Verwirren Sie Ihre Kunden

Wie bitte – Ich soll meine Kunden verwirren und Unklarheit erzeugen? Als gestandener Verkäufer wissen Sie – dass haben Sie so gelernt – das Sie mit Verwirrung genau das Gegenteil erreichen. Doch Verwirrung ist wie ein Reset – die logische Argumentation des Kunden lässt sich einfach ins Wanken bringen. Der Verkaufsprofi Markus Euler zeigt Ihnen, wie Sie gekonnt für etwas Verwirrung sorgen.

Wann haben Sie sich das letzte Mal bei einem Menschen bedankt, der Sie ganz konfus gemacht hat? Klingt komisch, oder? Und doch, sage ich, wäre das manchmal durchaus angebracht.

Ein erster Blick auf die Wortbedeutung lässt wenig Gutes erkennen: Konfus bedeutet verworren, unklar, verwirrt und stammt vom lateinischen confundere, was so viel wie zusammenschütten, vermengen heißt. Man spricht von konfusem Gerede, das zu nichts führt.

Wie bitte – ich soll meinen Kunden verwirren und Unklarheit erzeugen? Ich will doch genau das Gegenteil erreichen. Ich möchte Sie gerne anstiften, einmal darüber nachzudenken, welche positiven Auswirkungen in einer Situation stecken, in der man verwirrt ist oder durch etwas/jemanden verwirrt wurde.

»Verwirrung ist stets der Beginn kreativen Wandels.« (Thomas Weiss)

Verwirrung heißt, dass die Gedanken und Überzeugungen einer Person durcheinandergebracht worden sind. Dadurch kann Raum für neues Denken entstehen.

Überzeugungsstrategien scheitern heute aus den unterschiedlichsten Gründen. Sie sind nicht emotional oder persönlich genug, der Kunde spürt, dass er gerade überzeugt werden soll, oder der Kunde versteht schlichtweg nicht, was ihm der Verkäufer überhaupt sagen will. Unser Gehirn liebt Erklärungen. Sobald es plausible Antworten bekommt, ist es befriedigt. Ob diese Informationen richtig, falsch, zutreffend, hilfreich und so weiter sind, ist erst einmal nicht relevant.

Wenn der Kunde bereits sein logisches Konstrukt aufgebaut hat und ihm genau dieses im Weg steht, dann muss genau dieses Konstrukt ins Wanken gebracht werden. Wenn der Mensch nur das erkennt, was er bisher gelernt hat, dann liegt in der Verwirrung nur ein Ziel: dazuzulernen. Denn solange er nichts dazu gelernt hat, wird er für Argumente und Informationen taub und blind sein.

Auch wenn die deutsche Sprache hier sehr hart klingt: Spitzenverkäufer erteilen dem Kunden verschiedene Lektionen auf dem Weg zur Kaufentscheidung. Und das passiert eben in der Regel nicht durch wohlklingende Marketingsprüche, seidenweiche Nutzenformulierungen oder sonstige Werkzeuge aus dem Standardvertriebswerkzeugkasten.

Informationen bekommt der Kunde im Internet und aus anderen Quellen, denen er zum Teil mehr Vertrauen schenkt als einem Verkäufer. Aber erst das explizite Wissen bringt ihn zu seinen Zielen oder zur Problemlösung, die es ermöglicht, sein Business zu optimieren. Und dieses Wissen kann mit den Informationen kollidieren, die er hat.

Verwirrung ist also ein Zustand, der dem Kunden ermöglicht, seine eigene Sicht der Dinge infrage zu stellen und einen Perspektivwechsel vorzunehmen. Top-Verkäufer überlegen also, wie sie ihren Kunden erst einmal verwirren? Ja. Aber nur, um ihm in dieser Verwirrung die Möglichkeit zu geben, Dinge zu erkennen, die er vorher noch nicht wahrgenommen hat. Konkrete Fragen, vielleicht etwas naiv formuliert, um dem Kunden nicht das Gefühl zu geben, angegriffen zu werden, sind hier ein wichtiges Mittel.

Verkäufer, die den Mut haben, unangenehme Fragen zu stellen, den Kunden aus der Reserve zu locken und zu irritieren, folgen nicht der Idealvorstellung einer Verkäufer-Kunden-Beziehung. Aber je stärker ein Kunde von seiner Sicht der Dinge überzeugt ist, umso eher besteht die Möglichkeit, ihn zu einer anderen Perspektive zu bringen. Das ist leichter als bei Menschen, die hin- und hergerissen sind. Die Erklärung ist aber relativ einfach. Ein Mensch, der eine klare Sichtweise vertritt, fühlt sich sicher. Der schwankende Mensch ist unsicher. Wer also eine klare Meinung hat, wird sich gerne auf einen Dialog mit dem Verkäufer einlassen und sehr aufmerksam zuhören. Schließlich möchte er ja ganz genau wissen, wie der andere denkt und wie er zu seiner Meinung kommt. Der schwankende Mensch ist meist gar nicht richtig bei der Sache. Während er dem Verkäufer zuhört, ist er innerlich schon wieder bei anderen Dingen.

Als Verkäufer seine Kunden gekonnt zu verwirren schafft neue Räume zum Lernen und zum gemeinsamen Entwickeln von neuen, besseren Lösungen. Die Erwartungen also (erst) einmal nicht zu erfüllen kostet Überwindung, die sich aber für beide Seiten auszahlt.

Gerade aus diesem Grund laden sich Unternehmen immer wieder Verkäufer ein. Sie hoffen, etwas Neues zu erfahren, neue Erkenntnisse zu gewinnen und ein bisschen Know-how abzugreifen. Sie erwarten, dass sie auch einmal kontroverse Meinungen hören oder Success Storys, die anders sind als die üblichen Vorher-nachher-Geschichten. Wer diese Hoffnung einlöst, der bleibt in guter Erinnerung. Über den wird im Unternehmen geredet oder sogar gestritten. Sogar dann, wenn der Verkäufer das stolze Unternehmensbild ins Wanken gebracht hat. Da wird Energie freigesetzt. Das kann manchmal schiefgehen. Die Gesprächspartner nehmen jemanden, der nicht ihre Meinung vertritt, möglicherweise als Störenfried wahr. Als jemanden, der Grenzen aufzeigt, die bisher verdrängt oder schöngeredet wurden. Aber der Top-Verkäufer tut dies nicht, weil er die Meinung seiner Gesprächspartner nicht akzeptiert. Im Gegenteil. Er weiß ja, dass dem Kunden das Wissen fehlt und dass diese Sicht der Dinge sich aus der vorhandenen Situation und den Erfahrungen ergibt. Und deshalb bleibt er entspannt und greift diese Meinungen auch nicht an.

Natürlich kann man es sich als Verkäufer einfacher machen und denken: »Wenn die Anschlüsse so sind, ist das nicht mein Problem, dann finden wir halt dafür eine einigermaßen akzeptable Lösung.« Oder: »Der Kunde wird schon wissen, was er will.«

Die Erwartungshaltung des Kunden ist aus verschiedenen Gründen nicht immer an der bestmöglichen Lösung ausgerichtet. Mangelnde Fachkenntnis, die Konzentration auf nicht wirklich relevante Informationen verhindern dies. Die besten Verkäufer spielen dieses Spiel nicht wirklich mit. Ihr Fokus liegt nicht nur auf der Lösung des Kundenproblems, das ist nur der Ausgangspunkt. Ähnlich wie im Kundenservice reicht es nicht aus, nur die Aufträge des Kunden auszuführen oder Qualität zu liefern.

Das ist meist nur Tütensuppen-Niveau. Wer mehr will, muss den Kunden also manchmal aus seiner Erwartungswelt herausreißen. Was meinen Sie? Wie ergeht es einem Paar, welches nach vier langweiligen Standardberatungen im Küchenhaus nun das fünfte betritt. »Komm Schatz, eins probieren wir noch und dann sehen wir weiter.« Und stellen Sie sich vor, es wäre so gekommen wie erwartet. Der Verkäufer hätte die beiden an den PC geführt, wortlos das Planungsprogramm gestartet … Sie können es sich vorstellen.

Der Kunde erwartet oft den Standard, den er kennt. Selbst wenn er mit diesem Standard keine guten Erfahrungen gemacht hat. Der nächste Verkäufer, der so klingt, wird in die Schublade mit den schlechten Erfahrungen gesteckt. Sie kennen das aus eigener Erfahrung:

  • Was sind Ihre ersten Gedanken, wenn jemand bei Ihnen anruft und behauptet, sein Produkt sei absolut neuartig, innovativ und kostensenkend?
  • Woran denken Sie, wenn jemand einen Termin möchte, um sein Unternehmen einmal vorzustellen und zu präsentieren?
  • Wie fühlen Sie sich, wenn jemand in einem ersten Termin mit dem Beamer anrückt?
  • Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn ein Verkäufer behauptet, Marktführer oder Qualitätsführer zu sein?

Die Top-Verkäufer wissen um diese Effekte und suchen nach Alternativen zum verbreiteten Akquise- und Verkaufsstandard.

Definieren Sie einmal konkret die Themen, Glaubenssätze und Erwartungshaltungen Ihrer Interessenten und Kunden, die Sie am liebsten widerlegen würden. Das Denken, das Ihren großen Erfolg noch behindert, weil der Kunde Ihnen nicht zuhört, immer dieselben Einwände bringt oder Sie einfach abblitzen lässt. Suchen Sie kreative Ansätze, die diese Monumente ins Wanken bringen. Erst einmal ohne Rücksicht darauf, wie der Kunde im ersten Moment reagieren könnte. Welche Erwartungen des Kunden müssen Sie im ersten Moment vielleicht enttäuschen, damit er im zweiten Schritt merkt, dass dies der bessere Weg für ihn ist? Bedenken Sie bitte, dass der Kunde meist Erwartungen hat, die sich nur am üblichen Standard orientieren, und deshalb im ersten Moment überrascht ist. Ab dem Moment, wo er merkt, dass Sie kein normaler Verkäufer sind, haben Sie diesen Schritt geschafft.

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