Small Talk – Wenig kann mehr sein

Gerade für introvertierte Menschen ist der beiläufige “Plausch” ein energiezehrendes Unterfangen. Hinzu kommt, das ihre kommunikative Zurückhaltung oftmals ignorant und abweisend wahrgenommen wird. Viele “Intros” verspielen mit dieser Haltung Chancen im beruflichen Leben. Dabei kann man auch “leise” ins Gespräch kommen. Chris Wolf erklärt Ihnen wie Small Talk auf die leise Art funktioniert

Welche Funktion hat Small Talk?

Vielleicht erinnern Sie sich an die legendäre Wassermelonen-Szene aus Dirty Dancing, dem amerikanischen Tanzfilm von Emile Ardolino, der 1987 in den Kinos Furore machte und seither, so erscheint es einem zumindest, mindestens wöchentlich auf irgendeinem Fernsehsender gezeigt wird? Baby, die weibliche Hauptrolle und bis zu der Szene eine recht unscheinbare, recht introvertiert wirkende junge Dame, hilft einer unbeholfenen und etwas anstrengenden Zufallsbekanntschaft im Ferienklub und begegnet dabei dem feschen John, einem tollen Tänzer. Auf sein herablassendes Small-Talk-Angebot reagiert sie mit »Ich habe eine Wassermelone getragen!« und jedes Mal, wenn der Film gezeigt wird, leiden die Zuschauerinnen an dieser Stelle besonders mit: Eine Chance auf Small Talk mit dem Herzensbrecher wurde so dämlich vertan!

Small Talk ist oft besonders schwierig für Introvertierte, das ist geradezu Teil der Definition von Introversion: Small Talk zieht Energie, wenn man introvertiert ist. Andererseits ist diese Kommunikationsform wichtig und in vielen Arbeitsbereichen unumgänglich. Ich vermute, dass viele Introvertierte auch gerne gut in diesem Bereich wären, aber kaum einen Weg finden, dies umzusetzen. Small Talk scheint beinahe wider die Natur der Introversion zu sein.

Ich kenne kaum eine Situation, die mir unangenehmer ist, als mit vielen mir unbekannten Leuten gleichzeitig konfrontiert zu sein und zu wissen, dass diese auf irgendeine Art und Weise wichtig sind und ich schauen sollte, dass ich mit ihnen ins Gespräch komme. Und ich habe gleichzeitig jedes Mal von Neuem das Gefühl, dass ich genau das nicht kann – ein Albtraum. Mir ist klar, dass es schön wäre, wenn diese Leute einen Eindruck von mir gewinnen könnten und ich von ihnen. Es ist aber so schwierig und unangenehm … Ich erlebe das bisweilen, wenn ich am Vorabend eines Seminars im Seminarhotel ankomme und weiß, dass die Teilnehmer auch bereits da sind. Ich kenne sie aber noch nicht und sie mich entsprechend auch nicht. So ergibt sich eine völlig unstrukturierte Situation und ich kämpfe gegen massive Fluchttendenzen. Oft unterliege ich im Kampf und fliehe auf mein Zimmer. Es zeigte sich jedoch im Laufe der Jahre, dass das gar keinen Nachteil bringt: Es reicht vollkommen aus, sich am nächsten Tag in der für mich wohlstrukturierten und überschaubaren Situation zu Seminarbeginn kennenzulernen.

Es gibt jedoch eine Menge anderer Situationen, in denen es wirklich nützlich und sinnvoll ist, nicht komplett vor dem Small Talk zu fliehen.

Funktion von Small Talk

•    Lockeres Kennenlernen
•    Ermitteln von Gemeinsamkeiten und möglichen angenehmen Konversationsthemen
•    Einen Eindruck vom Gegenüber zu gewinnen über frei gewählte gefahrlose Themen
•    Locker herausfinden, ob man mehr vom anderen wissen möchte
•    Peinliches Schweigen vermeiden
•    Situation entkrampfen
•    Atmosphäre für folgende Zusammenarbeit erzeugen

Zusammengefasst: Small Talk legt die Basis für alles, was danach kommt.

Das alles ist dem Introvertierten meist schmerzlich bewusst, während er gleichzeitig mit der Durchführung des Small Talks überfordert ist.

Wie verläuft ein üblicher Small Talk?

Zwei Menschen nähern sich einander, stellen durch Blickkontakt eine gewisse Gesprächsbereitschaft fest und einer beginnt das Gespräch, oft mit einer Frage. Diese sollte von angenehmer, öffnender Belanglosigkeit sein. Der andere antwortet und nun beginnt ein lockeres Spiel von Frage und Gegenfrage, eine lässige, angenehm plätschernde Plauderei. Nach wenigen Minuten liegt eine gewisse Bekanntheit und Vertrautheit vor und man kann fortfahren, ernsthafter ins Gespräch kommen oder zum nächsten Gesprächspartner ziehen. Manchmal ergibt sich dabei eine fast magische Stimmung, in der das Plaudern so leichtfällt, dass es sich ganz natürlich entwickelt und sich angenehm anfühlt.

Eine moderne Variante des Small Talks findet man im Speed-Dating. Dabei trifft man in einem festen Setting in kurzer Zeit auf einige verschiedene Menschen von dem Geschlecht, das man sich als Partner wünscht. Man hat eine festgelegte kurze Zeit (meist sieben bis zehn Minuten) Gelegenheit, sich mit jedem der möglichst aussichtsreichen Kandidaten zu unterhalten. Dabei sitzt man sich an einem kleinen Tisch gegenüber. Nach der festgesetzten Zeit wird man aufgefordert, mit dem nächsten Kandidaten am nächsten Tisch auf die gleiche Art und Weise fortzufahren.

Es handelt sich also um eine sehr klare, gut strukturierte Small-Talk-Situation, die beinahe Laborcharakter hat. Das macht sie zu einer interessanten Analogie, um daraus lernen zu können:

Speed-Dating ist dann erfolgreich zu nennen, wenn man sich zu weiteren Kennenlern-Verabredungen motiviert fühlt und solche zustande kommen. Die weiteren Verabredungen locken mit der Chance auf weitere Annäherung bis hin zur ersehnten Familiengründung. Das wird natürlich nur dann der Fall sein können, wenn man den anderen auch physisch attraktiv fand. Das ist eine unumgängliche Voraussetzung, auf die man gar nicht so leicht einwirken kann. Ferner ist es hilfreich, wenn man sich etwas zu sagen hatte, wenn man mehr wissen möchte und wenn man das Gefühl hatte, dass sich Gesprächsthemen leicht ergeben und sich das Gespräch locker und natürlich entwickelt. Häufig wird Humor als ein wichtiger Punkt genannt, den man vom anderen erwartet und der positiv wirkt, wenn er denn auftaucht.

Ziel des Small Talks

Analog ist Small Talk dann gelungen, wenn er zwanglos und locker verläuft, wenn man sich so unterhalten kann, dass man nicht merkt, wie die Zeit vergeht und man gerne noch ein bisschen mehr vom anderen wissen möchte.

Dies ist das ultimative Ziel des Small Talks: Man glaubt nach wenigen Minuten im Ansatz zu wissen, wer der andere ist, und man möchte gerne weiter mit ihm ins Gespräch kommen. Diese allmähliche Annäherung ist essenziell für die Entstehung und Entwicklung jeder Beziehung. Es gibt keine Abkürzungen auf dem langen Weg. Und so muss man auch diesen ersten Schritt mitnehmen, auch wenn er für Introvertierte energiezehrend ist.

Es ist also ganz ähnlich wie beim Flirten und manch einem hilft dieses Bild im Kopf beim Small Talk – beim Flirten sind Menschen oft einfallsreicher als in der Alltagskommunikation, da die Motivation naturgemäß eine andere und intensivere ist als beim gewöhnlichen Small Talk.

Ein wunderbares Beispiel eines misslungenen Flirtversuchs eines fraglos introvertiert wirkenden Menschen zeigt der Film A Beautiful Mind (USA, Regie: Ron Howard 2001). In einer Szene wird der Protagonist, John Nash, abends in einer Kneipe aufmerksam auf das Interesse einer attraktiven blonden Frau. Nachdem er sich traut, sich zu ihr an die Bar zu setzen, ringt er sichtlich um Worte, bis die blonde junge Dame ihm mit der Information hilft, er wolle ihr vielleicht einen Drink kaufen. Er ignoriert den an sich hilfreichen Hinweis und rafft sich schließlich auf und erklärt ihr, dass er nicht genau wisse, was nun von ihm zu sagen gefordert sei, damit sie mit ihm Geschlechtsverkehr habe. Darauf fragt er verlegen, ob man nicht einfach annehmen könne, dass er all das gesagt habe. Als wenig hilfreich erweist sich auch seine ergänzende Erklärung, es handele sich schließlich im Wesentlichen um den Austausch von Flüssigkeiten. Leider führt dieser äußerst direkte Ansatz frei von jeglichem Small-Talk-Charakter zu einer Ohrfeige sowie etwas freundlichem Spott durch die Freunde von John Nash, die seine Bemühungen amüsiert verfolgt hatten. Nun ist der Charakter im Film (nach historischem Vorbild) kein typischer Introvertierter. Dennoch ist diese Szene für inhaltsgetriebene Introvertierte gar nicht so schwer nachvollziehbar. Warum sollte man einen ulkigen inhaltslosen tanzartigen Kommunikationsablauf inszenieren, nach Regeln, die dem Introvertierten nicht einleuchten, während der Extravertierte nicht einmal darüber nachzudenken braucht, sondern sich einfach und unbeschwert drauflos verhält? Rätselhaft!

Des Rätsels Lösung liegt eben offenkundig in der allmählichen Annäherung und dem langsam(er)en Kennenlernen, welches sich für Business- und Privatsituationen bewährt hat – jede zu schnelle Annäherung ohne Austausch von Oberflächlichkeiten zu Beginn funktioniert nicht. Dies wiederum ist nun für Introvertierte gleichzeitig gut nachvollziehbar und schwer umsetzbar. Allerdings könnte das Kennenlernen im beruflichen Leben auch über die Themen erfolgen, die man dort gemeinsam hat und nicht unbedingt über Belanglosigkeiten. Sehr viele Menschen reden sehr gerne über ihre Arbeit … Mit diesem Hintergrundwissen gerüstet, wenden wir uns nun der Frage zu, wie denn gelungener Small Talk für uns gehen kann.

Struktur und Timing – wie man leise ins Gespräch kommen kann

Das Schwierige am Small Talk ist der Anfang! Wer kennt nicht dieses mulmige Gefühl, wenn man realisiert, dass man auf jemanden zugehen müsste und sollte und das auch will? Gleichzeitig fehlen die Energie und die Idee für den ersten Schritt. Für diesen Rubikon muss man am Ende selbst eine Passage finden. Hier möchte ich dem Leser Anregungen bieten und wie immer wird nicht jede Anregung zu jedem Introvertierten passen. Generell muss das Ziel nicht sein, sehr lange im Small Talk zu baden, auch kurze Sequenzen erreichen das gewünschte Ziel.

Struktur

Es kann helfen, diesen ersten Schritt für sich sehr klar strukturiert im Kopf zu haben. Viele introvertierte Menschen bevorzugen klar strukturierte Situationen, in denen sie und die übrigen Beteiligten genau wissen, wann was in welcher Art und Weise von ihnen erwartet wird.

Ein bekannter Psychologe, den ich im Rahmen einer ausführlichen Weiterbildungsveranstaltung erleben durfte, löste das Problem auf eine bemerkenswerte Weise. In der Situation, in der zehn lernwillige Seminarteilnehmer beim Kaffee andächtig mit ihm am Tisch saßen, um ihm das erste Mal zu begegnen, forderte er diese nach ein paar netten Begrüßungsworten auf, dass jeder eine Geschichte erzählen solle, wie er zu dem Thema der Fortbildung gelangt sei. Er begann dann direkt mit einer natürlich wohlvorbereiteten Geschichte mit einer lustigen Pointe. Wir mussten also prompt gleichzeitig nachgrübeln nach einer geeigneten Episode und diese dann passend erzählen … Er hatte derweil wunderbar Zeit, uns ein bisschen kennenzulernen und am Ende der Runde herrschte eine recht nette Atmosphäre, die den Druck von ihm nahm und es ermöglichte, Zuhören als Stärke des Introvertierten wirksam einzusetzen.

Dieser Ansatz lässt sich natürlich nicht einfach übertragen auf andere Introvertierte und andere Situationen. Übertragbar ist nur die allgemeine Idee, dass man den Einstieg klar strukturiert vorbereiten kann.

Möglichkeiten, eine solche Struktur vorzubereiten

  • Man kann ein Thema oder eine Frage parat haben. Ausführliche Hinweise dazu finden Sie im nächsten Abschnitt.
  • Häufig schreiben Introvertierte lieber als sie im Sinne des Small Talks plaudern. Dieses lässt sich sowohl vor als auch nach dem persönlichen Kennenlerngespräch nutzen! Man kann geeignete Gesprächspartner möglicherweise vorab via E-Mail (oder in sozialen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn) ansprechen. Nach dem Austausch von Kontaktdaten ist dies natürlich sogar noch einfacher und man kann nun die Stärken des Introvertierten durch gezielte Fragen oder Kommentare zu etwas, was dem Gesprächspartner wichtig erscheint, ausspielen.
  • Man kann eine klare Idee haben, wen man als Erstes anspricht: Oft ist es eine sinnvolle Faustregel, jemanden auszusuchen, der recht extravertiert wirkt. Man kann sich als Introvertierter danach gut an dieser Person orientieren, da sie vermutlich bereitwilliger und geschickter Small Talk betreibt als man selbst. Es ist je nach Ziel nicht so eine gute Idee, eine sehr introvertiert wirkende Person auszusuchen. Dann würde man in der Folge vermutlich unter sich bleiben.
  • Man kann eine klare Idee haben, was man erfahren möchte und darauf zusteuern.
  • Man kann seine wahre Befindlichkeit nahezu paradox einsetzen, indem man die Abneigung gegen Small Talk thematisiert. Das kann besonders dann wunderbar funktionieren, wenn man auf einen Menschen trifft, dem es ähnlich geht. Das sind gar nicht so wenige! (»Ich freue mich, hier zu sein. Ich bin nicht wirklich gut im Small Talk und weiß nicht genau, was ich nun sagen soll.«) Hier muss gar keine Frage gestellt werden, die meisten Gespräche gehen auch nach geeigneten Aussagen weiter, indem der Gesprächspartner nun die Aussage kommentiert und von sich erzählt.

Struktur kann also eine echte Hilfe sein: Wenn man eine sehr klare Idee hat, wie man die ersten Schritte im Small Talk macht, dann sinkt die benötigte Anfangsenergie auf ein erträgliches Maß.

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