Lohnt es sich noch, Handmade-Visualisieren zu üben? In Zeiten von immer besseren KI-Bildgeneratoren? Abgesehen davon, dass es Spaß macht! Ja, es lohnt sich. Ja, es kann jeder lernen.
Stell dir vor, ihr diskutiert ein Businessthema. Eine künstliche Intelligenz hört zu und fasst das Ganze simultan in einer Visualisierung zusammen. Auch diese Visualisierung würde sicherlich die Diskussion beleben. Geht es uns als Visualisierern dann nicht wie 1997 dem Schachweltmeister, der unter Turnierbedingungen von einem Computer geschlagen wurde? Statt eines Großcomputers wie damals schafft das heute eine Handy-App. Inzwischen macht die KI sogar beim Pokern, einem Spiel mit komplexen strategischen Entscheidungen in einem unvollständigen Informationsfeld, bahnbrechende Fortschritte.
Doch wir können etwas, was die KI nicht kann: intuitives Ausdrücken von Gefühlen und Befinden; sich berühren zu lassen und andere berührend bewegen; vielschichtiges Kontextverständnis; durch persönliche schöpferische Kreativität präsent zu sein. Diese Fähigkeiten unterscheiden dich von der KI beim Inhalt-bildhaft-auf-den-Punkt-Bringen. Wer clever handmade visualisiert, bringt sich als einzigartige Persönlichkeit mit Beziehungen, Erfahrungen, Werten und Emotionen ein. Und das selbst bei Internet- und Stromausfall.
Gerade das Unperfekte, dein persönlicher Visualisierungsstil als Spiegel deiner Art zu denken, zu fühlen und zu kommunizieren macht den Reiz von Handmade-Visualisierungen aus. Damit erzielst du Resonanz und Interaktion – nicht mit vermeintlicher Perfektion und in Konkurrenz zur KI. Gerade in Live-Business-Situationen. Sei entspannt, wenn du den Stift in die Hand nimmst: Beim Zeichenstrich gibt es kein Richtig und Falsch!
Ja, ich weiß, das Unperfekte zu zeigen, fällt schwer. Jedem, auch mir. Doch nur Mut: Visualisierung ist kein Beeindrucken mit Ästhetik, sondern ein spontaner Gedanken- und Ideen-Booster für dich und andere mit Mehrwert.
Habe Mut zu unplugged Quick-and-dirty-Sketching!
Bring deine wachsenden Visualisierungsskills von Anfang an auf die Straße, deinen wichtigsten Trainingsplatz. Hier bleibst du der KI überlegen. Nutze aber künstliche Intelligenz als immer leistungsfähigeres Werkzeug rund um das Visualisieren und das visuelle Storytelling: als Super-Inspirationsquelle, bei der Recherche, als Buddy für repetitive Aufgaben oder für die Analyse und Auswertung von (zu) vielen Informationen. So hast du mehr Zeit für Menschlich-Schöpferisches, für den Austausch mit anderen, das Mitmenschliche.
QUICKSTART leicht gemacht Lass uns auf Augenhöhe trainieren
Das Training beginnt! Auf dem Sportplatz sagt man »Pass auf« und nicht »Passen Sie bitte auf, der Stürmer bricht gleich auf der rechten Seite durch. Rennen Sie bitte schneller!« So gewinnt man kein Spiel und die Emotion bleibt auf der Strecke. Visualisieren lernen ist spielerischer Ernst – das Gegenteil von Von-oben-herab-Belehren. Deshalb sind wir jetzt beim Arbeits-Du, genau wie im Präsenz- oder Online-Workshop. Denn das zeichnet Visualisieren aus: direkte Kommunikation auf Augenhöhe mit Respekt – auch und gerade bei unterschiedlicher Meinung, Rolle, Sprache, Geschlecht und Kultur.
Habe Mut zum Schmunzelfaktor
Eine Frage: Hast du als Kind auch gerne auf Fotos herumgekritzelt? Zum Beispiel auf dem Titelbild einer Illustrierten einen Zahn entfernt, einen Bart wachsen lassen oder ein Gesicht mit verwegenen Narben verändert? Wir hatten mit auf diese Weise verschönten Promis unseren Spaß. Lachen, Schmunzeln, auch über sich selbst – das schafft Augenhöhe und bringt Menschen zusammen.
Wer es wissenschaftlicher mag: Sympathie und gute Laune erhöhen durch ausgeschüttete Botenstoffe die Aufnahmefähigkeit und bauen zugleich Stress ab. Mach dir das zunutze, gerade bei ernsten Themen. Vertraue auf den Wert des Schmunzelfaktors.
Dazu eine Anekdote: Ein Teilnehmer einer Besprechung, der zum ersten Mal den Stift in der Hand hatte, skizzierte für seine Argumente ein Wohnmobil als Metapher für flexiblere Arbeitsplätze. Seine schnelle Skizze eines Wohnmobils mit Alkoven hätten zufällig Hereinkommende als Hai identifiziert. Hai, Tauchen und Meer hätten ja durchaus zum Diskussionsthema gepasst. Aber durch das Gesagte des Teilnehmers war allen im Raum klar, worum es ging. Man kann es nicht genug betonen: Wenn eine Visualisierung im Kontext verstanden wird, ist sie eindeutig und perfekt! Dazu kam: Sein Storytelling rund um die visuelle Präsentation war brillant. Dieses Symbol, dieses vermeintlich missglückte Fahrzeug, wurde zum MERKwürdigsten Gedächtnisanker des Tages und auf den Flipcharts. Es brachte zum Nachdenken und Schmunzeln. Das trug dazu bei, dass seine Argumente immer wieder aufgenommen wurden – und sich schließlich durchgesetzt haben. Das ist ein konkretes Beispiel für eine Visualisierung als Hard Skill für messbare Ergebnisse. Warum ich diese Anekdote erwähne? Auch ich erinnere mich noch an den Wohnmobil-Hai und, viel wichtiger, an die Argumentation. Der Gedächtnisanker sitzt Jahre später noch bombenfest.
Du lernst aus dieser Anekdote: Erstens, man muss (noch) kein guter Zeichner sein. Zweitens, es darf etwas schiefgehen beim Sketchen, wenn darunter die Klarheit der Aussage nicht leidet. Drittens, das skurrile, vermeintlich misslungene Symbol hat oft mehr Wirkung als das auswendig Gelernte. Viertens, der Teilnehmer wurde durch das Schmunzeln menschlich nahbar und sympathisch. Passen Kompetenz und Schmunzeln zusammen? Ja! Schmälert Augenhöhe Autorität? Nein! Und da Humorarten, genauso wie Geschmäcker, verschieden sind: Einfühlungsvermögen hilft auch in Humorfragen.
Mach’s dir einfach – kommentiere, verändere, ergänze
Würze vorhandene Vorlagen! Skizzen auf PowerPoint-Slides, auf Drucksachen oder Fotos erhöhen die Aufmerksamkeit und verändern oder verstärken die Aussagen. Du kannst das sofort in die Praxis umsetzen. Besonders wirksam ist das simultane Live-Ergänzen. Lass dich von der Wirkung auf andere überraschen. Du kannst auch selber thematisch passende Fotos machen und dann hineinskizzieren. Ganz einfach wird das, wenn wir auf dem Tablet visualisieren. Noch ein Vorteil, wenn du eigene Fotos verwendest: Du vermeidest Urheberrechtsprobleme – vorausgesetzt, eventuell abgebildete Personen sind einverstanden.
Try it!
Durchforste deine Handy-Fotos. Welches könnte zum Thema Nähe und Distanz passen? Überlege, was du in die Fotos hineinskizzieren könntest, um die Bildaussage noch weiter zu verstärken.
Siegfried (Sigi) Bütefisch ist Diplom-Graphik-Designer. Seine Philosophie: »Kommunikation als Mittel zum Zweck – das Ziel sind messbare Ergebnisse!«. Schon immer war bei Meetings der Stift in der Hand sein Werkzeug, um Diskussionen anzuregen und Menschen zu überzeugen. Begeistert davon, sprach ihn eine Kundin einmal daraufhin an, ob er auch Visualisierungskurse gebe. Da wurde ihm bewusst, dass das, was er tat und konnte, einen Namen hat und immer mehr zum Trend wird. Visualisieren! So wurde Sketchnoten und Co. und andere dafür zu begeistern seine zweite Mission.