Es ist leider keine Überraschungsnachricht mehr, dass immer mehr Menschen fehlende Zufriedenheit oder gar Frust am Arbeitsplatz verspüren. Studien – zum Beispiel die aktuelle Gallup-Studie – belegen im Jahr 2023 einen Rekordwert dessen. Das ist keineswegs nur ein Problem für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Unternehmen und die gesamte Volkswirtschaft. Das Schöne an Studien ist, dass sie uns die Wahrheit – oder zumindest eine breite Meinung – in Zahlen vor Augen führen. Das Nachteilige dabei ist, dass sich durch Studien kaum jemand angesprochen fühlt, außer diejenigen, die sich persönlich darin wiederfinden. Denn würde ein Unternehmen eine solche Entwicklung bei sich verzeichnen und tatsächlich ernst nehmen, bräuchte es keine Studie, um dem entgegenzuwirken.
Der Hauptgrund für die geringe emotionale Bindung ist nach wie vor mangelnde Resonanz. Die Menschen haben zu wenig das Gefühl, dass:
- sie durch ihre Arbeit im Gesamtkontext des Unternehmens etwas bewirken oder einen Unterschied machen (Selbstwirksamkeit)
- sie in ihrem Tun und als Menschen gesehen, erkannt und verstanden werden (Wahrnehmungsgefühl)
- respektvoll und wertschätzend mit ihnen umgegangen wird (Beziehung).
Ich möchte dazu im folgenden Abschnitt aus einer konkreten Situation in einem jüngst zurückliegenden Coaching berichten.
Resonanzlosigkeit
Eine junge Dame kam zu mir ins Coaching mit der Frage nach beruflicher Veränderung. Sie hatte einen gut bezahlten Job im Marketing eines großen Food-Unternehmens. Doch irgendwie hatte sie zunehmend das Gefühl, es ginge zu viel Energie verloren. Also machten wir uns zunächst auf die Suche nach dem Leck: es lag keineswegs an der Tätigkeit an sich oder materiellen Gründen, sondern an der Art und Weise, wie in der Organisation mit ihr und im Allgemeinen miteinander umgegangen wurde. All das, was ich zuvor beschrieben habe: Resonanz-, Beziehungs- und Verbindungslosigkeit.
Der Schmerz war so groß, dass sie die Kündigung bereits vollzogen hatte. Sie wollte lieber auf der Suche nach etwas Neuem sein und ins Ungewisse gehen, als jeden Tag frustriert nach Hause zu kommen. Sie war auch schon bei einer Gründungsberatung, doch dort empfahl man ihr, anstatt ihrer Leidenschaft und persönlichen Kompetenzen zu folgen, etwas zu suchen mit dem (Zitat) „man auch wirklich Geld verdienen könne“. Wieder frustrierend: auch hier wurde sie nicht gesehen und verstanden. Also überlegten wir nun gemeinsam, was gute Schritte sind, um die Sache anzugehen. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
Before you leave it, manage it
Unabhängig davon, ob man kündigen will oder nicht, oder es vielleicht innerlich oder tatsächlich sogar schon getan hat: in einem ersten Schritt sollte man sich immer klar werden, woraus der Frust überhaupt entsteht – ein Bewusstsein schaffen. Ist es die Tätigkeiten an sich? Materielles oder fehlende extrinsische Motivation? Passt das, was intrinsisch bewegt nicht in den Rahmen des Unternehmens? Schlechte Führungs- oder Kollegenbeziehungen? Ein Wertekonflikt mit dem Unternehmen oder handelnden Personen? Hier war die Dame schon sehr weit, also machten wir uns in diesem Zusammenhang gemeinsam an den nächsten bzw. tiefer gehenden Schritt: Selbstreflexion. Für welche Werte stehst du ein? Wo zeigen sie sich wie? Was tust du gern? Was fällt dir leicht? Und viele mehr solcher reflexiven Fragen. Die Antworten darauf mit der aktuellen Situation abzugleichen, löst meist eine Stille der Erkenntnis aus (so erging es mir selbst vor vielen Jahren ganz persönlich).
Erst danach lässt sich überlegen, ob und wie das Umfeld gestaltbar ist oder an welchen Stellen Akzeptanz dafür sorgen kann, dass natürliche Resonanzerwartung nicht durch (bewusste oder unbewusste) Beziehungslosigkeit viel Energie kostet. Love it, change it or leave it ist zwar ein alter Hut, aber es stimmt. Ich möchte ergänzen: before you leave it, manage it. Oft ist so viel mehr möglich, als wir denken. Es muss nicht immer die Kündigung sein. Oft helfen gut vorbereitete Gespräche mit handelnden Personen, die Reflexion der eigenen Haltung oder die Akzeptanz dessen, was ist und was nicht auch schon sehr gut weiter. Meistens ist es auch so, dass es zwar Dinge gibt, die Energie ziehen oder gar Frust auslösen – gleichzeitig gibt es aber auch Dinge, die Freude machen (das hoffe ich zumindest). Oft verlieren wir dafür den Blick, wenn wir Probleme oder gar Schmerz empfinden. Es gibt also nicht die eine Antwort oder Strategie bei aufkommendem Frust am Arbeitsplatz, sondern einen systemischen und ganzheitlichen Blick auf die Situation.
Sollten auch Sie zu denjenigen gehören, die kaum noch eine emotionale Bindung zum Arbeitgeber verspüren oder gar innerlich schon gekündigt haben, machen Sie sich auf den Weg zu mehr Bewusstsein, Erkenntnis, Akzeptanz oder gar Veränderung. Für alles andere ist die vergeudete Energie zu schade. Sollten Sie (zumindest überwiegend) Freude in Ihrem Tun und ein Gefühl der Verbindung zum Arbeitgeber verspüren, schätzen Sie es – Sie gehören (zumindest laut der Studienlage) zu einer immer kleiner werdenden Minderheit. An all die Unternehmen und Organisationen da draußen: wir brauchen ein Mehr an Resonanz. Hoffen wir auf eine baldige Kehrtwende – und wir all das was nötig ist, um aktiv und passiv mehr emotionale Verbundenheit zu dem, wo wir in den Erwerbsjahren die meiste Lebenszeit verbringen, zu entwickeln.
Sören Flimm steht für mehr Resonanz in der Mensch-zu-Mensch-Beziehung. Er ist ein Experte, wenn es darum geht, Menschen zu erreichen, zu verstehen und zu bewegen. Seinen Karriereweg startete der diplomierte Betriebswirt als Führungskraft und Projektmanager in der Finanzbranche, daneben führte ihn seine Leidenschaft als Entertainer und Musicalhauptdarsteller weltweit auf Bühnen. Aus dem Zusammenspiel dieser beiden Welten versteht es der Keynote-Speaker und Trainer, Menschen wirksam und nachhaltig für zwischenmenschliche Resonanz zu inspirieren und zu gewinnen.