Ringelpiez ohne anfassen

Vor kurzem erhielt ich folgende Absage: »Herr Borck, wir würden wirklich gerne was mit Ihnen machen. Jetzt kommt allerdings zuerst unser Teambuilding. Das haben wir schon dreimal verschoben. Das steht für uns an erster Stelle.« Ich dachte mir: »Gott sei Dank!« Blieb mir diesmal doch die Management-Animateur-Nummer erspart. Die ist dir unbekannt? Glaube ich nicht!

Geld : Fenster – raus damit!

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Also wie geht das? Nun, viele meiner Kolleginnen und Kollegen unterhalten so oder so ähnlich die völlig wirkungslosen Führungsriegen unserer Firmen: Anfahrt zum Vier-Sterne-Hotel. Erst einmal drei Stunden über aktuelle Probleme quatschen. Ohne Einbeziehung der Betroffenen richtungsweisende Entscheidungen treffen. Sich wirkungsvoll fühlen. Trainerhampelfrau oder -mann einfliegen, damit sie was Lustiges zu gehyptem Führungsfirlefanz zeigt. Zehn Minuten lang sich selbst erklären, warum das zwar voll cool ist, in der eigenen Firma allerdings kaum umsetzbar. Vor dem Essen in den Wald, bogenschießen. Oder auf den See, rudern. Oder auf den Trimm-Dich-Pfad zur Frischluftgymnastik. Oder in den Yogaraum, zum gegenseitigen sich Auffangen. Oder, oder, oder. Superleckeres Essen genießen. Noch einen Absacker an der Bar hinterherschicken. Vor dem Einschlafen Mails beantworten. Sich wirkungsvoll fühlen. Aufstehen und frühstücken wie ein König. Die Entscheidungen von gestern in bedeutungsvolle Präsentationen hinein formulieren. Assistentinnen mit der Verbreitung beauftragen. Mit Schulterklopfen vom Berater beim gemeinsamen Vier-Gänge-Menü das Teambuilding feiern. Im Mittelklassewagen den Heimweg antreten. Sich wirkungsvoll fühlen. 

Ihr nennt es Strategieklausur. Ich nenne es: Geld verbrennen – mit Brandbeschleuniger! 

Das gleiche Schema findet übrigens tagtäglich in den Besprechungszimmern unserer Firmen statt. Dort heißt es Bullshit-Bingo. Gerne moderiert von einem externen Coach. Alle warten in diesen Sitzungen, bis die ersten drei völlig sinnlosen Aussagen gefallen sind. Dann springen sie innerlich auf und schreien laut: „Bingo!“. Äußerlich zeichnet sich maximal ein süffisantes Lächeln auf ihre Lippen. Die Eingeweihten zwinkern sich zu. Und die Wirkungslosigkeit geht weiter. Zugegeben, das ist fast schon ein zynisch überzeichnetes Bild. Bestimmt gibt es jeden Tag sinnvolle Klausuren und Besprechungen, die zu tatsächlichen Ergebnissen führen. Doch meine Szenarien sind weit mehr als irgendwelche Traumgebilde.

Aufwachen mit Ansage

Ihr glaubt nach wie vor daran, dass formal auf den Thron erhobene Führungskräfte den Laden schmeißen werden. Fühlen die sich überfordert, lassen sie sich regelmäßig von externen Profis begleiten. Weil das so schön zu unseren Glaubenssätzen passt, gibt es dann ganz viel von dem, was ich Synchron-Zeit nenne. Oft sogar noch mit Vor-Ort-Präsenzpflicht. Das sind Besprechungen, Sitzungen, Events etc. zu denen Gruppen von Mitarbeitenden zusammen hocken und – verzeiht mir die Anmaßung – in sehr vielen Fällen einfach Maulaffen feilhalten. Hier flanieren die eitlen Gockel. Die sturen Esel krakeelen. Die Silberrücken lassen sich kraulen. Die Spione flüstern ein. Die ernsthaft Interessieren langweilen sich oder werden sauer. Die Zeit vergeht. Und Ergebnisse, die sich handelnd bemerkbar machen könnten, bleiben aus. Stattdessen braucht es schon bald den nächsten Präsenztermin, um angeregt zu debattieren, warum nichts, aber auch überhaupt nichts passiert. Natürlich wieder mit externer Begleitung – so ein wichtiges Thema verlangt Experten! Menschen, die sich auskennen mit positivem Leadership. Die mit einem (geistigen) Fingerschnippen eine ideale Arbeitsumgebung schaffen. Fachfrauen für konstruktive Führung.

Wozu führt das? Auf den Punkt: Ihr verschwendet so in euren Firmen systematisch die wertvollste Zusammenarbeitsform. Die, in der Menschen gemeinsam Zeit verbringen. Die Kirsche auf der Sahnetorte: ihr kauft euch dazu Firmenfremde ein. Je teurer, umso scheinbar sinnvoller ihr Einsatz. Dabei ist das alles nur ein Feigenblatt. Was es verdeckt? Arbeitsunlust!

Arbeit, die ihren Namen verdient

Mit meinen Kollegen engagieren wir uns für adaptive Organisationen. Das sind Firmen, die ihre echten Probleme wirklich lösen wollen. Kein Aufschieben, kein  Verhandeln, kein Machtspiel – tatsächlich bewältigen. In diesen Unternehmen arbeiten die Teilnehmenden von Sitzungen die Aufgaben ab, für die es Sinn hat, zusammen zu hocken. Das kann bis zu Betriebsversammlungen gehen, auf denen alle gemeinsam Entscheidungen treffen, anstatt das man einen Redner einlädt, damit die Pizza steuerlich korrekt als Firmenausgabe gebucht werden kann. Hier schafft die synchron verbrachte Zeit wertvolle Ergebnisse. So gelingt Höchstleistung mit ganz normalen Menschen. Dort krempeln auch die externen Begleiter die Ärmel hoch und schaffen Mehrwert. Dort sucht man Silberrücken, eitle Gockel, intrigante Spione und vor allem dumm herumblökende Esel vergebens.

Und so frage ich. „Wollen wir weiterhin aus Eitelkeit in unseren Synchronzeiten das Geld zum Fenster raus werfen?“ Ich weiß: „Arbeit mit tatsächlichen Ergebnissen ist so viel schöner!“

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