Der Hürdenlauf zum neuen Job

In der Leichtathletik gibt es Hürden, die mit viel Training gekonnt übersprungen werden. Sie werden überlegt und mit einer ganz eigenen Strategie gemeistert. Lässt sich diese Strategie auch auf das Recruiting übertragen? JA!
Das ist sehr gut möglich. Denn je besser die eigene Strategie ist, desto besser werden die Ergebnisse sein. Auch wenn die Hürden nicht exakt vorbestimmbar sind, so kann ein Unternehmen sich darauf vorbereiten.

Der Recruiting-Prozess ist voller Hürden. Für potenzielle Kandidaten kann die Online-Bewerbung derart komplex, umständlich und verwirrend aufgebaut sein, dass sie eher abschreckt als anzieht. Oft sind die Anforderungen in den Ausschreibungen so hoch, dass auch ein durchaus geeigneter Bewerber sich nicht wagt, die Bewerbung einzureichen. Auch das Motivationsschreiben bereitet vielen Probleme: Manche Bewerber beauftragen sogar Karrierecoachs oder Freunde mit dem Schreiben, weil sie sich überfordert fühlen. Zu guter Letzt wissen viele Bewerber schlichtweg nicht, welche klugen Fragen sie im Rekrutierungsgespräch stellen können.

Unternehmen hingegen haben mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Stellen sollen möglichst schnell wiederbesetzt werden, doch gibt es kaum Bewerber. Und die Unternehmen selbst wagen es nicht, abseits vertrauter Recruiting-Wege zu experimentieren. Die firmeninternen Entscheidungswege sind außerdem oft langatmig, weil zu viele Personen daran beteiligt sind. Gute Bewerber springen durch lang gestreckte Prozesse oft ab.

Die meisten Unternehmen haben immer noch nicht erkannt, dass Mitarbeiter großen Wert auf die Unternehmenskultur legen. Viele Organisationen leiden noch dazu unter einem schlechten Unternehmensimage. Sie sind einerseits schnell mit Kündigungen und suchen andererseits händeringend nach Spezialisten. Das spricht sich herum.

Wie ticken Personalabteilungen?

In jedem Unternehmen hat die Arbeit der Personalabteilung einen anderen Stellenwert. Firmen sollten sich selbst verorten, um das Recruiting zu verbessern und über folgenden Fragen nachdenken: Wofür steht die Firma? Welche Werte deklariert sie? Welche Unternehmenskultur wird gelebt? Wo ist die HR-Abteilung im Unternehmen, im Organigramm, positioniert?

In kleinen Unternehmen liegt die Rekrutierung meist in Händen der Geschäftsleitung und der Führungskräfte, weil es schlichtweg keine HR-Abteilung gibt. Dementsprechend variieren die Abläufe zwischen überlegtem, natürlichem Pragmatismus oder chaotischen Vorgehen.

Deshalb finden Bewerber und Job nicht zusammen

Es ist grauenhaft, welche Absagen Bewerber erhalten.  Teilweise bekommen fähige Fachkräfte nach intensiven Bewerbungsgesprächen schriftliche Absagen, die aus nur wenigen Standardzeilen bestehen. Die wahren Gründe (siehe hier mein Buchtitel: „Zu jung! Zu alt! Zu schwanger! Zu qualifiziert!“) werden nicht genannt. Vorgeschobene Gründe, die dem Arbeitsgesetz Genüge tun, werden mit Wortgirlanden formuliert, digitalisiert und per Knopfdruck abgesandt. Davon abgesehen, dass es immer noch einen kleinen Anteil von Bewerbern gibt, die nie eine Rückmeldung erhalten.

Es ist tatsächlich äußerst schwierig, eine Absage gut zu formulieren. Sie muss gut überlegt und arbeitsrechtlich einwandfrei sein. Die arbeitsrechtlichen Probleme in Deutschland sind …   . Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hält Personaler davon ab, ein detailliertes Feedback zu geben. Dabei wird äußerst selten gegen eine Absage geklagt. Aber genau diesen kleinen Prozentsatz nehmen viele zum Anlass, zurückhaltend zu sein.    Vermeiden Sie jegliche Diskriminierung in Bezug auf Alter, Religion, ethnische Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder einer Behinderung und beziehen Sie sich nur auf konkrete Anforderung der Stelle Beziehen Sie sich in der persönlichen Absage auf konkrete Anforderungen der Stelle, die der Bewerber nicht ausreichend erfüllt hat.

Fünf Fehler im Bewerbungsprozess

#1 Es gibt kein Standard-Recruiting

Es gibt keine durchdachten, einheitlichen Prozesse, keine Personalpolitik geschweige denn zeitgemäßes Rekrutierungswissen und dazu passende digitalisierte, sinnvolle Instrumente. In einigen Firmen herrscht noch die Meinung: „Personal kann jeder“. Also gehen sie so vor, wie es ihnen ihr Bauchgefühl sagt. Ein Fehler!

#2 Es gibt kein konkretes Anforderungsprofil

Es wurde kein Anforderungsprofil erstellt. Doch das ist nötig, denn darin hält der Vorgesetzte fest, welche Kriterien die Idealperson habenmüsste in Bezug auf Fachkompetenz, Methoden-, Persönlichkeits- und Selbstkompetenz. Das Anforderungsprofilkann der Personaler allein nicht übernehmen, denn die Führungskraft weiß am besten, wer fachlich und persönlich das Team am besten ergänzt.

#3 Die Anforderungen werden nicht gewichtet

Das Anforderungsprofil wurde zwar erstellt, aber es wurde keine Gewichtung vorgenommen. Ein Beispiel: Die passende Person in der Verkaufssachbearbeitung sollte Verhandlungsgeschick mitbringen. Völlig vergessen wird jedoch, diese Fähigkeit im Vorfeld zu klassifizieren. Muss oder kann der neue Sachbearbeiter verhandlungsgeschickt sein? Damit die Bewerberauswahl erfolgreich ist, muss der Vorgesetzte genaue Angaben machen. Solange man sich hier jedoch in vagen Formulierungen verfängt, kann es nur mit viel Glück klappen.

#4 Die Stellenausschreibung ist ungenau

Die Stellenausschreibung ist ein Schnellschuss aus der Hüfte. Man kopiert alte Stelleninserate und glaubt, dass sich darauf dann ein Allrounder bewirbt. Auf diese Weise wird jedoch keine auf die Zielgruppe zugeschnittene Stellenanzeigen geschaltet. Dabei geht es um die textliche Ausformulierung und auch um die Wahl des passenden Kanals: Fachzeitungen, Webseiten, Online-Portale, Social Media, Headhunter, Direktansprache, Videos, Messen oder Empfehlungen von Mitarbeitern – je nachdem, wo Sie suchen, müssen Sie anders agieren. Suche Sie jemanden aus der Generation Z? Dann sollten Sie Ihr Inserat auch in angemessener Sprache formulieren. Ist hier wirklich die Erwähnung der guten Sozialleistungen angebracht – oder vielleicht eher ein Hinweis auf die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten?

#5 Der Prozess ist intransparent

Es findet keine transparente und verbindliche Kommunikation über den Ablauf des Bewerbungsprozesses statt. Der Bewerber geht aus dem Gespräch und weiß nicht, wie es nun weitergeht. Kein Wunder, wenn er zwischenzeitlich woanders zusagt und zwar bei einer Firma, die diese Prozesse vorbildlich im Griff hat.

Recruiting ist People Management

Beim Recruiting geht es nicht um neue Maschinen oder Roboter, sondern um Menschen. Heute müssen sich Unternehmen bei den Kandidaten bewerben und nicht andersherum. Und das gelingt, indem sie vor allem wertschätzend und anständig vorgehen. Sie brauchen außerdem nicht einhundert Bewerbungen für eine offene Stelle erhalten, es reichen auch zehn, denn Qualität geht vor Quantität. Seien Sie sich bewusst: Eine Fehlrekrutierung kostet Unternehmen mitunter zwischen sechs und 18 Monatsgehälter. Nehmen Sie sich also besser die Zeit, um überlegt und klug zu rekrutieren.

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