinen mir allerdings die To Do’s noch wichtiger. In der Hoffnung, Ihnen einen Mehrwert zu bieten,  benenne ich daher auch Einiges, was Sie tun können, anstatt allein die No-Go’s aufzuzählen:

No GO: Schweigen, schlucken, durchhalten – Nichts ansprechen, nicht reden

To DO: Zeitnahe ansprechen, was los ist. Ja,… und WIE
Seit ca. 15 Jahren hilft mir ein Bedürfnisbewusstsein, welches ich zuvor nicht hatte, durch meinen Alltag. Wenn Sie ohne Vorwürfe ansprechen wollen, was gerade in Ihnen los ist, fragen Sie sich bitte zuerst, ob Sie gerade 100% Verantwortung für Ihre eigenen Gefühle übernehmen oder ob Sie  denken, ein Anderer sei Schuld und dafür verantwortlich. Um Vorkommnisse, Gefühle und Bedürfnisse möglichst ohne Beschuldigungen, offen ansprechen zu können, braucht es Know how und Übung. Bevor Sie herausfordernde Gespräche aufnehmen, klären Sie mit Hilfe bestimmter Schritte (siehe bitte unten bei 3.), was Ihnen wichtig ist. Eine alltagstaugliche Selbstreflexion oder Selbstklärung halte ich für grundlegend, um aus alten Fahrwassern, Rechtfertigungen, Schweigen, persönlich nehmen etc. auszusteigen. So können Sie prägnant und ehrlich sagen, was Ihnen gefällt und was nicht.  Doch auch, wenn Sie (noch) Vorwürfe machen, ist Reden um eine Klärung zu erreichen, immer noch besser und gesünder, als wochenlang zu schweigen, zu schlucken oder innerlich krank machende Gedanken zu wälzen.

NO GO: Nicht auf Augenhöhe kommunizieren, sondern jemanden von oben herab behandeln. Ich weiß es besser und habe die beste Lösung für uns – Du hast keine Ahnung, bist zu langsam, zu unerfahren, zu… .

To Do’s: Den Gesprächspartner wertschätzen. Auch Andere können und wissen viel, haben Ideen, die ich selbst eventuell nicht habe und wollen glücklich sein. Entscheiden Sie sich dafür, mit folgender Einstellung in Gespräche zu gehen: Ich möchte den Anderen verstehen und selbst verstanden werden. Das bedeutet nicht, dass ich mit dem, was der Andere tut, sagt, entscheidet, einverstanden sein muss – nein,  „verstehen zu wollen“ bedeutet noch lange nicht „einverstanden zu sein“ – das ist eine feine und wichtige Schlüsselunterscheidung, die viele Gespräche entspannt und Verständigung sehr erleichtert. Zuhören und Nachfragen sind zwei weitere unverzichtbare Kompetenzen hierfür. Ein Satz von Marshall B. Rosenberg, der mir in schwierigen Situationen hilft: „Menschen tun oder unterlassen etwas, weil Sie versuchen, sich ein Bedürfnis zu erfüllen und nicht, um jemand Anderem zu schaden.“

NO GO: Einseitiger Gesprächsabbruch ohne Klärung im Nachhinein.

To Do: Sollten Ihre Gefühle überschäumen und Sie verlassen im Fluchtmodus den Raum und damit ihren Gesprächspartner, um sich und ihn vor Ihren eigenen Worten und Reaktionen zu schützen – halte ich das für deutlich sinnvoller, als alles ungefiltert herauszulassen. Nehmen Sie sich Zeit, gönnen Sie sich etwas Ruhe, um Klarheit in sich zu finden. Danach gehen Sie wieder auf Ihren Gesprächspartner zu, um anzusprechen, was Ihnen wichtig ist und zu hören, was er/sie gerade braucht.

No GO: Kommunikation via Telefon, Mail, SMS, Whats app – obwohl face to face leicht machbar wäre.

TO DO: Nehmen Sie sich die Zeit zu einem gemeinsamen Kaffee oder zu einem face to face Meeting vor Ort – die Beziehung zu pflegen ist die beste Investition für eine gelingende Kommunikation.

Wie wichtig ist Körpersprache als non-verbale Kommunikation im Job?

Es kommt meines Erachtens sehr darauf an, wie die Beziehung der Gesprächsteilnehmer ist. Ist diese vertraut und stabil, fühlen sich die Beteiligten wohl und entspannen sich eher. In diesen Fällen achten die meisten weniger sensibel auf die Körpersprache, als wenn sie (noch) nicht wissen, wie jemand zu ihnen steht, Spannungen die Beziehung belasten oder man nicht weiß, was er/sie von einem möchte.
Das hängt damit zusammen, dass unser Gehirn ständig bestrebt ist, zu beurteilen und Freund von Feind zu unterscheiden und alles verarbeitet, was durch die eigene Wahrnehmung aufgenommen wird. So hat eine Körperhaltung, unsere Mimik und Gestik schon einen hohen Einfluss auf gelingende oder misslingende Kommunikation.
Ein Augenrollen, Stirnrunzeln, eine Handbewegung, ein Wegdrehen oder ein Lächeln –  alles Ausdrucksweisen, die automatisch innere Reaktionen und Interpretationen beim Empfänger nach sich ziehen. Unser Körper „spricht“  also ständig,  wir wirken permanent, ob wir wollen oder nicht.
Ein weiterer Aspekt ist die Echtheit oder Authentizität: Sie sind am überzeugendsten, wenn sie ansprechen, was los ist, denn Ihr Körper drückt sowieso einen Teil davon aus. Kommunizieren Sie stimmig, „kongruent“, statt gute Miene zu mimen, wenn in Ihnen Ärger oder Enttäuschung toben. Ganz abgesehen davon, dass eine sog. „inkongruente“, also „nicht stimmige“ Kommunikation viel Kraft und letztendlich auch Lebensfreude kostet, ist sie weder überzeugend noch kann sie Andere begeistern.

Wie können Mitarbeiter Ihren Chef kritisieren ohne unhöflich zu wirken?

Für mich ist der Weg der „Gewaltfreien Kommunikation – GFK“ der gesündeste und kraftvollste, den kenne und daher empfehle ich Folgendes:

Sie  klären Ihre Wahrnehmung (was ist tatsächlich passiert?) und trennen Ihr Kopfkino, alte Begebenheiten und Erinnerungen von dem, was gerade jetzt aktuell zu Ihrer Verstimmung führt bzw. mit was Sie unzufrieden sind.

Dann klären Sie Ihre Gefühle und Bedürfnisse – ich spreche hier von Gefühlen, für die ich 100% Verantwortung übernehme weil sie mich auf mindestens ein Bedürfnis hinweisen wollen, welches (nicht) erfüllt ist. Unter Bedürfnissen verstehe ich im Gesunden Kommunizieren auf Grundlage der GFK explizit NICHT irgendwelche Handlungen, die bestimmte Personen oder ich selbst tue, sondern solche Dinge, die alle Menschen gerne hätten. So z.B. Dazugehören wollen, gehört werden, Achtsamkeit, Wertschätzung, Erfolg oder Einfühlung.

Im letzten Schritt frage ich mich, welche konkrete Bitte habe ich, z.B. an meinen Chef. Gibt es etwas, was ich von ihm hören, haben oder wissen möchte?

Dies alles sage ich in maximal 2 Sätzen, und spreche auf diese Weise sehr präzise, klar und ohne Vorwurf aus, wie es mir geht und was ich gerne anders hätte.

Das klingt dann beispielsweise so:

Projektverantwortlicher Mitarbeiter zu seinem Vorgesetzen: „Wenn Sie Herrn Müller aus meinem Projektteam abziehen, ohne das vorab mit mir zu besprechen, bin ich sehr unzufrieden, denn ich möchte gerne in Veränderungsüberlegungen einbezogen sein und gefragt werden, da mir unser Erfolg wichtig ist. Können Sie mir bitte sagen, wie das bei Ihnen ankommt?“

Zum Gesunden Kommunizieren gehört, dass ich nicht nur meine Sicht der Dinge äußere, sondern auch den guten Grund des Anderen hören möchte. Was hat dich bewogen, so zu handeln, wie du gehandelt hast?  

Ich empfehle für solche Klärungen eine Vier-Augen-Situation. Komfortabel ist es, wenn Sie vorab einen gemeinsamen Gesprächstermin vereinbaren können, bei dem jeder vorab mitteilt, um was es im Gespräch gehen soll.

Ein kleiner Kurz-Check für Sie: Brauchen Sie mehr als 50 bis maximal 60 Worte, ist dies ein Zeichen, dass Sie sich selbst noch klarer werden können, um was es Ihnen wirklich geht. Je länger Sie herumreden, desto schwächer und unklarer wird Ihre Aussage. Wenn Sie sich vorab zwei Bedürfnisse notieren, die Sie im Gespräch ansprechen wollen, verhilft Ihnen dies dazu, Ihr Ziel auch in schwierigen Gesprächsphasen stets im Fokus zu halten und nicht auf Nebenschauplätze abzuschweifen, die Sie nicht weiterbringen.

Diese Vorgehensweise unterstützt Sie auch dabei, aus alt gewohnten Kommunikationsmustern, die Ihnen heute nicht mehr dienen, auszusteigen.

Und andersherum?

Läuft das ganz genauso. Ich nenne das gerne „Feedback zum Wachsen“.

Ich bin mit meinen Mitarbeitern auf Augenhöhe, möchte hören und verstehen, was deren Grund war, so oder so zu handeln und spreche klar, ohne Vorwurf, sondern in 3 bis 4 Schritten an, was ich gerne anders hätte. Dann suchen wir gemeinsam nach Wegen und Lösungen, damit beide Seiten ihre Bedürfnisse berücksichtigt sehen. Diese Art der Führung übernimmt Verantwortung und überlässt Verantwortung, vertraut und schätzt die Mitarbeiter – ich nenne das nach Marshall Rosenberg: „Macht miteinander“. Auf diese Weise werden oftmals Lösungen möglich, die durch Einbahn-Kritik nicht ins Blickfeld kommen. Dass die Mitarbeiter durch solch eine Feedback- und Vertrauenskultur höher motiviert sind, erklärt sich von selbst.

Wenn es zu spät ist: Wie entschuldige ich mich angemessen bei einem Kollegen, wenn ich falsch kommuniziert habe und beispielsweise unhöflich oder laut geworden bin?

Das ist ja nur allzu menschlich, wir sind nicht perfekt und das finde ich auch wunderbar so – wir sind Menschen, und haben unterschiedliche Stimmungen, haben Gefühle, erfüllte und unerfüllte Bedürfnisse und geben zu jeder Zeit unser Bestes – doch manchmal ist das Beste eben nicht das, was uns und unseren Mitmenschen gut tut. Wir sind angespannt, müde, erschöpft, überfordert, gereizt, traurig… und dann reicht eine Kleinigkeit und wir explodieren. Wir haben es nicht geschafft, vorher bei uns zu schauen, welches Bedürfnis Aufmerksamkeit braucht und haben uns selbst zu lange übergangen. Das passiert wohl Jedem mal. Schwierig ist es erst, wenn es einem tagtäglich passiert. Keiner unserer Mitmenschen lässt sich täglich gerne unhöflich und laut ansprechen und dann hilft es auch nicht wirklich, wenn ich im Nachhinein hingehe und anspreche, was ich bedauere. Ich werde unglaubwürdig, wenn ich dauerhaft tagtäglich laut werde und mich jedes Mal dafür entschuldige.

Passiert es Ihnen ab und an – halte ich es für eine wichtige menschliche Tugend möglichst bald nachdem ich mich wieder beruhigt habe und klarer sehen und wahrnehmen kann, was bei mir los ist, dass ich auf den oder die Anderen zugehe und bedauere. Ich bedauere was vorhin oder gestern zu kurz gekommen ist. Z.B.: „Es ist mir wichtig, achtsam und geduldig die Ideen anderer anzuhören, doch ich war gestern im Meeting so unter Zeitdruck – und das habe ich Ihnen nicht mitgeteilt – sondern habe Sie einfach vor den Anderen abgewürgt – das bedauere ich, denn ich schätze Ihre Ideen und mag gerne Neues von Kollegen hören. Wie geht es Ihnen mit meinen Worten?

Eventuell schließt sich noch folgende Frage später an: „Ist es Ihnen wichtig, dass ich das noch einmal im Team sage?“

Das alles geht natürlich auch in der Du-Variante 😉

„Du, mein Lautwerden gestern tut mir sehr leid, denn es ist mir wichtig, Menschen aussprechen zu lassen und Ideen anderer offen aufzunehmen, statt gleich abzuwürgen – ich war so angespannt, wollte pünktlich aus dem Meeting zu meinem Kunden kommen und war da nicht so achtsam, wie ich es sein mag – das wollte ich dich unbedingt wissen lassen.“

Dieses Interview führte Mara Brinkmann. Sie betreut seit 2012 die Redaktion des Portals Karrierefaktor, welches Studenten, Absolventen, Berufseinsteigern, Arbeitnehmern und Fach- und Führungskräften Tipps zu Bewerbung, Weiterbildung, Karriere und Herausforderungen des Arbeitsalltages bietet. Auf der Website erscheint unter anderem wöchentlich ein Kurz-Interview mit einem Karriere-Experten. http://www.karrierefaktor.de

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