Social Media als Massenphänomen gehört heute mit zu den relevantesten Einflüssen auf unser Leben. YouTube, Facebook, LinkedIn, Instagram, Tik-Tok, Telegram und WhatsApp – für viele Menschen ist ein Leben ohne digitale Technologien und Medien nicht vorstellbar. Doch was macht das mit uns, unserem Selbstvertrauen?
Was bringt uns Social Media?
Social Media zieht fast alle Menschen auf der Welt in seinen Bann, weil es seinen Nutzern schier unendliche Möglichkeiten eröffnet, mit der Welt in Kontakt zu treten und das eigene Leben nachhaltig zu beeinflussen. Social Media kann uns insbesondere
- informieren,
- unterhalten,
- im besten Fall inspirieren, selbst kreativ zu werden,
- mit anderen Menschen unabhängig vom Wohnort vernetzen und
- ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe schaffen.
Gerade die globalen Vernetzungsmöglichkeiten üben eine große Faszination auf die meisten von uns aus. Wir können den Kontakt zu unseren Freunden und Bekannten halten, egal, wo wir oder sie sich gerade aufhalten. Daneben können wir mit völlig fremden Menschen mit ähnlichen Werten, Herausforderungen und Zielen in Kontakt treten, an deren Leben teilhaben – und, was vielleicht noch wichtiger ist, unser eigenes Leben so in der Öffentlichkeit über Social Media präsentieren, wie wir es wollen – und wie es unserem Selbstbild entspricht. Social Media ist damit die moderne Variante von »sehen und gesehen werden«.
Gerade die Präsentationsmöglichkeit (gesehen werden) ist ein zentraler Punkt. Der Wunsch, von anderen Menschen wahrgenommen und in Erinnerung behalten zu werden, ist bei vielen stark ausgeprägt, wobei es durchaus Unterschiede gibt, je nach Lebenserfahrung, Prägung und sozialem Hintergrund.
Entsprechend können die Motive sehr unterschiedlich sein, zum Beispiel die Befriedigung von Geltungsbedürfnissen und/oder von wirtschaftlichen Interessen. Je nach Intensität dieser Motive ist der Drang nach dem Gesehenwerden stärker oder schwächer ausgeprägt.
Der Einfluss von Social Media auf unsere Selbstwahrnehmung
Doch was macht das alles mit unserem Selbstvertrauen? Wer Posts, Bilder,Podcasts und Videos von anderen regelmäßig konsumiert, sieht und hört häufig perfekt gestylte, glücklich wirkende, selbstbestimmt erscheinende und wohlhabende Menschen, die schlaue Dinge tun oder sagen. Wir ahnen, dass die Wirklichkeit häufig anders ist – und trotzdem macht es etwas mit uns, ob wir wollen oder nicht. Unbewusst vergleichen wir uns mit dem, was wir von anderen sehen und hören – und darüber verändert sich unsere Selbstwahrnehmung. Das Resultat können selbstkritische Fragen sein, wie
- »Warum habe ich so viele Falten im Gesicht, obwohl ich mir täglich teure
- Cremes ins Gesicht schmiere, um genau das zu vermeiden?«
- »Warum habe ich Speckröllchen um die Hüfte, obwohl ich täglich Sport mache?«
- »Wieso mache ich nicht so viel Umsatz wie meine Kollegin?«,
- »Wo bleibt eigentlich mein Durchbruch, mein Erfolg?«
Wenn man schon einmal dabei ist, sich selbst zu kritisieren, gibt es oft kein Halten mehr. Die eigenen Defizite können uns herrlich die Laune vermiesen. Die klugen Ratschläge und Beiträge von anderen verunsichern uns häufig sogar mehr, als sie uns helfen oder inspirieren.
Das hängt stark von unserem eigenen Selbstvertrauen ab. Bei einem schwach ausgeprägten Selbstvertrauen kann durch einen Vergleich das Gefühl ausgelöst werden, man sei der Vergleichsperson unterlegen, zum Beispiel unattraktiv und ein hoffnungsloser Fall, bei dem selbst Schminktipps oder eine gute Rasur nichts mehr nützen. Das Risiko ist also groß, dass durch die Nutzung von Social Media die Selbstwahrnehmung sehr negativ wird, und zwar ohne, dass es dafür einen objektiven Grund geben muss.
Solche oder ähnliche Gedanken können dazu führen, dass wir unser Leben und das Erreichte nicht mehr zu schätzen wissen. Solche oder ähnliche Gedanken können dazu führen, dass wir unser Leben und das Erreichte nicht mehr zu schätzen wissen. Früher hieß es: »Wisse, woher du kommst!« So konnte im neunzehnten Jahrhundert der Sohn eines Volksschullehrers, der es geschafft hatte, zu einem angesehenen Advokaten (heutiger Begriff Rechtsanwalt) aufzusteigen, mit sich und der Welt durchaus zufrieden sein. Er hatte etwas erreicht, was vor ihm in seiner Familie noch keiner erreicht hatte. Wenn er sich mit den anderen Menschen in seiner Stadt verglich, sah er vor seinem inneren Auge stets echte Menschen, die alle ihre Schwächen hatten. Andere Vergleichsmöglichkeiten hatte er in der Regel nicht. Die Chance war also gar nicht so schlecht, bei diesen Vergleichen gut abzuschneiden und somit ein positives Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Social Media: Mega-Vergleichsgruppe und Mega-Malkasten
Anders verhält es sich heutzutage bei Social Media: Alles hat dort eine völlig andere Dimension, die Vergleichsgruppe ist dort um ein Vielfaches größer. Früher haben sich Frauen mit anderen Frauen in ihrem sozialen Umfeld verglichen. Das war eine überschaubare Zahl. Die Chance, die Attraktivste und Klügste zu sein, war entsprechend hoch. Heute können sich Frauen mit allen Frauen, die auf Social Media sichtbar sind, vergleichen. Und der Malkasten, mit dem jeder Teilnehmer sein wahres Erscheinungsbild vertuschen kann, hält in der digitalen Welt viel mehr Möglichkeiten bereit. Schein und Sein verschmelzen häufig miteinander. Doch den Umfang dieser Manipulation kennt nur der Täuschende selbst. Vielleicht sind einige Menschen wirklich so perfekt und wunderbar, wie sie auf ihren Videos zu sein scheinen. Und genau diese Unsicherheit kann an unserem Selbstvertrauen nagen.
Vergleichshölle Social Media
Schon die Vergleichshöllen Familie, Freunde, Klassenkameraden und Berufskollegen sind schwierig zu meistern. Bei Social Media stehen wir aber vor einer besonderen Herausforderung. Zwar ist Social Media angesichts der zahllosen Vergleichsobjekte bestens geeignet, unser Bedürfnis nach einem Vergleich mit anderen zu befriedigen. Gleichzeitig können uns die vielen Möglichkeiten von Aufwärtsvergleichen unglücklich machen. Die Kunst besteht also darin, auch mit dieser Hölle zurechtzukommen, um ein erfülltes Leben mit möglichst wenig Neid und Selbstzweifel zu führen. Doch was sind die entscheidenden Kniffe, um dieses Ziel zu erreichen?
Stiller Beobachter versus aktiver Nutzer
Es macht einen erheblichen Unterschied, ob wir Social Media nur passiv oder auch aktiv nutzen. Der stille Beobachter zeichnet sich dadurch aus, dass er zwar alles mitmacht – er scrollt sich durch die Flut von Posts und Videos anderer –, ohne etwas von sich preiszugeben. Dadurch ist er aber anfällig dafür, bei einem Aufwärtsvergleich Neid- und Frustgefühle sowie ein geringeres Selbstwertgefühl zu entwickeln. Demgegenüber profitiert der Nutzer, der sich durch eigene Beiträge und Kommentare selbst aktiv beteiligt, eher von den positiven Effekten der sozialen Netzwerke. Studien fanden heraus, dass aktive Nutzer einen Selbstwert-Push erleben können:
- Sie empfinden ihre eigene positive Selbstdarstellung als großartig.
- Zudem entdecken sie, dass sie die Aufmerksamkeit anderer auf ihre
- Schokoladenseiten und positiven Erlebnisse lenken können, und
- sie fühlen sich sozial in ihre Community eingebunden.
Die Bedeutung der Likes
Haben Sie schon einmal einen fremden Beitrag mit einem eigenen Kommentar geteilt oder sogar einen Post von A bis Z selbst kreiert – und dafür viele Likes von anderen bekommen? Wie hat sich das angefühlt? Ich bin mir sicher, dass Sie jetzt denken: Darüber habe ich mich sehr gefreut! Das war ein großartiges Gefühl!
Genau so geht es vielen, die Social Media aktiv nutzen – und in Form von Likes die Bestätigung ihrer Community bekommen, dass ihre Veröffentlichung
- gut aufgenommen worden ist. Ein Like gibt uns das Gefühl, dass sich
- die Mühe für die Veröffentlichung gelohnt hat. Wir nehmen auf diese Weise
- ein emotionales Wohlfühlbad in Social Media. Jedes Like ist dazu geeignet,
- dass unser Gehirn wie bei anderen Dingen, die wir als schön und angenehm
- empfinden, Glückshormone (unter anderem Dopamin) ausschüttet und
unser Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert wird. Das führt dazu, dass wir danach streben, dieses Gefühl wieder zu erlangen und motiviert sind, weitere Beiträge und Kommentare zu verfassen, um darauf positive Reaktionen und noch mehr Likes (und damit mehr Dopamin) zu bekommen.
Torpedo für unseren Selbstwert: Der Halo-Effekt
Die anderen präsentieren sich auf Social Media von ihrer besten Seite (= das idealisierte Selbst) – und dem wird als Vergleichsobjekt das eigene Ich mit allen Stärken und Schwächen (= das Aktual-Selbst) gegenübergestellt. Wer also ständig – und wenn es auch nur unbewusst geschieht – sein Aktual- Selbst mit den idealisierten Selbst-Versionen anderer vergleicht, zieht langfristig immer den Kürzeren. Das dem so ist, liegt nicht zuletzt an einem bestimmten Beurteilungsfehler, dem psychologischen Halo-Effekt (Überstrahlungseffekt), dem praktisch jeder auf den Leim geht.
In Social Media vergleichen
Dr. Yana Fehse
wir uns auf eine Art und Weise,
die uns selbst gegenüber total
unfair ist.
Für Social Media bedeutet das: Wir sehen ein perfekt inszeniertes Bild einer Person und wissen aber ansonsten nichts weiter über sie. Der perfekte äußerliche Eindruck stellt damit das einzige Merkmal dar, das wir sehen und uns somit bekannt ist – oder, falls wir die Person schon kennen, ist dieses Merkmal so dominant –, dass mögliche andere Merkmale davon überstrahlt werden, sprich in den Hintergrund treten. Im Regelfall wissen wir aber nichts von den Problemen dieser Person, wie zum Beispiel persönliche Konflikte, psychische Probleme, finanzielle Schwierigkeiten oder Krankheiten.
Was macht unser Gehirn in dieser Situation? Es stuft die restlichen Merkmale ebenfalls als perfekt ein. Und damit ist die Grundlage für einen Aufwärtsvergleich mit einem rundum perfekten Vergleichsobjekt gelegt; und diesen Vergleich, Sie wissen es schon, können wir nur verlieren.
Social Media für ein gutes Selbstwertgefühl
Jeder kann sein Glück mit Social Media finden. Entscheidend ist, nicht in die Vergleichsfalle zu tappen und nur so viel Konsum zuzulassen, wie einem individuell guttut. Hier vier Tipps, die Ihnen weiterhelfen können:
#1 Machen Sie sich immer wieder bewusst: Es ist nicht alles Gold, was glänzt! So können Sie den Halo-Effekt aushebeln.
#2 Hören Sie auf Ihre innere Stimme! Finden Sie heraus, was Ihnen guttut. Soziale Netzwerke sind weder gut noch schlecht. Jeder sollte für sich entscheiden, wie er sie nutzt – passiv und/oder aktiv.
#3 Ziehen Sie eine zeitlich begrenzte Social Media Detox in Erwägung! Je nachdem, was Ihnen Ihre innere Stimme sagt, kann eine spontane Social-Media-Auszeit wahre Wunder bewirken.
#4 Etablieren Sie eine neue Gewohnheit im Umgang mit Social Media! Das kann Sie stark machen und Ihnen neues Selbstvertrauen geben. Statt wie bisher zum Beispiel fünfmal am Tag durch die Sozialen Netzwerke zu scrollen, könnten Sie versuchen, Ihren Konsum auf maximal zwei Social Media Sessions am Tag zu beschränken
Dr. Yana Fehse ist Diplom-Psychologin, Mindset-Coach und Key-Note-Speakerin. Ihre Mission ist es, möglichst vielen Menschen zu zeigen, wie Sie ein unerschütterliches Selbstvertrauen entwickeln und festigen können. Denn nur wer an sich selbst glaubt, hat die Energie, um außerordentliche Ziele in seinem Leben zu erreichen. Sie beschäftigt sich seit über 10 Jahren intensiv mit den Themen Selbstvertrauen und mentale Stärke. Yana Fehse war u.a. als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie als Personalleiterin und Dozentin im Bereich Wirtschaftspsychologie tätig.