Die sieben echten Resilienzfaktoren – Realistischer Optimismus (Teil V)

Wer mit Menschen aus den USA zu tun hat wir den Begriff Optimismus in einem völlig anderen Licht sehen. Obamas “Yes, we can!” ist Sinnbild dieses Optimismus – der wohl nirgendwo auf der Welt so stark und offen gelebt wird wie in den USA. Doch dieser allzu unerschütterlicher Optimismus ist nicht weniger gefährlich als sein Gegenteil. Wieviel Optimismus uns gut tut erklärt Dr. Denis Mourlane …

Die Wendung »Yes, we can!« hat Barack Obama vor allem auch deshalb zum Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2007 verholfen, weil Optimismus als grundlegende Haltung zum Leben nirgendwo so stark gelebt und offen gezeigt wird wie in den USA. Vielleicht waren es ja vor allem Optimisten, die vor Jahrhunderten aus Europa aufbrachen, um ihr Glück auf diesem Kontinent zu finden, und vielleicht ist dieser Optimismus genau dadurch so tief in die amerikanische Kultur hineingetragen worden. Vielleicht ist dieser Optimismus auch dafür verantwortlich, dass sich das Land zu der größten Wirtschaftsmacht der Welt entwickelt hat. Vielleicht ist er aber ebenso dafür verantwortlich, dass das Land Fehlentwicklungen zu spät erkannt hat und sich seit Jahren von der größten Wirtschaftsmacht der Welt langsam zu einem Entwicklungsland mit stets steigender Armut zurückentwickelt.

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Vielleicht ist es andererseits die bei uns viel bestimmendere Grundhaltung zum Pessimismus, die dazu führt, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben und vorsichtig wirtschaften. Vielleicht führt dieser Pessimismus aber zu unserem eigenen Nachteil auch dazu, dass wir Chancen zwar erkennen, diese aber aus zu großer Vorsicht nicht konsequent genug ergreifen. Vielleicht könnten wir mit ein wenig mehr realistischem Optimismus statt einem realistischen Pessimismus deutlich erfolgreicher und vor allem glücklicher sein. Dies ist und wird auch in Zukunft schwer zu belegen sein, denn Dinge, die wir nicht getan haben, oder Wege, die wir nicht gegangen sind, existieren eben auch nicht. Die Frage »Was wäre gewesen, wenn …« ist nicht zu beantworten und man bleibt in jedem Fall im Bereich der Vermutungen.

Wenn wir, und ich meine hier ausdrücklich uns und unsere amerikanischen Partner, von Optimismus sprechen, meinen wir immer »realistischen Optimismus«. Dieser Begriff beschreibt den hoch resilienten Menschen innewohnenden Glauben beziehungsweise dessen Haltung, dass sich Dinge zum Positiven wenden werden.

Nach dem Regen kommt also der Sonnenschein. Was Optimismus und realistischen Optimismus voneinander unterscheidet, ist, dass der letztgenannte immer auf den tatsächlichen Umständen basiert, also der Realität ehrlich ins Auge geschaut wird. Nehmen wir also beispielsweise an, dass Ihnen Ihr Arzt eine Krankheit diagnostiziert, die zwar nicht lebensbedrohlich ist, aber dazu führen wird, dass Sie bis zum Ende Ihres Lebens täglich Medikamente nehmen müssen. Ein realistischer Optimist wird auf dieser Basis zu sich sagen, dass es zwar schade ist, aber dass er trotzdem ein glückliches Leben führen kann, während der Optimist auf der Basis sagen wird, dass dies die größte Chance seines Lebens ist und er nun erst richtig glücklich werden wird. Dies muss nicht, kann aber völlig überzogen sein.

Wie bei keinem anderen Resilienzfaktor ist also beim Optimismus Vorsicht geboten und dies hat zwei Gründe. Sie sollten Ihren Optimismus einerseits nicht bis zum Maximum treiben, um Situationen weiterhin realistisch einschätzen zu können. Andererseits ist er der einzige Faktor, der auch immer in Zusammenhang mit der Tätigkeit, die Sie ausüben und eventuell lieben, gesehen werden muss. Wem würden Sie lieber die Verantwortung für ein Atomkraftwerk übertragen: einem realistischen Pessimisten oder einem realistischen Optimisten? Wen würden Sie eher als Controller in Ihrem Unternehmen einstellen: einen realistischen Pessimisten oder einen realistischen Optimisten?

Die psychologische Forschung gibt uns eindeutige Hinweise darauf, dass Optimisten tatsächlich erfolgreicher und glücklicher als andere Menschen sind, und dies wird auch deutlich, wenn man sich folgendes Beispiel vor Augen führt: Sie haben ein eigenes Unternehmen und vor ein paar Wochen kam Ihnen unter der Dusche eine, aus Ihrer Sicht, geniale neue Produktidee. Sie haben selber keine Zeit, sie umzusetzen, und überlegen daher, welchem Mitarbeiter in Ihrem Team Sie diese Aufgabe übertragen werden. Sie haben zwei ganz ausgezeichnete und qualifizierte Mitarbeiter, denen Sie dies zutrauen, und entscheiden sich, Einzelgespräche mit ihnen zu führen. Mitarbeiter A hört sich Ihre Idee an und weist Sie im Laufe des Gespräches bis ins letzte Detail auf die Dinge hin, aufgrund derer das alles nicht klappen könnte. Sie können ja nicht wissen, dass er in Wirklichkeit eine riesengroße Lust hat, das Projekt umzusetzen. Mitarbeiter B hat genau die gleiche Lust darauf, weist Sie auch an der einen oder anderen Stelle auf Risiken hin, aber schildert im gleichen Atemzug, wie man diese relativ problemlos lösen kann. Er ergänzt Ihre Idee sogar noch, findet noch weitere Ideen und das Gespräch dauert statt einer ganze zwei Stunden. Wem werden Sie das Projekt übergeben?

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