Anpacken statt wegducken – Wie Sie Konfliktlösekompetenz aufbauen

Konflikte in der Produktionshalle, im Team, zwischen Teammitgliedern, zwischen Mitarbeitern und Führungskraft, Konflikte mit der übergeordneten Führungsebene: Konflikte gehören „zum täglich Brot“ der Führungskraft, die vor Ort führt. Aussitzen und wegschweigen sind dabei das falscheste – denn nicht ausgetragene Konflikte verschlimmern die Situation nur und wirken sich früher oder später negativ auf die Arbeitsergebnisse aus.

Der Shop-Floor-Manager ist ja zugleich Führungskraft und Kollege im Team ist. Da ist es doch besonders schwierig, Konflikte zu lösen? Umso wichtiger ist es, als Shop-Floor-Manager Konfliktlösekompetenz zu erwerben. Denn der Nachteil, auch Kollege zu sein, kann in einen Vorteil umgemünzt werden. Der Grund: Zum effektiven Führen von Teams zählen das Erkennen von schwierigen Situationen und Konflikten im Team und der konstruktive Umgang damit. Als Vor-Ort-Führungskraft ist der Shop-Floor-Manager nah dran an den Mitarbeitern. Da er eng mit ihnen zusammenarbeitet, kann niemand besser als er Konflikte frühzeitig wahrnehmen und Hilfestellung zur Lösung geben.

Was passiert, wenn er selbst Teil des Konflikts ist, also als Konfliktpartei auftritt?
Dann sucht er so rasch wie möglich das Gespräch mit den Beteiligten. Ein Beispiel: Wenn es einen Konflikt mit einem Teammitglied gibt, sollte er so rasch wie möglich das klärende Gespräch suchen. Wenn dies nicht ausreicht und der Konflikt auf dieser Ebene nicht gelöst werden kann oder gar zu eskalieren droht, sollte die nächsthöhere Führungsebene mit ins Boot geholt werden. Das gilt übrigens auch für Konflikte, die sehr brisant sind, etwa bei Mobbing oder Alkohol am Arbeitsplatz.

Die innere Einstellung – der Konflikt als Chance

Ein Konflikt muss nicht von vornherein etwas Negatives sein. Er kann durchaus eine Möglichkeit zur Innovation, eine Herausforderung für einen anstehenden Wandel, eine Chance für einen Fortschritt sein. Werden Konflikte bewältigt und können die Beteiligten mit der Konfliktlösung gut leben, gehen die Konfliktparteien mit einem gestärkten Selbstbewusstsein auseinander. Die Folge: Oft etablieren die Konfliktbeteiligten auf einer höheren Qualitätsebene eine bessere Beziehung, weil Dinge endlich ausgesprochen und Unklarheiten beseitigt wurden und das Verhältnis zwischen den Konfliktparteien neu geordnet werden konnte.

Problematisch werden Konflikte, wenn nicht angemessen mit ihnen umgegangen wird, sie „unter den Teppich gekehrt“ und nicht offen angesprochen werden. Die Folgen für Unternehmen sind gravierend: Ungelöste Konflikte haben die Tendenz, sich zu verschärfen und zu verstärken. Sie entwickeln eine unheilvolle Eigendynamik. Selbst ein zunächst unscheinbarer und im frühen Stadium lösbarer Konflikt wächst sich zu einem fast unlösbaren Konflikt aus. Da in der Produktionshalle im Team gearbeitet wird, kann selbst ein „kleiner“ Konflikt zwischen zwei Teammitgliedern verheerende Auswirkungen haben, sobald er auf das Team überzugreifen droht.

Hinzu kommt: Konflikte verursachen Kosten – sie verschlechtern das Betriebs- und Arbeitsklima, führen zu Intrigantentum und Mobbing, zu innerer Kündigung, Demotivation und Produktivitätsverlust. Sie entziehen dem Unternehmen Leistungsenergie, da die Mitarbeiter ihre Energien in die Bewältigung des Konfliktes investieren. Kurz:

Konfliktlösungsstrategie – Schritt 1: Konfliktsymptome frühzeitig erkennen
Die grundlegende Voraussetzung für die Bewältigung eines Konfliktes ist, ihn möglichst früh wahrzunehmen. Für den Shop-Floor-Manager ist es hilfreich, sich in verschiedene Perspektiven hineinzuversetzen, um die beteiligten Konfliktparteien besser verstehen und von einer neutralen Position aus Hilfestellung anbieten zu können.

Ein „Konflikt-Frühwarnsystem“ bietet Unterstützung: An bestimmten Anzeichen, die der Shop-Floor-Manager bei den Mitarbeitern und Kollegen wahrnimmt, lässt sich erkennen, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Konflikt vorliegt. Darum muss er in seinem Team „die Augen offen halten“, um die Signale nicht zu übersehen. Die Abbildung 16 gibt Hinweise, worauf dabei zu achten ist.

Den wirklichen Konfliktherd erkennen

Da tuscheln Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand, wenn der Shop-Floor-Manager den Aufenthaltsraum betritt, da verstummt das Gespräch, da werden Informationen nicht weitergeleitet, da wird Dienst nach Vorschrift geleistet. Die gesamte Kommunikationskultur verschlechtert sich. Wenn die Mitarbeiter Fraktionen bilden, die untereinander kaum mehr kommunizieren, ist klar: Hier schwelt ein Konflikt mit sehr negativen Folgen für die Leistungsfähigkeit des Teams und die Mitarbeitermotivation.
Wichtig ist, den wahren Konfliktherd“ zu erkennen – dazu ein Beispiel: Ein junges Teammitglied greift einen älteren Kollegen immer wieder verbal an. Dieser genießt aufgrund seiner Dienstjahre eine herausgehobene Stellung im Team und äußert sich deshalb in Teambesprechungen auch zur Qualitätsorientierung. Selbstverständlich setzt sich der ältere Kollege gegen die verbalen Angriffe des jungen Kollegen zur Wehr. Der Konflikt droht zu eskalieren, weil beide Parteien schon „Anhänger“ gewonnen haben.

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Der Shop-Floor-Manager, der den jüngeren Kollegen zunächst für sein Verhalten in die Schranken weisen wollte, findet im Dialog heraus: Der Grund für die verbalen Angriffe ist, dass sich der jüngere Kollege wegen einer Zusatzausbildung im Bereich Qualitätsmanagement für kompetenter hält und meint, der ältere und erfahrenere Kollege könne diesen Ausbildungsvorsprung durch seine Erfahrung keineswegs wettmachen. Vielmehr wünscht der junge Kollege, aufgrund der Zusatzqualifikation mehr Verantwortung zu erhalten. Doch das kommuniziert er nicht – ganz im Gegensatz zu seinen verbalen Angriffen.
Der eigentliche Grund für den Konflikt ist also keine persönliche Abneigung zwischen den zwei Teammitgliedern. Es handelt sich nicht um einen Beziehungskonflikt, sondern um einen Kompetenzkonflikt. Nachdem der Shop-Floor-Manager dies erkannt hat, kann er in einem Sechsaugengespräch die Fronten klären und sowohl den jüngeren Kollegen als auch das erfahrene Teammitglied als „Wortführer“ für das Thema Qualitätsmanagement einsetzen. Er bringt die Kontrahenten an einen Tisch und versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden, bei der beide Parteien ihre Interessen gewahrt sehen. Der Konsens lautet: Wissen und Erfahrung können sich wunderbar ergänzen!

Schritt 2: Konflikt im Gespräch genau analysieren

Das Beispiel zeigt: Die meisten Konflikte basieren auf einem Kommunikationsproblem. Statt das Problem offen anzusprechen, flüchtet der jüngere Kollege in persönliche Angriffe. Aufgabe des Shop-Floor-Managers ist es, dies zu erkennen. Nach der Wahrnehmung der Konfliktsignale muss er den Konflikt einordnen und die Konfliktart feststellen. Zudem versucht er, einen Konsens zwischen den Konfliktparteien herzustellen.
Wie gelingt es, sich ein detailliertes Bild über den konkreten Konfliktfall zu verschaffen? Dazu führt der Shop-Floor-Manager Gespräche, in denen er die Konfliktparteien dazu bewegt, sich mit dem Konflikt auseinanderzusetzen. Oft kommt es bereits im Rahmen dieser Gespräche aufseiten der Konfliktparteien zu einer veränderten Sichtweise und zum Einlenken in dem Konfliktfall.
Es ist wichtig, dass sich der Shop-Floor-Manager auf diese Gespräche vorbereitet.

Schritt 3: Konfliktart feststellen

Der Shop-Floor-Manager prüft: Handelt es sich um einen Konflikt zwischen einzelnen Personen oder zwischen Gruppen? Liegt ein Beziehungskonflikt vor, der daher rührt, dass sich die Konfliktbeteiligten nicht leiden können? Oder ist es ein Beurteilungskonflikt, der entbrennt, weil zwei Mitarbeiter das gleiche Ziel verfolgen, aber bezüglich der Zielerreichung unterschiedlicher Auffassung sind?
Verteilungskonflikte entstehen aus negativen Gefühlen heraus, und Kompetenzkonflikte, wenn Mitarbeiter ihren Zuständigkeitsbereich falsch interpretieren. Ein Zielkonflikt droht, sobald zwei Parteien konkurrierende Absichten verfolgen. Allerdings: Konflikte lassen sich selten nur einem Typ zuordnen. Im Gegenteil: Konflikte haben meist mehrere und miteinander vernetzte Ursachen.

Schritt 4: Konsens herstellen

Wenn der Shop-Floor-Manager über eine unzureichende Konfliktlösekompetenz verfügt, kommt es zum destruktiven Umgang mit Konflikten. Dazu zählt die Flucht vor dem Konflikt ebenso wie ständiges Nachgeben oder Durchsetzen.
Der Königsweg zur Konfliktlösung aus unserer Sicht ist der Konsens. Mit ihm strebt der Shop-Floor-Manager einen Interessenausgleich an. Ziel ist, den Konflikt auf eine einvernehmliche Art und Weise zu lösen und eine Gewinner-Gewinner-Situation herzustellen. Das gelingt natürlich nicht immer, sollte aber das Ziel des Shop-Floor-Managers sein und bleiben. Grundlage dabei ist die kooperative Konfliktlösung, die auf dem Harvard-Konzept des sachbezogenen Verhandelns basiert.

Interessen und Positionen voneinander unterscheiden

Um zu einem Konsens zu gelangen, muss der Shop-Floor-Manager in der Lage sein, die Interessen zu erkennen, die sich hinter den Positionen und Meinungen der Konfliktparteien verbergen.
Wir erinnern uns: Der Konflikt zwischen dem jüngeren und dem erfahreneren Teammitglied hat dies deutlich gezeigt. Erst als der Shop-Floor-Manager das Interesse des jüngeren Kollegen erkannt hatte, mehr Verantwortung zu übernehmen, konnte er den Konflikt problemlösungsorientiert behandeln.
Der Streitfall veranschaulicht das Prinzip des Interessenausgleichs: Der Shop-Floor-Manager erarbeitet gemeinsam mit den Konfliktparteien Lösungswege. Konflikte lösen heißt, Gespräche zu führen und mit den Konfliktparteien zu kommunizieren. Dazu nutzt der Shop-Floor-Manager Gesprächstechniken wie das aktive Zuhören, das Nachfragen, die Paraphrase und die verschiedenen Fragearten.

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