Small-Talk mit Fremden macht glücklich!

Die meisten von uns gehen mit Unbehagen auf fremde Menschen zu. Eine Hemmung, die zwar vollkommen normal, aber mehr als kontraproduktiv ist. Dr. Ilona Quick zeigt Ihnen, wie Sie locker ins Gespräch kommen anstatt sich in peinliches Schweigen zu hüllen. Denn ein sollten Sie nicht vergessen: Small Talk mit Fremden macht glücklich.

Gehören Sie auch zu den Menschen, die ein leichtes Unbehagen verspüren bei dem Gedanken, dass Sie gleich auf fremde Menschen treffen werden, mit denen Sie ein Gespräch beginnen sollten, um ein peinliches Schweigen zu vermeiden und nicht allein herumzustehen?

Obwohl wir Small Talk als ein kleines Gespräch auf der Beziehungsebene bezeichnen, das zunächst keinen tiefschürfenden Inhalt hat und die Absicht verfolgt, nicht sprachlos nebeneinander zu stehen oder einen ersten Kontakt herzustellen, fällt genau das vielen Menschen ausgesprochen schwer.

Auch hoch qualifizierte Fachleute retten sich gern und oft viel zu schnell in ein Sach- oder Fachgespräch, in ein Gebiet, in dem sie sich kompetent, wichtig und sicher fühlen und in dem sie ihren Gesprächspartnern etwas vermitteln können. Damit bringen sie sich um die Chance, zu ihren Gesprächspartnern eine persönliche Beziehung herzustellen. Und gerade das ist oft für ihren beruflichen Erfolg sehr wichtig. In diesem Kapitel werden wir die vermutlichen Gründe für dieses Unbehagen aufdecken und Ihnen zeigen, dass Ihre Bedenken unbegründet sind.

In vielen Branchen – insbesondere in Abteilungen mit Kundenkontakt – wird erwartet, dass die Mitarbeiter kontaktfreudig und kommunikationsstark sind und schnell und problemlos mit Kunden gute Gespräche beginnen und Kontakte herstellen können.

Wenn wir unsere Seminarteilnehmer bitten, ihre Erwartungen an ein Small-Talk-Seminar anonym auf Zettel zu schreiben, finden wir immer wieder die Aussage, dass ihnen das Ansprechen fremder Menschen schwerfällt und der Gedanke, nur über etwas Banales zu reden, sie zusätzlich blockiert. Sie können sich das nicht erklären und empfinden es als persönliche Schwäche.

Niemand würde in einem Bewerbungsgespräch zugeben, dass er sich überwinden muss, auf fremde Menschen aktiv zuzugehen und sie anzusprechen. Die sogenannte Kaltakquise per Telefon, die Kontaktaufnahme zu Personen, mit denen noch keine Geschäftsbeziehungen bestehen, ist vielen ein Gräuel. Sie fühlen sich dabei minderwertig, als Bittsteller und zum Klinkenputzer degradiert.

Den ersten Kontaktimpuls überlassen die meisten Menschen gern dem anderen. Hier erfahren Sie zunächst grundsätzliche Theorien, die Ihnen Mut machen werden, sich von Ihren Bedenken, auf andere Menschen zuzugehen, zu trennen und ein Gespräch zu beginnen.

Wie aus einer amerikanischen Studie hervorgeht, steht das Reden vor fremden Menschen auch heute noch an oberster Stelle aller Ängste, die Menschen haben (Morrow 1977).

Wovor Menschen Angst haben (nach William Morrow):

  • Öffentliche Reden (41 %)
  • Große Höhen (32 %)
  • Ungeziefer, Geldmangel, tiefes Wasser (22 %)
  • Krankheit und Tod (19 %)
  • Fliegen (18 %)
  • Einsamkeit (14 %)
  • Hunde (11 %)
  • Autos steuern oder mitfahren (9 %)
  • Dunkelheit und Fahrstühle (8 %)
  • Rolltreppen (5 %)

Die Steinzeit lässt grüßen oder was befürchten Sie eigentlich?

Wir tragen noch die Gene der Steinzeit in uns. Nicht nur unsere moderne zucker- und fetthaltige Ernährung und unser Bewegungsmangel machen uns gesundheitlich zu schaffen, emotional sind wir noch immer auf das Leben in kleinen Familienverbänden oder Horden ausgerichtet, die in noch dünn besiedelten Regionen kaum Nachbarn hatten.

Wenn in der Steinzeit plötzlich eine fremde Gruppe hinter dem Busch hervorlugte, bedeutete das meistens nichts Gutes. Nun erwarten Sie sicher nicht, dass der Fremde am Stehtisch neben Ihnen im Seminarraum Ihr Leben bedroht, Ihnen Ihr Essen wegschnappt oder – falls Sie ein Mann sind – Ihre Frau wegzerrt und damit verschwindet. Es ist wohl eher eine diffuse Angst, die uns dieses Unbehagen beschert.

Wie Sie Ihre Befangenheit überwinden

Wie oft nehmen Sie Gelegenheiten wahr, Menschen in Ihrem privaten Umfeld anzusprechen?

  • Immer
  • Oft
  • Manchmal
  • Selten
  • Nie

Haben Sie auch ›selten‹ oder ›nie‹ geantwortet?

In ländlichen Gegenden ist es üblich, sich zu grüßen, wenn man sich auf einem Wanderweg begegnet. Das ist für Großstädter sehr ungewohnt, denn selbstverständlich können Sie nicht jedem Passanten, der Ihnen auf dem Berliner Kudamm entgegenkommt, ›Guten Tag‹ sagen.

Aber Sie haben auch in einer anonymen Großstadt zahlreiche andere lohnende Möglichkeiten, Menschen aus Ihrem unmittelbaren privaten Umfeld kennenzulernen. Ein gutes Trainingsfeld für Ihre ersten Small-Talk-Versuche bietet sich:

  • im Mehrfamilienhaus,
  • am Briefkasten,
  • am Fahrstuhl,
  • an der Mülltonne,
  • beim Bäcker,
  • im Supermarkt an der Kasse,
  • in der Schlange bei der Post,
  • an der Bushaltestelle,
  • in der Bahn und im Flugzeug,
  • im Sportverein,
  • im Museum vor einem Exponat,
  • im Park,
  • im Wartezimmer beim Arzt, Tierarzt oder einer Behörde

Wir führen diese Möglichkeiten nicht ohne Grund auf. Denn es wäre ein Denkfehler, zu glauben, nur die Kommunikation im Beruf verbessern zu können. Unserem Gehirn ist es egal, ob Sie Small Talk in der Firma oder im Supermarkt trainieren. Daher empfehlen wir ausdrücklich, Small Talk bei jeder Gelegenheit zu üben. Im privaten Bereich können Sie nichts verderben, die Situationen sind immer recht kurz und haben ein natürliches Ende. Vermutlich werden Sie sich nach kurzer Zeit wundern, wie gut das klappt und was Sie an interessanten Neuigkeiten erfahren.

Wortlos durch den Alltag

Warum meiden Menschen alltägliche Kontaktgelegenheiten? Dafür gibt es die verschiedensten Erklärungsversuche.

Keine Zeit? Vermutlich benötigen Sie dazu keine zusätzliche Zeit. Ein kurzer Small Talk besteht nur aus wenigen Sätzen und findet oft statt, während Sie und Ihr Gesprächspartner zufällig eine kurze gemeinsame Zeit miteinander verbringen, zum Beispiel während Sie im Aufzug stehen, gemeinsam zum Parkplatz gehen oder den Briefkasten aufschließen.

Kein Interesse? Woher wollen Sie das wissen, wenn Sie den Menschen noch gar nicht kennen?

Der andere könnte genervt sein? Wieso sollte er? Sie sollen ihn ja nicht volltexten, wenn Sie merken, dass er mit den Gedanken woanders sein möchte.

Ich denke, das könnte aufdringlich wirken? Es wirkt eher nett und der andere freut sich vermutlich.

Tipp: Werfen Sie Ihre Bedenken und Hemmungen über Bord, Sie müssen nichts Bedeutsames verkünden, sagen Sie einfach, was Ihnen gerade einfällt und die Situation hergibt.

Small Talk mit Fremden macht glücklich

Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie einfach fröhlich mit Fremden drauflos geredet haben, weil Sie gut gelaunt waren und das Leben toll fanden? Die Angesprochenen fanden es mit Sicherheit erfreulich und gar nicht störend.

Menschen freuen sich, wenn andere Kontakt mit ihnen aufnehmen. Aber auch der Gesprächsinitiator ist danach nachweislich glücklicher, wie ein Chicagoer Experiment kürzlich nachgewiesen hat (Epley/Schroeder 2014). Dazu wurden einhundertachtzehn Pendler in drei Gruppen unterteilt.

  • Die Mitglieder der ersten Gruppe sollten während einer Bahn- oder Busfahrt mit einem fremden Menschen ein Gespräch beginnen.
  • Die Mitglieder der zweiten Gruppe wurden angewiesen, sich während der Fahrt miteinander zu unterhalten.
  • Die dritte Gruppe bekam keine Vorgabe und konnte sich nach eigenem Bedürfnis verhalten.

Anschließend mussten die Studienteilnehmer Fragebögen ausfüllen und über ihre Stimmung Auskunft geben. Die erste Gruppe, mit der Aufgabe, mit völlig fremden Fahrgästen ein Gespräch zu beginnen, hatte deutlich bessere Laune, nachdem sie mit Fremden sprach und schätzte sich am glücklichsten ein!

Die Forscher schließen daraus, dass die meisten Menschen unterschätzen, wie gut ihnen soziale Kontakte tun. Denn außerhalb der Studie haben die Teilnehmer während einer Bus- oder Bahnfahrt nicht mit Fremden Kontakt aufgenommen.

Kompakt: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Small Talk mit Fremden ein negatives Erlebnis wird, ist gering. Im Gegenteil: solche Kontakte wirken sich nachweislich positiv auf die eigene Seelenlage aus. Bessern Sie daher Ihre Stimmung auf und reden Sie mit Fremden!

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