Von Freunden kaufe ich, von falschen Freunden auch

Sympathie und Nähe ist das Salz in der Suppe für gute Geschäfte. Das wissen auch Verkäufer. Gleiche Kleidung, dieselben Vorlieben, gemeinsame Hobbys, … und schon klappt es mit dem soeben noch zögerlichen Kunden. Warum ist das so? Warum haben wir ein instinktives Bedürfnis, uns Freunde zu suchen und warum lassen wir uns von Ihnen beeinflussen?

Sympathie und Nähe aufzubauen, ist ein entscheidender Teil jeder Verkaufsstrategie. Freunden glaube ich eher, ich vertraue ihrem Rat. Vertrauen wird durch Ähnlichkeit aufgebaut. Tragen Menschen ähnliche Kleidung oder teilen sie dieselben Vorlieben, steigt das Vertrauen. Gemeinsame Hobbys, gemeinsame Aktivitäten, vielleicht sogar gemeinsame Freunde – und schon klappt es auch mit dem eben noch zögerlichen Kunden.

Aber warum ist das so? Warum haben wir dieses instinktive Bedürfnis, uns Freunde zu suchen, und noch wichtiger, warum lassen wir uns von ihnen beeinflussen?

Menschen brauchen die emotionale Nähe zu anderen. Die von Stanley Schachter und Jerome Everett Singer , zwei amerikanischen Psychologen, formulierte Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion beschreibt, dass wir unsere eigenen Informationen in Abhängigkeit vom Verhalten anderer Menschen interpretieren. In einem Versuch wurde Probanden eine geringe Dosis Adrenalin verabreicht, sodass ein Zustand leichter Erregung (Herzschlag, Erröten, leichtes Zittern) hervorgerufen wurde. Ein Teil der Versuchspersonen wurde über diesen Zusammenhang aufgeklärt, ein anderer Teil nicht, weitere bekamen ein Placebo verabreicht. Nach der Injektion verbrachten die Probanden einige Zeit mit einer anderen Person, die ihnen als weitere Versuchsperson mit derselben Injektion vorgestellt wurde. Tatsächlich handelte es sich um einen Partner der Versuchsleiter, der sich unruhig und ausgelassen oder verärgert verhielt. Nicht informierte Versuchspersonen, die den Effekt der Droge spürten, sich die Ursache aber nicht erklären konnten, interpretierten ihren Zustand in Abhängigkeit vom Verhalten des konspirativen Dritten.

Die Erklärung ist einfach: Wenn wir uns unserer Gefühle nicht sicher sind, orientieren wir uns an den Reaktionen der Menschen in unserem unmittelbaren Umfeld. Dieses war mit Sicherheit eine sehr gute Überlebensstrategie in den Frühzeiten der menschlichen Entwicklung. Sich an den Menschen in unserem Umfeld zu orientieren erspart uns in vielen Situationen die Notwendigkeit, eigene Erfahrungen zu sammeln. Es geht schneller und erspart uns die Folgen manch falscher Entscheidung. Wenn andere fliehen, ist es besser, mitzulaufen und nicht als Einziger zurückzubleiben. Nur bekannte Nahrung zu essen erspart uns Bauchweh oder Schlimmeres. Meist war die Gruppe ein guter Ratgeber und darum lassen wir uns vermutlich noch heute gerne von Menschen leiten, die unser persönliches Umfeld bilden.

Für unser instinktives Verhalten spricht auch, dass sich eine solche Vertrautheit bereits durch einfache körperliche Nähe herstellen lässt. Eine kurze Berührung am Arm, auch von Fremden, kann positiv wirken. Busfahrer sagen leichter ja, wenn sie um eine Gratisfahrt gebeten werden und der Fragesteller sie dabei leicht am Arm berührt. Zufällig ausgewählte Passanten sind eher bereit, an einer Umfrage teilzunehmen, und Gäste geben mehr Trinkgeld, wenn sie vorher kurz berührt wurden. Es scheint so, dass unauffällige Berührungen uns anderen Menschen sympathischer machen. 

Dieser Instinkt nach Nähe mag auch dazu führen, dass wir im persönlichen Gespräch eher kaufen als über Internet und Telefon. Aufgrund der Bedingungen unserer Evolution kaufen wir lieber von einem Menschen, der uns ganz nah direkt gegenübersteht. Ist er uns dazu noch vertraut, so fällt es uns schnell schwer, nicht zu kaufen.

Grundregel: Emotionale Nähe wirkt immer

Menschen, die uns emotional berühren, können durch ihr Verhalten bei uns bestehende positive oder negative Gefühle verstärken oder diese sogar erst hervorrufen. Wenn Sie es also schaffen, zu Ihrem Gegenüber Nähe und emotionale Verbindung herzustellen, wird es Ihnen leichter gelingen, diejenigen von Ihrem Vorhaben zu überzeugen. Das ist einer der Gründe, warum Verkäufer versuchen, es dem Kunden möglichst angenehm zu machen. Autohäuser sind nach den Vorgaben der Hersteller gestaltet, um das Ambiente zu schaffen, das den Markenkern angemessen interpretiert. Der Verkäufer wird gleichfalls geschult, um durch passendes Verhalten Nähe zum Kunden herzustellen und dadurch Überzeugung zu generieren. In der Zeit wird beschrieben, welche Methoden im Verkauf angewendet werden (in dem Fall bei Lexus): Der erfolgreiche Verkäufer plaudert mit dem Kunden über Musik und seine Urlaubspläne. Er sorgt dafür, dass sich der Kunde als Gast im Autohaus fühlt, Kaffee und Ledersofas unterstützen diesen Eindruck. Der Verkäufer baut Sympathie zum Kunden auf, Ähnlichkeit ist ein entscheidender Faktor – gleiche Kleidung, Vorlieben für Sport oder Urlaubsziele und mehr. So ist die emotionale Verkaufsfalle perfekt aufgestellt.

Der Rat Gleichgesinnter oder wenigstens gleich Gekleideter wird als wichtiger und wertvoller eingeschätzt. All das ist die Basis für die irgendwann folgende Kaufempfehlung, die dann eher als Rat eines Freundes denn als aggressive Akquisition empfunden wird.

Promifaktor wirkt wie guter Freund

Auch Prominente leben vom Faktor Nähe, ohne ihren Bewunderern allerdings gleich so nahe oder zu nahe kommen zu wollen. Presseberichte, Fernsehsendungen, Internet und mehr sorgen dafür, dass wir alles von ihnen wissen. Wir fühlen uns ihnen nahe. Medien platzieren sie beinahe täglich in unserem Wohnzimmer. Sport- und Showstars lassen die Öffentlichkeit an ihrem Privatleben teilhaben, Sucht und Ehescheidung inklusive. Dank Twitter gibt es sogar die Möglichkeit, an ihrem Tag nahezu in Echtzeit teilzunehmen. Prominente werden deswegen von vielen Mitmenschen wie gute Bekannte oder sogar Freunde erlebt. Der wahrgenommene Abstand hat sich noch mehr verringert. Prominente sind uns damit oft so nahe wie  mancher Verwandter oder sogar näher.

Da Prominente wichtiger sind und dementsprechend im Alltag mehr Aufmerksamkeit bekommen, orientieren wir uns gerne an ihrem Verhalten. Wir ahmen die Verhaltensweisen von Prominenten nach. Durch diese Imitation stellt sich im Alltagsleben das Gefühl von Nähe her. Menschen besuchen Lokale, in denen sie Prominente zu treffen hoffen, sie kaufen von ihnen entworfene Kleidung, sie geben viel Geld für Konzertkarten aus oder wandern mit ihrem Idol.

Menschen orientieren sich an Prominenten als Modell für Erfolg. Deutschland sucht den Superstar und andere ähnliche Formate bieten die Chance, dem bewunderten Star nahe zu sein. Wenn ich mich in meinem Verhalten an diesen Modellen orientiere, mache ich sicher vieles richtig. So die – oft unbewusste – Logik.

Soziales Lernen wurde vom amerikanischen Psychologen Albert Bandura untersucht. Er wies nach, dass wir nicht nur aus den Konsequenzen des eigenen Verhaltens lernen, sondern auch durch die Beobachtung von Modellen. In einer Reihe von Versuchen wies er nach, dass die Verstärkung des Verhaltens beim Modell Einfluss auf die Ausführung dieses Verhaltens auch beim bloßen Beobachter hatte. Je näher mir das Modell steht oder je größer die Wichtigkeit des Modells, desto höher die Wahrscheinlichkeit zur Übernahme des Verhaltens.

Prominente sind wegen ihrer Breitenwirkung zunehmend häufig aufgerufen, sich einfach nur deswegen zu wichtigen Themen zu äußern, weil sie prominent sind. »Der Klimawandel ist die größte Herausforderung der Menschheit und keinerlei politische Angelegenheit. Sondern es geht dabei um unser Überleben.« Leonardo Di Caprio wendet sich mit diesen ergreifenden Worten am 23. September 2014 auf dem UN-Klimagipfel an die versammelten Politiker und an die Medien. Das schafft international Aufmerksamkeit in allen Medien und da ist es dann auch unwichtig, dass Leonardo privat einen ziemlich großen CO2-Fußabdruck hinterlässt. Im Sommer machte er Urlaub auf einer der größten Jachten der Welt mit einem geschätzten Spritverbrauch von deutlich über 10.000 Litern auf hundert Seemeilen.  Ex-Hermine Emma Watson kämpft als Betroffene mit einer engagierten Rede gegen die weltweite Unterdrückung von Frauen, sie ist sogar UN-Sonderbotschafterin für Frauen. Und die Stilikone Victoria Beckham wird durch das Schicksal aidskranker Frauen so stark bewegt, dass sie sich entschließt, ein Zeichen zu setzen: »It was a life-changing experience, I wanted to do all I could.« (Es war eine Erfahrung, die mein Leben verändert hat. Ich wollte alles tun, was ich nur konnte.) Nein, falsch, einen spürbaren Teil ihres geschätzten 185-Millionen-Dollar-Vermögens wollte sie dann doch nicht spenden. Aber immerhin bestand ›do all I could‹ dann doch daraus, 600 Kleidungsstücke und Accessoires aus ihrem Besitz zu versteigern. Das brachte zwar weniger, als sie für den ersten Geburtstag ihrer Tochter Harper Sevens ausgab, aber jeder Euro zählt, oder etwa nicht? Es gibt sogar eine eigene Website – https://www.looktothestars.org –, auf der die Wohltätigkeit von Prominenten gekonnt inszeniert wird.

Menschen wie Dagi Bee15 zeigen uns, dass jeder prominent sein kann. Dagi Bee sieht laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung (FAZ) aus »wie das Mädchen von nebenan, in das alle Jungs in der Schule verknallt sind. Sie ist klein, hat blond gefärbte Haare und blaue Augen, ist immer gut gelaunt und lächelt ein bezauberndes Fotolächeln.« Dagi Bee (ihr Alias) ist deswegen ein Star, weil sie auf YouTube regelmäßig Videos online stellt, in denen sie Schminktipps gibt und ihre neuesten Einkäufe vorstellt und über Privates plaudert. Sie hat nahezu eine Million Abonnenten, eine Million Facebook-Fans und 150.00 Follower auf Twitter. Tendenz steigend. Wenn Dagi Bee öffentlich auftritt, ist sie von kreischenden Fans umgeben. Für ihre Gemeinde ist sie ein absolutes Vorbild und doch so nahe – das Mädchen von nebenan, nur viel bekannter.

Teilen

Dieser Artikel kann nicht kommentiert werden.