Kritik annehmen kann man lernen

Kritik anzunehmen, selbst wohl gemeinte, fällt vielen Menschen schwer. Die Psychologin Chris Wolf plädiert dafür, in die Fähigkeit, Feedback anzunehmen, zu investieren. Denn durch die Auseinandersetzung mit Feedback kann man selbst besser werden.

Man kann das Annehmen von Feedbacks lernen oder sich, präziser gesagt, in der Fähigkeit verbessern, indem man im kontrollierten Setting ausprobiert, welche Reaktionen Feedbacks beim konkreten Individuum auslösen. In Übungen, die sich mit echten Themen befassen, bietet sich die Chance, die eigenen Reaktionen zu spüren und kontrolliert aufzuarbeiten. Dadurch entsteht neuer, optimierter Umgang. Welche Reflexe übernehmen die Kontrolle? Wie fühlt sich Kränkung für Sie persönlich an? Wie kann man damit umgehen? Nach innen und nach außen? Man kann auch in Seminaren und Workshops erhebliche Fortschritte dazu machen. Eine gute Investition für jeden, der sich intensiv mit Kommunikation befasst, vor allem für Führungskräfte.

Das heißt ganz konkret, dass wir für eine völlig andere Art von Kommunikations- und Führungstrainings plädieren. Es gilt zunächst, sich der inneren emotionalen Reaktionen auf Inhalte bewusst zu werden; dies wäre mit beliebigen Themen möglich: Zeitungsartikeln, Talkshows, bestimmten Aussagen, die einem so einfallen, und vielleicht auch besonders bewegenden Aussagen – bewegend im Guten wie im Schlechten. Damasio (1997) konnte zeigen, dass zu jeder Emotion auch ihr ›somatischer Marker‹ gehört und man somit lernen kann, seine Emotionen physiologisch wahrzunehmen. Diese Fähigkeit ist – nebenbei bemerkt – ein zentraler Baustein der ›emotionalen Intelligenz‹ (Goleman 1997).

In einem zweiten Schritt würde man mit erfundenen Feedbacks arbeiten: »Herr Schmitt, ich fand Ihren Vortrag ausgezeichnet.« »Sie kommen häufig unpünktlich.« Und wieder wäre es das Ziel, möglichst genau in sich hineinzublicken und die innere emotionale Reaktion zu entdecken. Entgegen einer weitverbreiteten Meinung, dass dies zu persönlich sei und dass dies in Lerngruppen zu großem Widerstand führen würde, haben wir in unserer Arbeit genau das Gegenteil entdeckt: Schnell entsteht durch diese Art des etwas anderen Trainings viel Vertrauen und Offenheit zwischen den Teilnehmern. In einem dritten Schritt könnte man mit tatsächlichen Feedbacks – am besten natürlich im Sinne des hier herausgearbeiteten Resonanz-Feedbacks – arbeiten. Geht es doch gerade auch beim Annehmen von Feedbacks um die innere Resonanz. Anders als bei üblichen Standardtrainings ginge es dann aber nicht darum, dass man Feedback (gefälligst) anzunehmen und vielleicht noch nachzufragen habe, sondern um weitaus spannendere und interessantere Fragen: Wenn ich auf Feedback hin ärgerlich werde, mich übermannt fühle, gerührt bin und so weiter, was kann ich dann tun? (Gruppen sind hier sehr hilfreich beim gemeinsamen Erarbeiten von Alternativen.) Und das kann man dann ausprobieren, so lange, bis es passt. Auch wenn die Metapher etwas hinkt, vergleichbar wäre das mit einer Impfung: Der toxische Reiz wird anders verarbeitet, nicht durch Immunisierung natürlich, sondern durch die bewusst wahrnehmbare Resonanz, denn erst diese ermöglicht alternatives Handeln.

Fazit

Wer Feedback annimmt, der schluckt es nicht einfach brav runter. Er arbeitet damit, weil es ja ohnehin in ihm arbeitet. Zum Verhalten gehört es, dem Feedbackgeber Raum zu geben, zur Haltung gehört es, die von der eigenen abweichenden Perspektiven als eine mögliche Erweiterung des Blickfeldes zu begreifen. Die Gesprächsführung muss auf fairen Regeln gründen! Es hilft sich klarzumachen, dass der Feedbackgeber immer auch über sich selbst und sein eigenes Wertesystem redet.

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