Auf der Sachebene werden Ziele, mechanische Lösungswege vorgezeichnet. Sie ist für Unternehmen essenziell. Doch ob die Ziele erreicht werden, entscheidet sich auf der Beziehungsebene. Sie ist so mächtig, dass sie jeden Sachzwang, jedes Ziel konterkarieren kann. Deshalb ist es wichtig, Sach- und Beziehungsebene wertschätzend voneinander zu trennen. Wie das gelingt, illustriert unser Autor Christian Bernhardt.
Sach- und Beziehungsebene wertschätzend trennen
Ist die Beziehung gestört, wird die Sache zum Problem. Wie wir zueinander stehen, gibt den Nachrichten unserer Gesprächspartner ihre Färbung. Dabei gilt: Wenn die Beziehung intakt ist, können wir auch heikle Inhalte ansprechen, ohne dass Missverständnisse entstehen. Dennoch sollte die Beziehungsebene bewusst sauber gehalten werden, damit der Tenor von negativen Inhalten oder kritischem Feedback nicht auf sie überspringt. Zwei Techniken aus dem Bereich der nonverbalen Kommunikation ermöglichen es, bei kritischen Gesprächen Sache und Beziehung bewusst zu trennen: die Dreipunktkommunikation und der Einsatz des passenden Stimmmusters.
Die Dreipunktkommunikation
Wo waren Sie am 11. September 2001, als Sie das erste Mal von den Anschlägen auf das World Trade Center hörten? Und wo waren Sie am 11. September im vorigen Jahr? Während uns die Antwort auf die erste Frage leichtfällt, müssen wir bei der zweiten Frage oft passen. Denn wir merken uns eine Sache immer dann besonders gut, wenn sie mit einem hohen Grad an emotionaler Erregung verbunden ist. Wenn im Alltagsleben etwas Unangenehmes geschieht, ist es für die Beziehung zu unseren Mitmenschen besonders wichtig, wie wir in diesen Situationen kommunizieren. Dabei kommt dem Blickkontakt eine besondere Bedeutung zu, denn neben dem Körperkontakt schafft er im Kontakt zu unseren Mitmenschen die stärkste Verbindung. Wenn wir einander in die Augen schauen, entsteht bereits nach wenigen Sekunden eine messbare physiologische Erregung im Körper, die beispielsweise den Puls oder die elektrische Leitfähigkeit unserer Haut verändert.
Das Problem dabei: Da die Verbindung so stark ist, wenn wir uns in die Augen schauen, wird auch die Beziehung am stärksten beschädigt, wenn wir das tun, während wir negative Inhalte kommunizieren. Michael Grinder, einer der weltweit führenden Körpersprache-Experten, hat daher die klassische Zweipunktkommunikation, mit der wir üblicherweise mit anderen kommunizieren, zur Dreipunktkommunikation erweitert. Diese ermöglicht es, auf der Sachebene heikle Punkte zu klären oder Kritik zu üben und gleichzeitig die Beziehungsebene sauber zu halten.
Während bei der Zweipunktkommunikation der Austausch direkt zwischen Person A und Person B stattfindet, wird bei der Dreipunktkommunikation ein dritter Punkt C eingebracht, auf dem Kritik und negative Inhalte platziert werden. So können diese gemeinsam thematisiert und behandelt werden, ohne sich dabei persönlich auf den Mitarbeiter zu beziehen. Stattdessen wird der neutrale dritte Punkt adressiert, der zwar mit dem Verhalten des Mitarbeiters, aber eben nicht mit seiner Person verbunden ist.
Wird das bemängelte Verhalten kritisiert, während man sich auf den Sündenbock-Punkt bezieht, können dazwischen, mit Bezug zum Mitarbeiter, Verständnis und andere beziehungsstärkende Inhalte auf der zwischenmenschlichen Ebene vermittelt werden. Mit Bezug zum dritten Punkt wird dann wieder klar und deutlich in der Sache vermittelt, dass ein bestimmtes Verhalten den Vereinbarungen widerspricht und sich zukünftig ändern muss.
Der Effekt ist verblüffend: Statt die Beziehung zu belasten, hat es eine verbindende Wirkung, wenn Führungskraft und Mitarbeiter ihre Aufmerksamkeit gemeinsam auf einen dritten Punkt richten. Die Psychologie bezeichnet das als Joint- oder Shared-Attention, wobei es keine Rolle spielt, dass auf dem dritten Punkt das bemängelte Verhalten des Mitarbeiters platziert ist. Auf der zwischenmenschlichen Ebene wird die Botschaft vermittelt: »Du bist als Mensch voll akzeptiert, aber für dein Verhalten auch voll verantwortlich« – hart in der Sache, weich zum Menschen, so gelingt der geforderte Spagat zwischen dem ökonomischen und dem humanistischen Verständnis von Wertschätzung. Der Mitarbeiter spürt, dass ein herzliches und freundliches Miteinander ihn als Menschen wertschätzt. Gleichzeitig versteht er aber auch, dass ihn das nicht davon entbindet, sich mit seinem Verhalten an die Vereinbarungen und Spielregeln zu halten.
Unerwünschtes Verhalten kann also kritisiert werden, indem man einen Platzhalter einsetzt, auf dem die negativen Inhalte positioniert werden. Das kann beispielsweise das Protokoll des letzten Meetings sein, in dem Verantwortlichkeiten klar vereinbart wurden, eine Stellenbeschreibung, aber auch die ausgedruckte Mail eines Kunden, Kollegen oder einer anderen Führungskraft, zur Not aber auch einfach ein Post-it, auf dem der kritische Punkt zuvor notiert wurde. Der Tenor bleibt stets: »Lieber Mitarbeiter, lass uns zusammen klären, wie wir mit der Sache umgehen und die Kuh vom Eis bekommen.«
Glaubhaftes und zugängliches Stimmmuster
Im richtigen Tonfall kann man fast alles sagen, im falschen dagegen so gut wie nichts. Der Ton macht bekanntlich die Musik und entscheidet darüber, wie das Gesagte beim Gegenüber ankommt. Während mit der Dreipunktkommunikation auf der nonverbalen Ebene die Sache von der Beziehung getrennt wird, ermöglichen zwei verschiedene Stimmmuster auch eine paraverbale Trennung der beiden Ebenen.
Das glaubhafte Stimmmuster adressiert die Sachebene. Es wird genutzt, um unmissverständlich und bestimmt Informationen zu senden. Es zeichnet sich durch einen monotonen Tonfall aus und endet mit einem klaren Punkt. Dabei senkt sich die Stimme, und es folgt eine deutliche Pause, die der Aussage Gewicht verleiht und die Botschaft untermauert.
Das zugängliche Stimmmuster pflegt dagegen die Beziehungsebene und wird genutzt, um Informationen, Zustimmung und Akzeptanz vom Gesprächspartner zu erhalten. Es zeichnet sich durch einen melodischen, kooperativen und versöhnlichen Tonfall aus. Am Ende der Aussage hebt sich die Stimme und öffnet damit fragend den Raum.
Die unterschiedlichen Stimmmuster eignen sich hervorragend, um sie mit der Dreipunktkommunikation zu kombinieren.
Aussagen der Führungskraft (FK), die sich auf den Platzhalter für die kritischen Inhalte und negativen Punkte beziehen, werden im glaubhaften Tonfall betont; Aussagen dagegen, die sich mit Blickkontakt an den Mitarbeiter (MA) richten, im zugänglichen Tonfall. Die Führungskraft kommuniziert hart und glaubhaft in der Sache, aber weich und zugänglich zum Menschen. Dadurch sieht, hört und spürt der Mitarbeiter: »Ich bin für mein Verhalten voll verantwortlich, aber als Mensch voll akzeptiert.«
Da die Kombination und Wechsel bei den beiden Techniken recht dynamisch sind, finden Sie im Digitalpaket ein Video, das die Anwendung stärker verdeutlicht.
Wertschätzende Kommunikation trennt in kritischen Situationen zwischen Verhalten und Person. Sie bleibt in der Sache hart, aber zum Menschen weich. Die persönliche Zone des Mitarbeiters wird in den räumlichen, zeitlichen, fachlichen und psychosozialen Territorien respektiert. Die Intimzone ist dabei ein klares Tabu. Die Führungskraft sollte die verschiedenen nonverbalen Signale erkennen, mit denen gestresste Mitarbeiter auf Übergriffe reagieren.
#1 Achten Sie auf Ihre eigenen Distanzzonen und diejenigen Ihrer Kollegen und Mitarbeiter und respektieren Sie diese, zum Beispiel indem Sie kommunikative Interaktionen, auch Meetings, zeitlich klar begrenzen und indem Sie Mitarbeitern die Art und Weise, wie sie ihre Aufgaben erfüllen wollen, selbst überlassen.
#2 Wenn Sie selbst das Opfer eines Übergriffes werden, ermöglichen die Ich-Botschaft oder die gewaltfreie Kommunikation, wertschätzend zu deeskalieren.
#3 Stellen Sie fest, ob Sie die Neigung haben, Botschaften eher auf dem Sach-, dem Beziehungs-, dem Selbstkundgabe- oder dem Appellohr zu hören. Welches Ohr ist bei Ihnen am schwächsten ausgeprägt?Ermitteln Sie auch bei Ihren Mitarbeitern die jeweils stärker und schwächer ausgeprägten Ohren.
#4 Setzen Sie insbesondere bei schwierigen Gesprächsthemen, in denen es um Kritik am Verhalten eines Mitarbeiters geht, die Dreipunktkommunikation ein: Nehmen Sie einen dritten gemeinsamen Bezugspunkt als Platzhalter zur Positionierung negativer Inhalte, um die Beziehung nicht zu verletzen. Unterlegen Sie dies auch mit einem entsprechenden Stimmmuster: Geht es um die Sache, ist der Tonfall bestimmt; geht es um die Beziehung, ist der Tonfall melodisch-weich, wobei sich am Ende die Stimme hebt.
Christian A. Bernhardt (*1975) ist Hochschuldozent für Kommunikationspsychologie, langjähriger Berater, Trainer und Speaker. Als Experte für den Fachkräftemangel betreute er über 500 Unternehmen bei der Personalgewinnung und der Verbesserung der Mitarbeiterbindung. Sein Fachbuch zur nonverbalen Kommunikation im Recruiting erreichte 2019 die Amazon-Bestsellerliste im Bereich Personalmanagement und wurde 2022 ins Englische übersetzt.
Er hält Trainings und Vorträge in Unternehmen und verschiedenen Universitäten in Deutschland und der Schweiz und berät Unternehmen bei der Einführung einer neuen Kommunikationskultur, Stärkung des Miteinanders und Entwicklung von Strategien gegen den Fachkräftemangel.