Die neue Schlagfertigkeit – Das Prinzip Übertreibung

Je grotesker eine Übertreibung, desto komischer. Ist dies etwa erstrebenswert? Und müssen Sie sich damit gleich zum Hampelmann machen? Oder geht es auch anders? Der Dipl. Psychologe Valentin Nowotny zeigt Ihnen acht Prinzipien der neuen Schlagfertigkeit, mit denen Sie schnell, überraschend und sympathisch zum Ziel kommen. Heute: Das Prinzip Übertreibung

„… im nächsten Tunnel Selbstmord begehen“

Das Stilmittel der Übertreibung ist aus der modernen Schlagfertigkeit nicht mehr wegzudenken. Und mit dem Prinzip der Übertreibung erreichen Sie ungeahnte Effekte. Satire zum Beispiel bedient sich ebenfalls der Übertreibung, wie im Brockhaus nachzulesen ist, will so noch treffender, noch zielgenauer sein. Allerdings, wer die Übertreibung übertreibt, der verliert häufig die gewünschte Wirkung!

Beispiel: Von dem österreichischen Journalisten und Schriftsteller Alfred Polgar ist die folgende Episode überliefert, welche das Prinzip der Übertreibung geradezu Bilderbuchartig zeigt. Dieser stieg in ein Eisenbahnabteil, in dem schon eine Dame mit ihrem fünfjährigen Töchterchen saß. Da die Dame gern allein geblieben wäre sagt sie: „Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass mein Kind Scharlach hat.“ – „Ach, das macht fast gar nichts“, antwortete Polgar, „ich wollte sowieso im nächsten Tunnel Selbstmord begehen.“

Lachen reduziert Stresshormone

Inzwischen ist es allgemein bekannt, dass Lachen in der Lage ist, Stresshormone zu reduzierten. Das Psychologen- Team um Lee Berk legte jetzt entsprechende Studienergebnisse vor. Diese zeigen, dass herzhaftes Gelächter Stresshormone erheblich abbaut. Lachen kurbelt die Ausschüttung von gesundheitsförderlichen Hormonen an. Insgesamt maßen die Wissenschaftler die Stresshormonspiegel von 16 gesunden jungen Männern, die zuvor gefastet hatten. Der Hälfte von ihnen servierten die Forscher zur Stimulation der Lachmuskeln ein witziges Video. Dabei zapften sie ihnen während und zweimal nach der Vorführung Blut ab. Die übrigen Probanden dienten als Kontrollgruppe und hatten nichts zu lachen. Das Ergebnis: Aufgrund der Heiterkeit sanken die Werte der Stresshormone Cortisol um 38 Prozent, die von Adrenalin sogar um 70 Prozent.

Die klarste und im Grunde auch am einfachsten anzuwendende „Humortechnik“ ist die Überhöhung. Wir können auch von einer absurden Überhöhung oder einem bewussten Übertreiben sprechen. Im Grunde ist dies auch das Prinzip von „Dick und Doof“, ja genau, diese kleinen Filmchen mit Stan Laurel und Oliver Hardy, über die Sie als Kind vermutlich auch schallend gelacht haben! Das Duo drehte insgesamt mehr als 100 Filme und sie gelten als eines der berühmtesten und erfolgreichsten Film-Duos aller Zeiten. Die dominierenden Stilmittel zur Erzeugung von Komik sind vor allem das Scheitern an zumeist lösbaren Aufgaben als auch die physische Zerstörung von Inventar, gerne auch in Kombination.  Solche Überhöhungen und Zuspitzungen verbunden mit Running Gags wie das brennende Hinterteil von Oliver Hardy, verwechselte oder falsche Hüte, Wasser in allen erdenklichen unglücklichen Konstellationen und der gleichzeitig „majestätisch-überlegenen Attitüde“, welche Hardy oftmals an den Tag legt, führt zu einer bis heute unübertroffenen Slapstick-Komik, welche von dem Prinzip der Übertreibungen lebt.

Grotesk und bizarr? Ja, denn so können Sie sich von der Sinnsucher-Automatik lösen, die unser aller Hirne ein ganzes Stück ausmacht. Und da ist auch der Schlüssel für das Verständnis des Prinzips Übertreibung: Verzichten Sie auf Logik und Vernunft und donnern Sie den Ball einfach mal ins Nirwana!

Aber wie machen Sie das genau? Übertreiben können Sie nicht nur den Sinnzusammenhang oder die unterstellte Kausalität, benutzen Sie auch übertriebene Formulierungen, machen sie übertriebene Pausen oder übertreiben Sie emotionale Reaktionen wie zum Beispiel Empörung oder Freude. Je irritierender sie werden, desto wirksamerer sind Sie mit Ihrer Strategie! Allerdings immer nur dann, wenn Sie auch eine würdevolle und respektvolle Haltung an den Tag legen.

Das Mittel der Übertreibung nutzen

Wie können Sie das Mittel der Übertreibung für sich nutzen und was können Sie mache, wenn andere Übertreibungen in Ihrer Kommunikation einsetzen. Techniken der Wahl sind hier: die Ja-Genau-Technik, Zitate einflechten, die Danke, gleichfalls-Technik, Ambivalenzen stehen lassen und die Positiv-Negativ-Komisch-Technik.

 

  1. Sie-haben-völlig-recht-Technik
    Eine beliebte Schlagfertigkeits-Technik, wir könnten auch von der „SivR“-Technik sprechen, das steht für: „Sie haben völlig Recht“. Aber dabei muss es nicht bleiben, Sie können bei dieser Technik den Vorwurf sogar ins Maßlose übertreiben! Durch die umfassende Zustimmung hebt die Übertreibung in der Regel die Stimmung deutlich an, ohne dass der andere dabei sein Gesicht verliert …
  2. Mehr-noch-Technik
    Hier überraschen Sie zunächst ebenfalls Ihren Angreifer und geben ihm Recht. Allein das macht das Gegenüber schon manchmal sprachlos. Dann gehen Sie jedoch noch einen Schritt weiter und überziehen den Vorwurf in dem Sie stark übertreiben. Aus einem „Sie sind so unordentlich!“ machen Sie „Nein, richtig schlampig!“ …
  3. Die Komplimente-Technik
    Geben Sie Ihrem Gegenüber scheinbar das Recht Sie zu kritisieren, indem Sie auf seine Überlegenheit Ihnen gegenüber hinweisen. Das kann mehr oder weniger ironisch geschehen. Ein charmantes Kompliment ist ja so schon ein geglückter Seiltanz zwischen Wahrheit und Übertreibung. Dieses Verhältnis gilt es nun bei dieser Technik noch weiter in Richtung Übertreibung zu verschieben …
  4. Zustimmung mit feiner Ironie
    Auch bei dieser Technik, der Zustimmung mit feiner Ironie, ist Übertreibung angesagt. Aber bitte mit Augenmaß. Grundsätzlich geben Sie dem Stichwortgeber auch hier Recht, fügen jedoch einen relativierenden Nachsatz hinzu. Und machen Sie durch Gestik und Mimik deutlich, dass Sie dies nicht ohne Humor vorstanden wissen wollen, um im Sinne der neuen Schlagfertigkeit zu agieren …
  5. Die absurde Alternative
    Die absurde Alternative ist eine Technik, mit der Sie stets das letzte Wort haben: in allem Negativen findet sich noch etwas, was Sie als alternativen Vorteil herausstellen können. Das verbreitet auch in deutlich aggressiv aufgeladenen Situationen gute Laune, außerdem zeigen Sie sich hier als unerschütterlicher Optimist, den so leicht nichts aus der Ruhe bringt …

 

 

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