Das Jahr ist jung. Es ist durchaus noch die Zeit, in der wir engagiert an unseren Zielen arbeiten. Doch vielleicht hat sich ja bei Dir, wie bei mir, in einigen guten Vorsätzen schon ein gewisser Schlendrian eingeschlichen. Vermutlich wird es, wie in den letzten Jahren. Gewohnheiten setzen sich durch. Die Absichten für verändertes Verhalten verblassen. Manches schaffen wir, doch vieles bleibt irgendwie auf der Strecke. Ganz ähnlich wie bei uns Menschen, passiert das auch in Unternehmen. Sie müssen ständig hinterher sein, sonst verlaufen ihre Ziele im Sand. Aus meiner Erfahrung ist dabei ein fester Glaube genau das Problem, für dessen Lösung er sich hält.
Erst diese Woche gab ich einen Impuls, um die Betriebskatalyse vorzustellen. Also den Weg, eine Firma mit gesundem Menschenverstand zu führen. Im interaktiven Teil platzte dann bald der Klassiker aus dem Publikum heraus: „Am Ende muss es halt einen geben, der ansagt, wo es langgeht!“ Diese Aussage drückt vielleicht auch Deinen Glauben aus, um den es mir heute geht. Die Überzeugung, Vorgesetzte sind ein gutes Design, um sicher zu stellen, dass die Firma ihre Ziele erreicht. Damit ich diesem Glauben nachgehen kann, will ich drei Begriffe etwas klarer fassen.
Führung, Management & Leadership
Im angelsächsischen Kulturraum braucht es zwei Begriffe, um Führung zu füllen. Zum einen das Management. Es umfasst die Verwaltung, die Kontrolle und die Steuerung. Oder die harten Fähigkeiten. Zum anderen das Leadership. In ihm geht es um Menschliches, um Anleitung und Mitnahme. Die weichen Kompetenzen. Ich erfahre regelmäßig, dass jemand als gute Führungskraft gilt, wenn er:sie beides kombiniert. Allerdings bleibt das Problem, um das es mir heute geht, bestehen. Auch gute Führungskräfte sind gewöhnlich weisungsbefugt. Genau das ist das Problem, für dessen Lösung es sich hält.
«Leadership is the capacity to translate vision into reality»
Frei übersetzt: «Leadership ist die Fähigkeit Visionen Wirklichkeit werden zu lassen»
Amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Warren Bennis
Das klingt doch super. Geht es darum ernsthaft, ist ein System aus Führungskräften ein fragwürdiges Design, soll es gelingen. Warum? Weil es Menschen sind. Ich bin erfolgreich, wenn ich meine (persönlichen) Ziele erreiche. Ich finde die dafür nötigen Ressourcen, Wege und Kompetenzen. Die …
Principal-Agent-Theorie
… erklärt, warum unser gängiges Verständnis von Erfolg hier fehlschlägt. In der direkten Konstellation Eigentümer:in zu abhängig Mitarbeitenden kann es noch klappen. Also in kleinen Firmen. Sicher scheitert es ab der ersten eingezogenen Führungsebene dazwischen. Denn die Agenten fangen an, persönliche Ziele zu verfolgen. Dabei ziehen die Firmeninteressen regelmäßig den Kürzeren. Übrigens, je mehr Ebenen, umso häufiger. Da kannst Du so viel «inner work» angehen, wie Du willst. Es wird keinesfalls besser. Es ist wie der Wunsch, im Salzwasser eines Mangrovenwaldes, Reis anzupflanzen. Mich erinnert es an den KANNSTEMACHEN-Sticker:
„Kannste schon so machen, aber dann isses halt Kacke.“
Warum? Weil der psychologische Vertrag zwischen Angewiesenen und Anweisenden in all seinen Varianten, in einem Punkt stets gleich bleibt. Angewiesene delegieren ihre Verantwortung für’s Denken nach oben. Anweisende delegieren ihre Verantwortung für’s Umsetzen, nach unten. Das verursacht verschiedene Mechanismen:
- Leader:innen kontrollieren ständig das Verhalten ihrer Mitarbeiter:innen
- Leader:innen verfolgen persönliche Ziele anstatt die des Unternehmens
- Leader:innen entwickeln Statussymbole, mit denen sie sich von den Mitarbeitenden abgrenzen
- Mitarbeiter:innen nutzen Freiräume, um ihr (Arbeits)Leben angenehmer zu machen
- Mitarbeiter:innen rechtfertigen «Eskapaden» mit den unberechtigten Extrawürsten, die sich die Leader:innen herausnehmen
- Mitarbeiter:innen verhalten sich «dümmer» als sie sind
Sicher kannst Du die Liste noch um einige Punkte ergänzen. Doch worauf es mir ankommt, ist, was hier passiert? Ganz einfach ausgedrückt: persönliche Interessen und Ziele überlagern die Bedürfnisse und Zwecke der Firma. Wäre sie ein Mensch, der etwas im Internet sucht, bekäme sie regelmäßig die Fehlermeldung:
Error 404 – Target not found
Genau hier verlieren Unternehmen ständig Produktivität. Es ist wie ein Wasserhahn im Keller, der tropft. Das fällt kaum auf. Schließlich bekommen die Menschen doch meistens, was sie wollen. Solange, bis sie über ihre Eigeninteressen eben die Organisation buchstäblich auslaugen. Stellt sich die Frage, gibt es ein besseres Design? Ich erlebe tagtäglich: „Ja!“
Leadership-Systeme
Teal, Beta Codex, evolutionäre Firmen, Wir-Unternehmen oder #AdaptiveOrg stehen für Orgdesigns, die sich vom Glauben an «Die richtigen Führer:innen» lösen. Sie bieten Systematiken an, die Gemeinschaften aus sich heraus organisieren. Ein Weg, wie das nachweislich gelingt, beschreibe ich in diesem Lichtblick. So verstanden sind die Ziele der Firma tatsächlich die Leitsterne der Navigation durch stürmische und flaue Zeiten. Doch dann ändert sich einiges:
- Ziele müssen sich flexibel den Umwelten anpassen anstatt den Glaubenssätzen von führenden Menschen im Betrieb
- Ob sie erreicht werden, wird außerhalb der Firma beurteilt – sozusagen durch neutrale Dritte
- Persönliche Ziele zu erreichen ist wertvoll, wenn die Gemeinschaft davon profitiert
Der Lohn? Eine Firma, die in widrigsten Bedingungen im Spiel bleibt. Mit Freude und Erfolg. Denn gerade in Krisen zeigen wir Menschen, was wir wirklich drauf haben. Grundlegend anders zu Arbeiten ist kein Sahnehäubchen in Erfolgszeiten. Es ist eine, wenn nicht die Chance, die Kurve noch zu bekommen.
Gebhard Borck ist der Transformations-Katalysator. Mit seinen aus der Praxis erprobten Denkwerkzeugen löst er konkrete, drängende Probleme. Und Borck ist mehr als ein Berater: Anstatt Luftschlösser zu bauen, deckt er auf, spricht Tacheles. Er ist Speaker, Bestsellerautor, Sparringpartner und gilt als Erfinder echter Fairness in der Wirtschaft.