Kommunikation kennt keine Sieger

Kommunikation als Kampfsport – so suggeriret es die Ratgeberliteratur … Das Gegenüber wird zum Gegner,
die Gegenseitigkeit zum Schlagabtausch. Ziel ist es den Gegener (Mund-) tot zu machen und siegreich die
Arena zu verlassen. Das ist die tagtäglich gelebte perversion der Kommunikation …

Das Wesen des Kampfsports in der westlichen Welt im Unterschied zur östlichen liegt in dem Ziel, den Gegner zu besiegen, notfalls bis zum K. o. In der östlichen Welt ist Kampfsport die Verfeinerung der Disziplin, im Westen ist es der Totschlag. Das Ich will gewinnen. Die Zweisamkeit beschränkt sich auf die Anwesenheit des Gegners. Die Gegenseitigkeit besteht im Schlagabtausch, in dem der Stärkere gewinnt. Dafür wird trainiert. Man will der Stärkere sein. Kampfsport hat eine uralte Tradition. Das Messen der Kräfte, der Raffinesse, der Schlagfertigkeit im wahrsten Sinne des Wortes ist das Wesen des Kampfes in der westlichen Welt.

Die Prinzipien dieses Sports auf die Kommunikation zu übertragen, ist allerdings hanebüchen. Es widerspricht dem Gedanken der Kommunikation, der Zusammenführung. Es ist pervertiert, wenn der erfolgreiche Verkäufer oder Menschen führende Manager einseitig für den Kampf aufrüstet.

Da wird Schlagfertigkeit trainiert, da werden Argumentationsketten aufgebaut, die den Gegner schwindelig machen, die Stimme wird auf verführerisch getrimmt – wenn das denn möglich ist – und ähnliche Waffen werden für den Erfolg, das heißt, für das K. o. des Gegenübers trainiert und dann angewandt. Mit geliehener, aufgerührter Stärke wird ein Schattenbild besiegt und eigentlich sich selbst ins Herz gestochen. Belogen verblutet der Theoriegläubige kurz vor seinem großen Deal. Die guten und großen Deals sind ehrlich, jedenfalls auf der Ebene, die man menschlich nennt. Ich habe es erlebt. Basta. Nur Idioten brauchen zwölf Schritte zum Vertrauen.

Die Hatz auf den Kunden kennt keine Ruhe. Auch zur Weihnachtszeit brüllen die Gurus im Stakkato, versprechen hinter Adventskalendern, die wir früher mit unseren Kinderfingern aufgeregt öffneten, ein neues Seminar, oder der Vertriebsleiter erscheint als Weihnachtsmann. Eine vermutlich ungewollte Parallele, die jedoch zutreffend ist. Die Geschenke, die er hat, sind Bittermandeln. Der Sieger ist immer allein, sein Podium wird weggeräumt, und dann? Der Hütchenspieler an der italienischen Autobahnraststätte rafft den Gewinn zusammen und verschwindet in einem elenden, vollgepinkelten Gebüsch. Warum sind die Klienten und Mitarbeiter nicht auch im Seminar? Wenn schon, denn schon: Waffengleichheit!

Der Preis des Sieges ist zu hoch. Die Statue des Anstands ist vom Sockel gestoßen, Kommunikation im Sinne des Verbindenden wird im Kampfsport Kommunikation verraten. Da haben unsere »Freunde«, die Eierkocher, natürlich auch ihre Finger im Spiel.

Das Wir, die Grundlage von Kommunikation, wird von den Eierkochern ausgeblendet.

Das Wort »wir« ist nicht überall bekannt – die Eierkocher kennen nur das Wort »Ich«. Kommunikation als Kampfsport gestaltet kein Miteinander, sie zwingt in Richtungen, die nur einem nützen, nämlich dem Ego des Gewinners.

Kommunikation ist eine Frage der Haltung und nicht der Technik.

Echte Begegnung, durch Kommunikation ermöglicht, ist meist flüchtig. Sie ist nicht wiederholbar, sie muss immer wieder mit dem Atem der Lebendigkeit erweckt werden.

Viele Führungskräfte fürchten das Mitarbeitergespräch gerade wegen der Unsicherheit, die ein Wesenszug gegenseitiger Begegnung und Kommunikation ist. Sie suchen nach Anleitung. Wofür?

Für Ihren Erfolg! Für ihre Sicherheit! Was bedeutet denn Erfolg?

Die Techniken der Kommunikation – und davon gibt es viele – sind blutlos und ohne Seele.

Gewiss, es gibt ein paar wenige Regeln.

Das Entscheidende jedoch ist die Haltung, der Wille zur Gemeinsamkeit, denn daraus entstehen Siege für beide Parteien. Ich würde es allerdings nicht Siege oder erfolgreich sein nennen wollen, denn das ist die Sprache der Eierkocher, des Krieges zwischen Menschen. Ich nenne das Ziel der Kommunikation »Gemeinsamkeit«. Das ist es, was alle wollen, gleich welchen Inhalts. Ein schöner Ausdruck für den Fall des Nicht-zu-einander-Kommens in Gemeinsamkeit ist: »We agree that we disagree.« Das ist anständig.

Ratlosigkeit wird mit Manipulation verdeckt.

Neben den narzisstischen Beweggründen für Manipulation und Kontrolle ist die Triebfeder der Suche nach dem Rezept, der konsequenten Folge des Eierkochdogmas, letztlich die Angst zu versagen, und der Ängstliche wird am Ende des Tages sicher gewalttätig, um seine Haut zu retten (insofern ähneln wir wohl doch noch den Tieren, je nach individuellem Entwicklungsstand stärker oder schwächer). Man darf wohl mit Recht vermuten, dass viele Kurse und Seminare ihren Teilnehmern, die die Ohnmacht nicht erdulden wollen oder können, Methoden an die Hand geben, die Widerstand brechen sollen: Gewalt, im übertragenen Sinne auch gegen sich selbst, oder eben Tricks, die Überlegenheit versprechen. Ich zitiere diese Kurse nicht deshalb, weil sie es inhaltlich wert wären. Ich zitiere sie, weil sie das Denken im Management widerspiegeln, sonst würden sie ja nicht gebucht werden. Die Verkünder dieser Gedanken sind nicht eklektisch. Sie sind schlaue Marketingleute, die das Lied singen, das ihre Kunden hören wollen.

Die Gewalt ist nie offensichtlich. Sie trägt verschiedene Gewänder, versteckt sich vor dem Auge des oberflächlichen Betrachters. Hier ist ein aktuelles Beispiel aus einem Prospekt, der ein achtstündiges Seminar zum Verkauf beschreibt, in dem offensichtlich mit der Brechstange gegen alle, sich selbst und den Kunden, gearbeitet wird und das eher an den Aufmarschbefehl eines Blitzfeldzugs vergangener Kriege erinnert.

Hier ist es, mit meinen Anmerkungen in Klammern:

  • Setzen Sie Ihre Preise durch, fünfundzwanzig Methoden, wie Sie das schaffen (alle zwei Minuten eine Methode aus dem Maschinengewehr – Donnerwetter!)
  • Keine Angst mehr vor der Konkurrenz: Techniken, die Ihre Konkurrenz das Fürchten lehren (die Sprache des Krieges)
  • Entschlüsseln Sie alle Kunden oder wie Sie die richtigen Kaufknöpfe im Kundenkopf drücken (so stellt sich Klein-Fritzchen die Psyche vor; ähnliche Erklärungsmodelle auf der Basis des Wissens eines Hauselektrikers über Verhaltensprozesse hat der Komiker Otto Waalkes verbreitet, nur wusste man bei ihm, dass er Witze macht.)
  • Aus Kaufabsichten und Anfragen Aufträge machen oder wie Sie alles rausholen, wenn der Kunde mit Ihnen im Kontakt ist (das ist die Anleitung zum Rheumadeckenverkauf auf einer Kaffeefahrt. Er könnte auch schreiben: »Attacke, vorwärts, Soldaten«.)

Dieses Beispiel muss nicht weiter kommentiert werden. Es ist Ausdruck der Verelendung der wichtigsten Grundlage unseres Zusammenseins, Kommunikation. Eigentlich kann man hier nur noch poetisch kommentieren: Der Verstand ist auf dem Grill des Erfolgs verkohlt.

Das Werkzeug des Miteinanders ist die Kommunikation. Haltung entsteht daraus, was wir über Menschen denken.

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