Rezepte des (Wollens und) Lassens

Mitarbeiter ‚machen lassen’ in Sinne einer guten Mitarbeiterführung bedeutet: Den Mitarbeitern passende Freiräume geben, ohne sie dabei allein zu lassen. Diejenigen, die noch nicht reif für das lassen sind, würden sonst tun und lassen was sie wollen, die Schwachen würden sich verlassen oder im-Stich-gelassen fühlen. Das ‘machen lassen’ schafft Erfolgserlebnisse. Dafür muss die Aufgabe eine Herausforderung darstellen. Wenn Michael Schumacher in der 30er Zone fährt, dann hat er keinen Flow. Für das, was uns einfach so in den Schoß fällt, gibt es keine Glückshormone.

Doch welches Maß an Selbstbestimmung sieht der Mitarbeiter für sich als motivierend an? Es gibt ja durchaus noch Menschen, die auf Grund persönlicher Einstellungen oder Fähigkeiten mit Selbstbestimmung nicht umgehen können oder wollen. Diese brauchen – genauso wie Auszubildende und junge Mitarbeiter am Anfang ihrer beruflichen Tätigkeit – klare Anweisungen. Vordefinierte Abläufe sind für sie eher loyalitätsfördernd als der Versuch, ihnen Eigenverantwortung aufzuzwingen. Bei allen anderen dagegen erzeugt Selbstbestimmung dauerhaft hohe Leistungen. „Ich sorge in meiner Firma dafür, dass ….“, erzählen sie mit stolzgeschwellter Brust.

Verantwortung kann nicht übertragen, sondern nur übernommen werden. Der Mitarbeiter erhält dabei Aufgaben, die er gerade noch bewältigen kann, zusammen mit einem Zeit-Ziel und, wenn Kosten entstehen, dem erforderlichen Budget. Er löst diese Aufgaben eigenverantwortlich. Eine regelmäßige Berichterstattung des Mitarbeiters wird im Vorfeld vereinbart und erfolgt bis zur Zielerreichung. Ein Ziel erreichen heißt: siegen. Siegen steigert das Selbstwertgefühl und macht Lust auf mehr.

Leider gibt es immer wieder Führungskräfte, die ihren Mitarbeitern den Sieg stehlen und sich selbst mit falschen Lorbeeren schmücken. Mitarbeiter empfinden dies als enttäuschend, schäbig und ungerecht. Denn wir haben ganz feine Antennen für Gerechtigkeit. Wir akzeptieren, dass, wer mehr leistet, auch mehr bekommt. Mitarbeiter akzeptieren aber nicht, wenn der Chef, weil er in seiner Position die Macht dazu hat, sich die Sahnestückchen nimmt. Gute Chefs stellen sich hinten an.

Aufgabe des Vorgesetzten ist es auch, Grenzen festzulegen, die dem Mitarbeiter als Orientierungsrahmen, sozusagen als Leitplanken auf einer mehr oder weniger breiten Straße dienen. Und da, wo Grenzen überschritten und Abmachungen nicht eingehalten werden, ist die Konsequenz einer unverzüglichen Reaktion ein Muss. In diesem Fall spricht man von Controlling (= Steuerung), was mit kleinlicher Kontrolle rein gar nichts zu tun hat.

Mitarbeiter blühen auf und beginnen, eigenverantwortlich und unternehmerisch zu handeln, wenn man ihnen Spiel-Raum gibt. Spiel-Räume sind Territorien zum beruflichen Überleben. Und jeder Mensch braucht – genau wie jedes Tier – ein mehr oder weniger großes Territorium. Kleiner Tipp am Rande: Respektieren Sie als Chef unbedingt das Revier Ihrer Sekretärin. Greifen Sie nicht über deren Schulter in den PC, nehmen Sie nichts von ihrem Schreibtisch, wühlen Sie nicht in ihren Unterlagen. Sie wird es Ihnen mit Engagement und selbständigem Handeln danken.

Lassen bedeutet auch: aktives gegenseitiges Vertrauen. In Vertrauen steckt trauen, Menschen trauen und sich trauen, neues Terrain zu betreten. Vertrauen ist ein subjektives Gefühl, es wächst durch Wissen und positive Erfahrungen. Geheimnisvolles Getue dagegen, versteckte Kontrollen und Absprachen in Hinterzimmern zerstören Vertrauen. Wer Vertrauen will, sei selbst vertrauenswürdig. Die partnerschaftlich orientierte Form des Vertrauens geht vom Stärkeren, also von der Führungskraft aus. Die allermeisten Mitarbeiter reagieren darauf mit Vertrauensbeweisen – und nicht mit Vertrauensbruch.

Mit seinen Mitarbeitern vertrauensvoll zusammen zu arbeiten – ein richtig gutes Gefühl. Vertrauen schenken erfordert zunächst Selbstvertrauen. „Mein Misstrauen muss man sich erst erarbeiten“, sagte einer meiner früheren Chefs. Eine wunderbare Einstellung, wenn auch nicht ganz ohne Risiko. Doch eine Enttäuschung von Zeit zu Zeit nimmt man besser billigend in Kauf. Die aus Vertrauen resultierenden Vorteile überwiegen bei weitem. Vertrauen verpflichtet. Ein Vertrauensvorschuss ist gerade in der Anfangsphase einer Zusammenarbeit sehr wichtig. Daraus entwickelt sich eine Kraft, die viel Positives bewirkt. Ständiges Misstrauen dagegen zerstört. Es macht Ihr eigenes Leben und das Ihrer Umgebung zur Qual. „Wenn wir andere ängstlich überwachen, überwachen wir uns schließlich selbst, weil die Mauern, die wir für andere bauen, uns schließlich selbst umgeben“, meint Sprenger in seinem Buch Vertrauen führt.

Zu Vertrauen gehören auch Tugenden wie Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit. Die Führungskräfte müssen das, was sie propagieren und als Unternehmenskultur in den Himmel loben, zunächst selber leben. „Walk your talk“, sagen dazu die Indianer.

Ferner brauchen Mitarbeiter Berechenbarkeit. Die meisten Mitarbeiter verachten risikoscheue, entscheidungsschwache Manager mit Zickzack-Kurs, denn das verunsichert und hindert bei der Arbeit. Geheimniskrämerei, Günstlingswirtschaft und das Einen-gegen-den-anderen-Ausspielen verursachen Leistungsverweigerung – und Mobbing.

Klare Signale sind die wertvollsten Geschenke, die eine Führungskraft seinen Mitarbeitern machen kann. Mitarbeiter absichtlich im Unklaren über die Qualität ihrer Leistungen zu lassen, ist grausam. Menschen brauchen klare Rückmeldungen, ob etwas gut oder schlecht gelaufen ist. Sie wollen wissen, woran sie sind. Dies hängt mit dem Freund-Feind-Szenario aus unseren frühen Menschheitstagen zusammen. Es gibt, außer bei kleinen Kindern, kein Urvertrauen. Ständig suchen wir nach klärenden Signalen: “Bist du immer noch mein Freund, oder muss ich mich jetzt vor dir in Acht nehmen?”

Eine Vertrauenskultur im Unternehmen erfordert demnach auch Klarheit, Transparenz, und absolute Ehrlichkeit. Unklarheit erzeugt – ebenso wie Manipulation – Unsicherheit und damit Misstrauen. Informationsmangel verursacht Ängste. Transparenz dagegen schafft Vertrauen und Sicherheit für den Mitarbeiter. Sicherheit ist ein menschliches Grundbedürfnis – und vor allem in turbulenten Zeit gefragt.

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