Über die Kunst, sich zu verändern

Die Einstellung von Menschen lässt sich oft an Aussagen und anderen Signalen erkennen. Wir bilden uns schnell eine Meinung über sie. Doch wie steht es um unsere Einstellung, unser eigenes Weltbild? Können wir über unseren Schatten springen und unsere Einstellung ändern? Jürgen Ballhuber illustriert, wie wir wir es schaffen können, uns zu verändern.

Woran man die Einstellung eines Menschen noch erkennen kann? Folgende Punkte werden immer wieder genannt und decken sich mit der Vielzahl von Aussagen von Mentoren, Coaches, Trainern und Personalverantwortlichen, mit denen ich gesprochen habe:

  • daran, wie man spricht, welche Worte man benutzt;
  • daran, wie die Stimmmelodie ist, wie betont wird;
  • daran, wie bisher Ziele forciert und angegangen wurden;
  • daran, wie man über seine Erfahrungen spricht und ob man daraus Lehren gezogen hat;
  • daran, ob man in Lösungen oder Problemen denkt und spricht;
  • eindeutig auch an der Schrift, sagen Grafologen;
  • am Gang, an der Haltung, an der Körperspannung;
  • am Blick, an der Gestik und Mimik – also an der gesamten
  • Körpersprache;
  • am Umgang mit anderen.

    Die Liste könnte noch um Einiges länger sein. Sie soll verdeutlichen, dass wir die Einstellung eines Menschen in allen seinen Facetten wiederfinden und erkennen können.

    Denn Einstellung – dies als eine Art Definition – ist die mentale Grundhaltung eines Menschen, die aus seiner Prägung durch seine Erziehung, sein Umfeld und seine Veranlagung entsteht. Sie zeigt sich in der Art, wie ich mir selbst, anderen und dem Leben gegenüber eingestellt bin, und manifestiert sich in meinen Glaubenssätzen, meinen Visionen, Zielen und Werten. Meine Einstellung ist zudem auch abhängig von der jeweiligen Rolle, die ich gerade einnehme. Sie ist der Auslöser für mein Denken, Fühlen und Verhalten.

    Was bewirkt die Einstellung?

    Ändert ein Mensch seine Einstellung, dann wird er auch anders denken, fühlen und sich verhalten. Und auch die Ergebnisse seines Verhaltens werden andere sein. Doch seine Einstellung zu ändern, das ist anspruchsvoll, wie wir noch sehen werden.

    Alle Versuche, sein Denken oder Verhalten zu verändern, ohne allem voran eine neue Einstellung zu gewinnen, sind dagegen fruchtlos – die Veränderung ist oft nur vorübergehend und kann nicht bestehen.

    Denk etwa an jemanden, der auf einen Prinzen oder eine Prinzessin wartet und denkt, wenn er diesen Menschen findet, wird alles gut und das Leben beginnt Freude zu machen. Oder kennst du auch jemanden, der sich jedes Silvester vornimmt, sich im kommenden Jahr mehr zu bewegen? Davon gibt es viele; die steigenden Anmeldezahlen in den Fitnesscentern zu Jahresbeginn beweisen es. Doch bleiben die meisten eben nicht dabei, weil sie nur ihr Verhalten (kurzzeitig) verändert haben – aber nicht die dahinterliegende Einstellung.

    Wieder andere haben in Form von Herzinfarkt oder Burn-out einen Warnschuss erhalten und sagen: Jetzt hab ich verstanden und ändere mich. Zwei Jahre später ist das vergessen, da sie versucht haben, sich nur auf der Ebene des Fühlens zu verändern. In diese Reihe fügt sich auch die Idee, ab jetzt positiv zu denken und alles mit einer rosaroten Brille zu betrachten. Das ist nicht das Gleiche, wie seine Einstellung zu verändern.

    Die Einstellung ist das Samenkorn. Wenn ich sie nicht verändere, kann ich am Blattwerk machen, was ich will. Die Einstellung ist tief in mir verankert. Sie umfasst das, was ich ehrlich über mich und meine Umgebung denke. Einstellungen sind zentrale Denk-Programme oder Leitsätze, die aus meinen Glaubenssätzen und meinen zentralen Werten resultieren.

    Wie kann ich meine Einstellung verändern?

    Einstellungen verfestigen sich also. Leider tun das aber nicht nur diejenigen, die uns und anderen im Leben nützen und uns zu inspirierenden Persönlichkeiten machen. Auch ungünstige Einstellungen sind stabil; sie zu verändern, ist eine echte Aufgabe. Doch zum Glück sind wir nicht gezwungen, für immer bei unseren Einstellungen zu bleiben. Es gibt Wege, sie zu verändern.

    Schritt 1: Dazu muss ich mir zunächst über meine Wahrnehmung und mein Denken bewusst werden und ich muss realisieren, was meine aktuelle Wahrnehmung für Konsequenzen hat. Daraus folgt die Frage: Stehe ich mir mit meiner Wahrnehmung manchmal oder sogar oft selbst im Weg? Lohnt sich eine Veränderung? Fast immer wird die Antwort lauten: Ja, es lohnt sich!

    Schritt 2: Im zweiten Schritt muss ich bewusst versuchen, meine bisherigen Denkmuster zu durchbrechen: Wie könnte ich diese Situation alternativ deuten? Welche Gedanken dazu sind noch möglich? Welche anderen Optionen gibt es?

    Schritt 3: Anschließend brauchst du den Mut, dich zu neuen Erfahrungen aufzumachen. Mut, etwas Neues zu wagen. Damit sich aber neue, positivere Denkmuster etablieren können, wäre es gut, wenn das Erlebnis positiv ist. Deswegen solltest du für diesen Schritt etwas auswählen, bei dem du höchstwahrscheinlich Erfolg haben wirst beziehungsweise bei dem du auch die Chance hast, es positiv wahrzunehmen.

    Schritt 4: Diesen Ablauf solltest du immer wieder wiederholen, bis sich ein neues Denkritual eingestellt hat. Dann hast du eine neue Einstellung entwickelt. Bleib dran und integriere sie in deinen Alltag, so automatisch wie das Zähneputzen.

    Diese Schritte helfen weiter, wenn du ungünstige Glaubenssätze und Leitsprüche bei dir entdeckt hast und sie wirklich verändern willst. Das »wirklich« betone ich, weil diese Sätze

    • sehr wirkungsvoll waren beziehungsweise sind und
    • sehr anspruchsvoll zu verändern sind.

    Leit- und Glaubenssätze verändern

    Daher ist viel Aufwand nötig, um einen manifestierten Satz in einen neuen, wirkungsvollen Leitsatz zu verwandeln. Es bedarf außerdem geeigneter Elemente für die Neuformulierung, die ich dir hier verbunden mit einem einfachen Beispiel an die Hand geben will:

    Der Ausgangssatz, den du verändern willst, könnte zum Beispiel lauten: »Das schaffst du sowieso nicht.«

    Die Elemente für wirksame Leitsätze sind:

    P    ositive Wortwahl
    I    ch-Formulierung
    A    ktivierend (aktivierende Verben)
       mmer (generalisierend)
    A    uthentisch (für mich selbst glaubwürdig)

    P = Positive Wortwahl

    Du erkennst sofort, wie wichtig eine positive Wortwahl ist, wenn ich ein paar Negativbeispiele gebe: »Nichts ist nur schlecht« oder »In allem Negativen gibt es auch was Gutes«. Warum nicht stattdessen: »In jeder Herausforderung gibt es auch etwas Positives zu entdecken«?

    I = Ich-Formulierung

    Formuliere persönlich, schließlich geht es um dich! Auch hier wieder ein paar Negativbeispiele: »Man kann alles schaffen« – Wer ist »man«? Oder: »Es gibt immer eine Lösung.« Wenn ich das weiß und sie nicht finde, umso schlimmer. Besser ist die Formulierung: »Ich finde immer eine Lösung.«

    A = Aktivierend (aktivierende Verben)

    Mit aktivierend ist gemeint, dass der Fokus des Verbs darauf liegen sollte, was das Ergebnis deiner Handlung sein soll, welches Ziel du verfolgst. Es soll deutlich werden, dass du dich aktiv in die richtige Richtung bewegst.

    Negativbeispiel: »Ich suche eine Lösung« – Da man hat einen ewig Suchenden vor Augen, der verzweifelt und erfolglos immer neue Wege geht. Im Gegensatz dazu steht: »Ich finde immer eine gute Lösung.«

    I = Immer (generalisierend) und
    A = Authentisch (für mich selbst glaubwürdig)

    Diese beiden Elemente fasse ich zusammen, weil so klarer wird, was gemeint ist: Mit »immer« ist zunächst gemeint, dass der Leitsatz generell gültig sein soll. »Immer« falsch verstanden könnte aber zum Beispiel bei »Ich finde immer eine Lösung« bedeuten, dass ich zwanghaft in jeder Situation eine Lösung finden muss, auch wenn es gar nicht mein Thema ist oder ich mich dagegen entscheide. Daher nehme ich das »authentisch« dazu, was die Aussage dann um »wenn es mir wichtig ist« oder »bei meinen Themen« ergänzt.

    Der ganze Leitsatz lautet dann: »Ich finde immer eine gute Lösung, wenn es mir wichtig ist.« Generell gilt: Je kürzer und einprägsamer, desto besser. Also zum Beispiel: »Hier finde ich eine gute Lösung.«

    Alte Leitsätze anerkennen

    In diesem Zusammenhang ist noch wichtig, dass meine bisherigen Leitsätze wertvoll waren und ihren Zweck hatten: Sie haben mir Sicherheit gegeben und waren mir wichtig. Wollte ich deswegen nun den alten Leitsatz einfach nur ersetzen, würde das zu einem inneren Widerstand führen. Daher ist es sinnvoll, den alten, bisherigen Satz wertzuschätzen, indem ich ihm voranstelle: »Bisher galt für mich immer, dass …«. Es folgt der alte Satz. Danach geht es weiter mit: »Und heute gilt für mich …«, wobei dann der neue, gewünschte Leitsatz eingesetzt wird. In unserem Beispiel: »Bisher galt für mich: ›Das schaffst du sowieso nicht‹, und heute gilt stattdessen: ›Ich finde immer eine gute Lösung, wenn es mir wichtig ist.‹«

    Wie kann ich eine neue Einstellung trainieren?

    Ein Training der Einstellung geschieht in folgenden Hauptschritten:

    • Bewusstheit erlangen über den Wert von Einstellungen und meinen eigenen aktuellen Einstellungen zu bestimmten Themen,
    • Kennenlernen der Stellschrauben und Parameter, um Leitsätze zu optimieren,
    • Optimieren der eigenen Leitsätze – idealerweise im Team zusammen mit ein bis zwei neutralen Teilnehmern,
    • Integration und Ritualisierung im Alltag entwickeln und sicherstellen. Die Integration muss in deinen individuellen Alltag passen – was anderen hilft, muss nicht unbedingt auch für dich günstig sein.

    Die Voraussetzung, die über allem steht, ist, dass ich an meiner Einstellung arbeiten will. Das Wollen bestimmt, ob ich die Schritte später auch umsetzen werde. Ohne Wollen keine Veränderung – das gilt übrigens für alles, was es zu lernen und zu verändern gilt.

     

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