Wie man mit Freundlichkeit kritisiert

„Sie haben eine Meinung? Gut. Aber ich habe auch eine. Und meine ist besser als Ihre. Und sie ist im Gegensatz zu Ihrer wahr. Was sagen Sie nun?“ So oder ähnlich verlaufen viele Debatten und Diskussionen. Wie das endet? Schauen Sie sich einfach mal die vielen Talkshows zu kontroversen Themen an. Dann wissen Sie’s. Geht das auch anders? Ja!

Wenn es Ihnen wirklich um die Wahrheit geht, dann sollten Sie einen Disput nicht um den Preis des Sieges über den Gegenpart führen. Das ist wichtig, denn ansonsten macht alles Weitere hier für Sie keinen Sinn. Geht es Ihnen um Sieg, dann lesen Sie hier bitte nicht weiter. Es wäre Zeitverschwendung.

Wie kann kritischer Dialog um die Wahrheit, um die bessere Idee oder einfach um die Wahl des besten Restaurants heute Abend geführt werden?

Erster Grundsatz: Es gibt keine Wahrheit, aber es ist gut, nach ihr zu suchen.

Hüte dich aber vor denen, die behaupten sie gefunden zu haben. Wir können uns der vermeintlichen Wahrheit durch genaue Wahrnehmung und logische Schlüsse annähern. Aber da unsere Wahrnehmungsgabe begrenzt ist, wird auch unsere Wahrheit immer begrenzt sein. Selbst, wenn mehrere Menschen die gleiche Wahrnehmung haben, bleibt es doch eine Wahrnehmung, nicht aber die Wahrheit. Zwei Generationen ist es her, da haben sehr viele Menschen geglaubt, der Gefreite aus Braunau würde die Wahrheit verbreiten. Wie das ausgegangen ist, brauchen ich Ihnen nicht zu erzählen. Also: unsere Wahrheit ist unsere Wahrgebung. Wir konstruieren sie selbst.

Zweiter Grundsatz: Menschen verfolgen grundsätzlich positive Absichten, wählen aber oft die falschen Mittel.

Von Psychopathen sehen wir hier einmal ab. Es lohnt daher immer, die Absichten zu erkunden, um dann über die Mittel zu streiten. Wer für die Todesstrafe ist, weil er Gerechtigkeit möchte, verfolgt sicher eine gute Absicht. Und die gilt es zu würdigen. Über das Mittel, die Todesstrafe, können wir heftig streiten. Also: Finde erst die Absicht heraus und streite erst dann.  Daraus folgt der nächste Grundsatz.

Dritter Grundsatz. Erst verstehen, dann verstanden werden.

Kluger Grundsatz, allerdings nicht von mir, sondern von Steve Covey. Also: Finde heraus, was dein Gegenüber meint, bevor du meinst, schon verstanden zu haben. Höre zu, um zu verstehen und nicht um zu antworten. Frage nach, paraphrasiere die Worte deines Gesprächspartners und zeige ihm, dass du ihn verstehen willst. Willst du ihn nicht verstehen, dann tu dir und dem anderen den Gefallen und brich die Debatte ab. Vielleicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt. Kannst Du den anderen nicht verstehen, dann gib dir Zeit zum Nachdenken.

Vierter Grundsatz: Trenne Person und Thema.

Es ist völlig irrelevant, wer der oder die andere Person ist. Wenn Du über die „Wahrheit“ streiten willst, dann streite über die Wahrheit und nicht über die Person. Wertschätze andere Menschen und unterlasse Abwertungen jeglicher Art: Häme, Beschimpfungen, Despektierlichkeiten und ähnliches. Angriffe gegen die Person werden mit Gegenangriff, Flucht oder Rückzug beantwortet. Das alles bringt dich der Wahrheit nicht näher. Den anderen übrigens auch nicht.

Fünfter Grundsatz: Emotionen sind nicht verhandelbar.

Sie sind da oder nicht da. Und sie sind nicht Resultat bewusster Entscheidung. Sonst wären es Gedanken. Wenn es um Emotionen geht, dann sprich über dich und nicht über den anderen. Was andere Menschen denken oder fühlen, kannst du nicht wissen. Spekuliere also nicht darüber, sondern rede über das, was dich bewegt. Das hilft der anderen Person, dich besser zu verstehen. Und eben dieses Verstehen ist wertvoller als jede Wahrheit. Respekt ist die Brücke, die euch verbinden kann. Und solange du meinst zu wissen, dass der andere ein Idiot ist, wirst du weder Brücken bauen noch überzeugen. Würdest Du dich von jemandem überzeugen lassen, der dich für eine Flachpfeife hält?

Der amerikanische Philosoph Daniel Dennet hat vier Schritte freundlicher Kritik formuliert, die ich ich hier gern teilen möchte:

  1. Versuche die Position deines Gegenübers so klar, anschaulich und fair darzustellen, dass dein Gesprächspartner sagt: „Danke, ich hätte es nicht besser formulieren können.“
  2. Zähle alle Punkte auf, in mit denen du übereinstimmst (speziell, wenn sie keine allgemeine Zustimmung bedeuten).
  3. Nenne die Dinge, die du von deinem Gegenüber gelernt hast.
  4. Erst dann ist es dir erlaubt, Worte der Widerrede oder der Kritik zu äußern.

Ausprobieren! Sie werden Ihre Gesprächspartner erstaunen. Und Sie werden selbst erstaunt sein, dass sich so manche Debatte plötzlich um die Sache dreht und im gegenseitigen Respekt zu einem Ergebnis führt. Sie brauchen den anderen nicht zu besiegen. Gemeinsam zu einem guten Ergebnis zu kommen, ist viel nützlicher.

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