Kapiert? Richtig gesagt ist nicht richtig verstanden!

Kommunikation ist das Schmiermittel, das beruflich und im Alltag jede Beziehung am Laufen hält. Meetings, Besprechungen, persönliche Gespräche, Telefonate … es wird viel geredet. Sagen, reden, plappern, schwatzen, schwafeln, plaudern, mitteilen, kundtun, weitertragen, übermitteln, erklären, erörtern … es gibt offenbar eine schier endlose Zahl von Wörtern für das, was wir unentwegt tun: Sprechen. Wir sprechen mit Worten. Doch kommen diese so an wie wir es wollen? Werden sie auch (richtig) verstanden?

»Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache, und wir haben sie, um zu sprechen.«

Theodor Fontane (1819 – 1898), deutscher Schriftsteller

Missverständnisse begleiten uns

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Doch Fallstricke und Stolpersteine begegnen uns nahezu überall. Sie gehen mit besten Absichten in ein Gespräch, Sie stellen eine harmlose Frage und Ihr Gesprächspartner reagiert gereizt, die Stimmung kippt. Ein Missverständnis? Kollege Meier erhält eine Frage, die er nicht beantworten kann, was in seinen Augen eine Schwäche ist. Deshalb gibt er eine mehrdeutige Antwort und schickt damit ein Missverständnis auf den Weg. Missverständnisse sind schnelle Fahrstühle in den Konflikt. Die meisten Konflikte beginnen mit einem Missverständnis.

Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse.

Antoine de Saint-Exupery

Wenn Menschen miteinander kommunizieren, entsteht eine Beziehungsdynamik, die positive oder negative Folgen haben kann. Beispiel: »Ist Herr Müller aus dem Marketing schon über das Projekt XY informiert?«, so der Chef zu seinem Mitarbeiter. Was ist gemeint? Will er lediglich eine Antwort, verbirgt sich hinter der Frage die Aufforderung, Herrn Müller zu informieren, oder ist das ein Hinweis wie etwa: »Immer muss ich bei Ihnen alles kontrollieren!«? Wir erinnern uns an das Modell von Friedemann Schulz von Thun: jede Äußerung enthält vier Botschaften: eine Sachinformation, eine Selbstauskunft, einen Beziehungshinweis und einen Appell. Das Kommunikationsquadrat, ebenfalls von Schulz von Thun entwickelt, ist das Pendant aus Sicht des Empfängers der vier Seiten einer Nachricht.

Wie lassen sich Missverständnisse vermeiden? Wer eine Aussage trifft, wie etwa im obigen Beispiel, sollte sich klar und unmissverständlich äußern. Gerade in Zeiten, in denen wir schneller, häufiger und vielleicht auch oberflächlicher kommunizieren, verbessern Klarheit und Präzision die Beziehungen. Auch der Mitarbeiter kann etwaige Missverständnisse aus dem Weg räumen, indem er versucht, die gemeinte Ebene durch Fragen zu erfassen: »Wenn ich Sie richtig verstehe, …«.

Klare Aussagen und Nachfragen sind das eine. Ein wesentlicher Aspekt kommt hinzu: Menschen sind unterschiedlich, andere gibt es nicht. Wenn Menschen miteinander kommunizieren, trifft jede Information auf die Biografie des Gesprächspartners. Jeder Mensch verfügt über unzählige, in ihrer Mischung einzigartige Erfahrungen, die eine unterschiedliche Bedeutung haben können. Deshalb muss nicht alles, was gesagt wird, auch so verstanden werden. Wir kennen das Zitat von Konrad Lorenz, das sinngemäß lautet: Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden, verstanden ist nicht einverstanden … Die Wirkung von Kommunikation entscheidet sich im Kopf des anderen. Das Gehirn bewertet Aussagen weder rein emotional noch ausschließlich rational, sondern vorwiegend vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen.

Recht verbreitet ist das Kommunikationsmodell der beiden US-Wissenschaftler Shannon und Weaver. Demnach gibt es einen Sender, der eine Nachricht codiert, und einen Empfänger, der die Nachricht decodiert. Aus neurobiologischer und psychologischer Sicht ist dieses mechanistische Modell völlig ungeeignet, menschliche Kommunikation zu erklären. Ein gravierender Fehler liegt in der Annahme, dass die beiden Gehirne, das des Senders und das des Empfängers, über einen wie auch immer gearteten Kanal miteinander verbunden sind, durch den man Informationen leiten kann.

Gehirne sind jedoch autonom arbeitende Systeme, die ausschließlich interne Signale miteinander verrechnen. Sie haben keinen direkten Kontakt nach außen, sondern sie erhalten ihre Nervenimpulse von den Sinnesorganen. Das Gehirn kommuniziert nicht mit dem Gehirn einer anderen Person, es ist nur mit sich selbst beschäftigt. Alles, was wir wahrnehmen, wird immer auf der Basis dessen, was wir kennen, interpretiert und mit dem Inhalt unseres Gedächtnisses verglichen. Hier liegt oft ein wesentlicher Keim für Missverständnisse, wenn aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen unterschiedlich interpretiert wird.

Emotional intelligent kommunizieren

Ist die Sprache die Quelle aller Missverständnisse? Kommunikation an sich ist schon unzureichend und kann missverstanden werden. Versuchen Sie einmal Folgendes: Stellen Sie sich mit einer Person Rücken an Rücken, sodass Sie beide sich nicht sehen können. Und nun sagen Sie Ihrem Partner, wie er ein Blatt Papier falten soll, und dann noch einmal, insgesamt neunmal hintereinander. Alles nur mit Ihren Worten. Sie beide werden über das Ergebnis, ein kleines zusammengefaltetes Missverständnis, staunen!

Sprache ist grundsätzlich mehrdeutig, und das Verstehen von Sprache ist die Auflösung ihrer Mehrdeutigkeit durch den Zuhörenden. Neben sprachlichen Äußerungen kommunizieren wir allerdings auch durch Mimik, Gestik, Blickverhalten und Stimmungslaute, womit das Verstehen vervollständigt wird. Durch die Körpersprache werden etwa zwei Drittel einer Mitteilung transportiert, durch Sprache lediglich etwa sieben Prozent.

Auch wenn die Bedeutung von Worten unterschiedlich interpretiert werden kann, führt Kommunikation nicht automatisch in ein Missverständnis. Wir ticken zwar nicht identisch, aber doch weitgehend ähnlich. Menschen, die etwas Gemeinsames unternehmen, weisen verblüffend ähnliche neuronale Aktivitätsmuster auf. Gefühle und Stimmungen anderer Menschen werden beim Empfänger zum Erklingen gebracht. »Wer mitfühlt«, so Christian Keysers, »empfindet nicht das, was der andere fühlt, sondern das, was er selbst in der Situation empfinden würde.« (Keysers 2011) Sind Ihnen im Kino schon einmal die Tränen geflossen? Haben Sie beim Anblick einer Verletzung eines anderen geglaubt, selbst die Schmerzen zu spüren? Waren Sie schon einmal dabei, wie ein Kollege zusammengestaucht wurde, und haben Sie regelrecht mitgefühlt? Das ist Empathie. Empathische Aktivität wird verstärkt etwa in der Mutter-Kind-Beziehung oder bei einer Gruppenzugehörigkeit, sie wird gedrosselt, etwa wenn das Gegenüber einer »konkurrierenden Gruppe« angehört. »Das menschliche Überleben«, meint Tania Singer, »hängt von der Fähigkeit ab, innerhalb eines sozialen Kontextes effektiv zu funktionieren.« (Singer 2022)

Das Gehirn, unser soziales Organ

Das Gehirn ist ein soziales Organ und Kommunikation löst immer Emotionen aus. Der Arbeitsplatz ist oft ein Minenfeld negativer Gefühle. Druck wird ungefiltert weitergegeben, Menschen fühlen sich unzureichend informiert, Lob entfällt oder wird nur selten geäußert. Chronischer Stress und ein Übermaß an Ablenkung setzen die rationale Gefühlskontrolle außer Kraft, Cortisol wird ausgeschüttet und die für Emotionen zuständige Amygdala, der Gefahrenriecher, übernimmt die Kontrolle. Die Interaktion mit anderen ist erheblich gestört, das Verständnis füreinander bleibt auf der Strecke. Es ist paradox. Empathie und damit auch emotionale Intelligenz fehlen häufig dort, wo wir sie am meisten benötigen: in der Berufswelt.

Emotional intelligente Kommunikation setzt den Willen zum bewussten Lernen voraus, benötigt die Fähigkeit und Bereitschaft, sich auf die Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse des Gesprächspartners zu konzentrieren, und bedeutet, die Aufmerksamkeit mit anderen zu teilen. Kommunikation gelingt dann am besten, wenn sie in einem persönlichen Gespräch erfolgt, wenn die Gesprächspartner sich ernst nehmen und einander respektvoll behandeln. »Menschen«, so Markus Hornung, »sehnen sich nach nichts mehr, als danach, verstanden zu werden.« (Hornung 2018)

Was können Sie tun?

  • Nehmen Sie sich Zeit für Gespräche.
  • Kommunizieren Sie möglichst auf der Ebene Ihres Gesprächspartners mit ähnlichen und einfachen Worten.
  • Wenn ein Gesprächspartner sich missverständlich ausdrückt, fragen Sie nach (»Habe ich Sie richtig verstanden, dass …«) oder verbalisieren Sie (»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, meinten Sie …«).
  • Wir kommunizieren auch mit unserem Körper. Beachten Sie bei sich und Ihrem Gegenüber Mimik, Gestik und Körperhaltung. Die Körpersprache trägt zum Verstehen bei.
  • Führen Sie mit den Menschen in Ihrer Umgebung immer wieder Gespräche, sie sind der Klebstoff für Beziehungen.
  • Sprechen Sie Ihr Gegenüber emotional an, denn Gefühle entscheiden über die Bewertung Ihrer Aussage.
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