Selbst-Coaching-Prozesse zwischen Zufall und Gesetzmäßigkeit

Eine grundsätzliche Schwierigkeit im Umgang mit den verschiedenartigen Einflüssen, die unser Denken bestimmen, liegt vor allen Dingen darin, dass diese zumeist unbewusst wirken. Da sie unseren Gewohnheiten und unseren sozialen Prägungen entspringen, empfinden wir sie zunächst nicht als etwas Fremdes. Und es bedarf oft eines langwierigen und auch schwierigen Prozesses, um erstarrte und blockierende Muster überhaupt zu erkennen und schließlich aufzubrechen. Denn unsere individuellen Vorstellungen und Ansichten liegen häufig tief in unserem Inneren verborgen, überlagert von all dem gelernten, angeeigneten, habituellen und aktuellen Wissen. Bei Friedrich Nietzsche lesen wir: „Die erste Meinung, welche uns einfällt, wenn wir plötzlich über eine Sache befragt werden, ist gewöhnlich nicht unsere eigene, sondern nur die landläufige, unsrer Kaste, Stellung, Abkunft zugehörige; die eignen Meinungen schwimmen selten obenauf.“ Es bedarf deshalb einer bewussten Auseinandersetzung mit den Determinanten des eigenen Denkens zusammen mit dem wachsenden intuitiven Verstehen des universalen energetischen Zusammenhangs, in dem sich das Selbst befindet.

Für viele Menschen liegt der Beginn eines solchen Prozesses nicht selten in der Auseinandersetzung mit dem eigenen Elternhaus. Denn gerade hier werden nachhaltige Prägungen vollzogen. Besonders das durch die Eltern oder durch entsprechende feste Bezugspersonen vermittelte Wertesystem hat großen Einfluss auf die persönlichen Entscheidungen und Handlungen. Schließlich ist es das fremdvorgestellte System, mit dem man aufwächst, von dem man vorgeprägt wird, in dem man seine ersten und entscheidenden Erfahrungen und Erkenntnisse macht, und das in einer Entwicklungsperiode – nämlich in der Kindheit –, in der die Grundlagen unseres gesamten Lebens gelegt werden. Und spätestens bei der Berufswahl entstehen dann bei vielen jungen Menschen starke Konflikte mit den Eltern, weil diese beispielsweise einen Beruf bevorzugen, der eine gewisse Sicherheit verspricht, wohingegen junge Menschen nach der Schule vor allen Dingen ihre persönlichen Neigungen und Leidenschaften berücksichtigen wollen (die genauso wenig dem Selbst entsprechen und willkürlich gewählte Realitäten sein können).

An dieser Stelle prallen oft also das elterliche Wertesystem und die eigenständig entwickelten Gedankenflüsse aufeinander, und bisher gewohnte Muster werden über Bord geworfen.

Sind solche Bewusstseinsprozesse unerlässlich?

Diese Prozesse sind unerlässlich für die eigene Identitätsbildung und für die Entfaltung der Persönlichkeit, sie verändern das eigene Leben grundlegend, was häufig verbunden ist mit tiefen Konflikten und so manch schmerzhafter (Selbst-)Erkenntnis.

Das Schönste, was im Selbst-Coaching geschehen kann, ist das plötzliche Erkennen des Selbst, das Eintreten eines überwältigenden neuen Bewusstseins von Allem und Nichts verbunden mit dem sofortigen tiefen inneren Bedürfnis die Liebe in sich und in der eigenen Realität zum Blühen zu bringen. Dieses Erkennen wird irgendwann auch plötzlich da sein, aber bei vielen setzt es einen Prozess des Fragens, Spürens, Immer-mehr-Verstehens voraus. Doch einmal begonnen, entfesseln solche Selbst-Coaching-Prozesse Energien, deren Drang zur weiteren Entfaltung kaum mehr aufzuhalten ist und deren kleinste Wechselwirkung mit dem Empfangenden schon so erhebend, erweiternd und schön ist, dass eine Rückkehr, eine Trennung von diesen Lebensenergien als viel zu schmerzhafter und verrückter Rückfall in die dunkle Höhle erscheinen würde. In Nietzsches Bildern gesprochen, hört sich dies noch bedrohlich an: „Das leichte Befassen mit freien Meinungen gibt einen Reiz, wie eine Art von Jucken; gibt man ihm mehr nach, so fängt man an, die Stellen zu reiben; bis zuletzt eine offene schmerzende Wunde entsteht, das heißt: bis die freie Meinung uns in unserer Lebensstellung, unsern menschlichen Beziehungen zu stören, zu quälen beginnt.“

Qualen sind es aber nur, solange noch Angst vor dem Selbst da ist. Es ist die Angst vor der Größe und Bedeutung der Offenbarung. Je geringer diese seelenstärkste Form der Angst wird, desto schöner werden auch alle Realitäten, die aus dem Selbst zu schaffen begonnen worden sind. Die Menschen, die diese Angst überwunden haben, sprechen von der göttlichen Katharsis.

Welche Gesetzmäßigkeit wird nach der Überwindung der Angst vor dem Selbst entdeckt und gelebt?

Alle vorangegangenen Ausführungen laufen auf die erstaunliche Tatsache hinaus, dass die Welt letztlich immer eine Spiegelung unseres Inneren ist. Wenn wir Zusammenhänge erkennen wollen, werden sich diese Zusammenhänge zeigen; wenn wir eine Zahl für bedeutsam erklären, wird sich die Bedeutsamkeit eben dieser Zahl zeigen. Unsere Außenwelt ist in allen Fällen, was wir im Innersten sind. Im ganzen Universum gibt es keine Zufälle, hier ist alles Teil eines in sich geschlossenen Systems – davon gehen heute selbst die meisten Physiker und Astronomen aus. Alles geschieht im Rahmen von zweckmäßigen Gesetzmäßigkeiten. Und es ist das Bewusstsein des Körpers, der Seele und des Geistes, das durch seine Gedankenflüsse, Emotionen und Handlungen die Gesetzmäßigkeiten zur Wirksamkeit bringt. Was der Mensch dann mit Zufall bezeichnet, ist das, wovon er die Ursache nicht kennt. Manche Vorgänge sind offensichtlich, andere sind es nicht. Der Vorteil des Prinzips Zufall ist die Freiheit: Alles ist möglich, es gibt keine Grenze, die nicht durch Weiterdenken zu überwinden wäre, Zufall fällt uns zu und es kommt auf unser Verhalten (auf unsere inneren Verhältnisse) an, weshalb er uns zufällt (weil wir ihn sonst nicht wahrnehmen würden) und was aus dem Zufall für uns wird (etwas liebenswertes oder etwas abstoßendes).

Das ist die Gesetzmäßigkeit: Der Zufall ist ein energetisches Ereignis. Unsere energetische Anziehung verursacht Zufall, unsere energetische Aufladung ermöglicht uns das Erkennen und die Art des Erkennens unseres Zufalls. Jeder Zufall ist deshalb eine Offenbarung einer unserer Seiten – es liegt an uns, diese Seite mit Selbst-Liebe aufzunehmen.

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