Der Stoff, aus dem Empfehlungen sind

Mit einer erstklassigen Empfehlung kann man sich schmücken und sein Selbstwertgefühl steigern. Man kann sich als Kenner präsentieren. Man kann Menschen beeinflussen und damit in gewissem Sinn auch Macht ausüben. Oder man kann helfen und anderen Gutes tun. Die entscheidende Triebfeder eines Empfehlers ist nicht der materielle Profit, sondern vielmehr: jemand zu sein oder etwas beizutragen. Also eine höchst emotionale Angelegenheit mit einem schier unermesslichen Potenzial.

Auf diese Weise kann man vertrauensvolle Beziehungen aufbauen und Freundschaften festigen.

Die entscheidende Triebfeder eines Empfehlers ist in den wenigsten Fällen vordergründig materieller Profit, sondern vielmehr: jemand zu sein oder etwas beizutragen. Speziell bei der Mundpropaganda ist noch ein dritter Aspekt relevant: Zu den ersten zu gehören, die von einer Sache Wind bekommen haben, und/oder Mitglied eines ‚eingeweihten‘ Kreises zu sein. Ein Produkt, das sich durch künstliche Verknappung rar macht, nutzt diesen Aspekt in besonderem Maße. Karl Lagerfelds H&M-Kollektion war ein wunderbares Beispiel dafür.

Man gebe also potenziellen Empfehlern etwas, was sie gut aussehen lässt, womit sie anderen nützen oder sich selbst profilieren können, dann hat es gute Chancen, von ihnen empfohlen zu werden. Empfehlungen sind allerdings immer subjektiv und sehr persönlich. Sie sagen etwas über die eigenen Wertvorstellungen. Und sie polarisieren. Das, was man empfiehlt, mag man sehr — und anderes gar nicht. Für das, worüber man mit Leidenschaft spricht, geht man manchmal ‚durchs Feuer‘. Und etwas, das man hasst wie die Pest, weil es einen zutiefst verletzt oder enttäuscht hat, will man bisweilen zerstören.

Damit wird klar: Empfehlungen sind eine höchst emotionale Angelegenheit. Und für Emotionen ist unser Gehirn zuständig. Schauen wir also mal kurz dort vorbei.

Das Gehirn ist ganz schön in Mode gekommen. Hirnforscher liefern uns immer mehr Einsichten darüber, was im Oberstübchen des Menschen vorgeht, wenn er an seinen Lieblingsmitmenschen denkt, über ‚seine‘ Marke spricht oder Kaufentscheidungen vorbereitet. Was genau gedacht wird, das sieht man leider nicht. Zumindest aber erkennen wir, per Hirnscanner gefahrlos sichtbar gemacht, in welch unterschiedlichen Hirnarealen gedacht, verarbeitet und schließlich entschieden wird, und wie sich das alles verknüpft.

Zunächst: Für Emotionen ist nicht eine einzelne Hirnregion zuständig, vielmehr ist quasi unser ganzes Hirn emotional. Jeder Impuls, der über die Sinne auf unsere Hirnwindungen trifft, wird in blitzschnellen Schritten zunächst emotional bewertet. Dabei geht es erst einmal nur um zwei Entscheidungen: Vermeide Negatives, suche Positives! Das heißt: Unser Hirn liebt das Happy End. Zu diesem Zweck ist es mit einem Belohnungszentrum ausgestattet. Dieses bedankt sich für angenehme Erfahrungen, für freundliche Worte, für ein ehrliches Lächeln und ein wertschätzendes Lob, indem es Glückshormone ausschüttet. Diese körpereigenen Opiate, den Drogen chemisch sehr ähnlich, geben uns ein wohliges Gefühl, sie machen uns — je nach Art und Dosierung — glücklich, euphorisch, ekstatisch. Davon wollen wir mehr!

Wer einen solchen ‚Kick’ erlebt hat, kauft nicht nur immer wieder, er teilt dieses Erlebnis auch gerne mit Gleichgesinnten. Er findet offene Ohren — und Nachahmer. Negatives hört unser Hirn übrigens aus zwei Gründen so gern: Erstens, weil eine schlechte Nachricht — wenn sie uns nicht selbst betrifft — diesen Nervenkitzel verursacht, den auch Schaulustige verspüren: Wir waren nahe dran, aber es ist uns nichts passiert, wir sind noch mal davongekommen. Und zweitens, weil es dabei etwas zu lernen gibt und eine prophylaktische Vermeidungsstrategie entwickelt werden kann, die dann beispielsweise heißt: Nicht kaufen!

Eine hilfreiche Empfehlung für eine gute Sache auszusprechen, die beim anderen wohlwollend aufgenommen wird, macht beide Seiten froh. Man badet gemeinsam in guten Gefühlen und redet darüber. So kommt eine Empfehlungswelle in Gang, die Firmen und Marken auf der Beliebtheitsskala plötzlich ganz nach oben spült. In der Mode und bei trendigen Produkten ist dieses Phänomen besonders gut zu beobachten: Ein ‚Hype‘ entsteht und dies bekommt manchmal geradezu epidemische Ausmaße. Insofern ist der Begriff des viralen Marketing, auch wenn er zunächst eher negative Assoziationen auslöst, recht treffend gewählt.

Wenn wir einmal genauer hinschauen, gibt es gleich zwei Gründe, weshalb unser Hirn Empfehlungen zu lieben scheint:

1. Unser Hirn mag es einfach.
Es favorisiert anstrengungslose Informationsverarbeitung. In Zusammenhang mit Marken ist dieses Phänomen ausgetestet. Starke Marken machen unserem Hirn die Arbeit leicht, denn es (er)kennt die Marke, es versteht, wofür die Marke steht, und braucht sich daher nicht mühen, sie zu decodieren. Schwache Marken hingegen sind anstrengend, denn es erfordert zusätzliche Energie, sie zu entziffern. Und dabei können Fehler passieren. Unser Hirn ist aber ständig auf der Suche nach Risikominimierung. Positive Erfahrungen hingegen sucht es zu maximieren. Folge: Unser Hirn liebt Empfehlungen. Sie machen uns, wie starke Marken auch, das Leben einfach, sie reduzieren Komplexität, verschaffen Sicherheit und geben uns damit ein gutes Gefühl. Gute Gefühle sind nun nichts anderes als die Ausschüttung von Glücksbotenstoffen — und diese wiederum machen uns süchtig. So werden beide Seiten, also der Empfehler wie auch der Empfehlungsnehmer, wenn die gemachte Erfahrung eine positive war, diesen Vorgang wiederholen, das heißt in Zukunft öfter Empfehlungen aussprechen beziehungsweise stärker auf Empfehlungen setzen. Den Empfehlungsgeber, der uns solchermaßen gute Gefühle verschafft hat, werden wir stärker ins Vertrauen ziehen. Und die empfohlene Leistung, mit der wir gute Erfahrungen gemacht haben, werden wir zunehmend frequentieren — und ebenfalls weiterempfehlen.

2. Empfehlungen stimulieren unser Belohnungssystem.
Dieses tritt immer dann in Aktion, wenn eine Sache von unserem Hirn für gut geheißen wird. Es belohnt uns zum Beispiel für eine gelungene Flucht. Ausdauernde Läufer kennen das als ‚runners high‘. Bei Sportwagen, das wurde im Hirnscanner getestet, ist das Belohnungssystem besonders aktiv, bei Kleinwagen hingegen fährt es auf Sparflamme. Auch altruistisches Verhalten und ‚Gutes tun‘ machen uns glücklich. ‚Helpers high‘ wird dieser Zustand genannt. So haben US-Wissenschaftler festgestellt, dass freiwilliges Spenden für einen guten Zweck die gleichen Hirnareale mobilisiert, die auch dann aktiv sind, wenn wir einen Zuwachs beim eigenen Vermögen erwarten. Selbst die Bestrafung unmoralischen Verhaltens mobilisiert unser Belohnungssystem. Soziales Engagement und gute Taten sich also als wertvolles Mitglied einer Gemeinschaft zu zeigen, sind demnach starke Motivatoren und können eindeutig vor monetären Beweggründen stehen. Auch wenn es nicht immer so aussieht: Rein egoistische und auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Ziele sind bei Weitem nicht für jeden ein Thema. Durch Studien wurde übrigens bewiesen, dass wir sogar auf Geld verzichten, wenn uns eine Sache als ungerecht erscheint.

So erfasst das Nürnberger Marktforschungsinstitut Puls, das ein sogenanntes ‚Moralbarometer‘ entwickelt hat, unter anderem die Bereitschaft der Verbraucher, für sozialverantwortliche Leistungen einen Aufpreis zu zahlen. Etwa drei Viertel aller Befragten geben an, dies zu tun. Der ‚Moralzuschlag‘ lag 2007 bei 12,4 Prozent. Somit gilt:

Tue Gutes, rede kontinuierlich darüber und sei glaubwürdig dabei! Dann spricht man nicht nur gut über dich, sondern ist — wenn man kann — gerne auch bereit, sich das etwas kosten zu lassen.

Übrigens: Es gibt aktive und passive Empfehler. Passive Empfehler warten, bis sie bei passender Gelegenheit gefragt werden. Aktive Empfehler ergreifen von sich aus die Initiative. Sie sind oft anspruchsvolle Verbraucher mit hoher Durchsetzungskraft. Sie reden gerne darüber, wofür sie ihr Geld ausgeben. Sie sind Vorreiter und kennen die neuesten Trends. Sie sind Experten auf ihrem Gebiet. Sie genießen einen guten Ruf, daher wird ihr Rat besonders geschätzt. Sie sprechen allerdings eine Empfehlung erst dann aus, wenn sie sich ihrer Sache absolut sicher sind. Denn mit jeder Empfehlung steht auch die eigene Reputation auf dem Spiel.

Aktive positive Empfehlungen sind das Wertvollste, das ein Unternehmen von seinen Kunden bekommen kann. Das Marketing und die komplette Vertriebsmannschaft müssen lernen, gezielt ihre Kunden als positive Kommunikatoren so mit einzubinden, dass diese begeistert Empfehlungen aussprechen. Solchermaßen ‚infizierte‘ Kunden werden gerade dann zu vehementen Verteidigern, wenn ein anderer Kunde einmal Bösartiges erzählt. „Da haben Sie sicher einen schlechten Tag erwischt“, heißt es dann. „Bei mir hat immer alles ganz prima geklappt. Ich kann Ihnen das Unternehmen wirklich wärmstens empfehlen.“

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