Die Macht der Emotionen – mit Sog statt mit Druck verkaufen

Marketing heißt: Menschen glücklich machen. Um Menschen glücklich zu machen, muss man sich in ihre Lage versetzen können (= Empathie), sie kennen und verstehen lernen, ihre Emotionen geradezu antizipieren. Nur leider: Im ‚Menschenverstehen‘ sind wir alle mehr oder weniger Laien, das haben wir nicht auf der Schule, nicht in der Lehre und nicht an der Uni gelernt. Das stand auf keinem Lehrplan. Das ist schwer, andererseits aber auch verblüffend einfach, wenn wir drei Regeln beherzigen …

  1. Die Menschen suchen aktiv nach guten (weil von Glückshormonen belohnten) Gefühlen.
  2. Die Menschen meiden aktiv negative (weil von Stresshormonen begleitete) Gefühle.
  3. Emotionales wird besser gespeichert und damit nachhaltiger verankert, als Rationales.

Positive Gefühle sagen uns, was wir tun, und negative Gefühle, was wir besser lassen sollten. Freude tut uns gut. So hat die Evolution es eingerichtet, dass der Mensch ständig auf der Suche nach guten Gefühlen ist. Unsere Emotionen werden vorwiegend vom limbischen System her gesteuert. Dieses liegt in tieferen, älteren Regionen unseres Gehirns, dort, wo auch die urzeitlichen Triebe und Instinkte wabern. Unser Denkhirn lernt schnell, vergisst aber auch leicht, was nicht ständig trainiert wird. Das limbische System dagegen lernt langsamer, vergisst aber nicht so schnell. Ein guter Grund, stärker auf Emotionen zu setzen. Ein emotionales Argument behält man leichter als ein rationales.

Ein Verkäufer muss heute Wünsche wecken können, danach trachten, einen Sog (= Pull-Selling) zu erzeugen. Und weil er seinen Kunden nicht hinter die Stirn schauen kann, wird er sie ständig befragen: „Wie können wir, lieber Kunde, Dein Leben angenehmer und bequemer machen, wie sollen wir die Dinge gestalten, damit sie für Dich einfacher und vor allem schneller funktionieren?“ Der Kunde muss Ihr Angebot unbedingt haben wollen, es muss Begierde auslösen, es muss ihn wie magisch anziehen. Er muss quasi zu Ihnen pilgern. „Wäre es nicht toll, … zu besitzen, weil…“, sagt der Verkäufer. Der Kunde fragt neugierig nach Details und findet ihn irgendwie sehr sympathisch. Denn wir ‚kaufen‘ ja nicht nur das Produkt und das dazugehörige Unternehmen, sondern immer auch den Verkäufer. Wir mögen Menschen, die uns mögen.

Wenn ich beispielsweise in München einen Audi kaufen will, dann kann ich zwischen 20 MAHAG-Händlern wählen – und alle machen mir, wenn ich nachhake, das gleiche Angebot. Da entscheide ich mich doch für den, bei dem ich mich am besten aufgehoben fühle, weil er mich nicht nur fachlich gut berät, sondern auch emotional versteht. Wer mich sympathisch findet, von dem kaufe ich gern!

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Wie in früheren Zeiten Druck auf den Kunden zu machen (= Push-Selling) wird immer ineffizienter. Die alten Haudegen, die mit Brachialgewalt ihre auswendig gelernten Verkaufsgespräche durchboxen („Schau‘n Sie mal … mein tolles Produkt …1. Vorteil, 2. Vorteil, 3. Vorteil … hier unterschreiben … Glückwunsch zum 10-Jahres-Vertrag!“), werden bei den Leuten durchfallen. Und Trainer, die immer noch oder gerade wieder die miesen kleinen Tricks des Druckverkaufs trainieren, die sollten endlich ausgemustert werden. Denn von aufgeklärten Verbrauchern wird Druckverkauf schon längst als solcher entlarvt. Und wer sich über den sprichwörtlichen Tisch gezogen fühlt, der wird sich früher oder später immer rächen, vor allem mit schlechter Mundpropaganda. Dies ist vielleicht gerade noch rechtzeitig eine Erkenntnis für alle, die immer noch glauben, dass ‚hard selling‘ in unsere Zeit und die Zukunft passt.

Sogverkauf setzt Kundennähe voraus. „Wer beispielsweise ein Duschgel baut und seine Kunden wirklich verstehen will, der muss zu ihnen unter die Dusche gehen“, sagte mir dazu kürzlich der Produktmanager eines Lebensmittel-Riesen. Von Michael Dell, dem Gründer und Chef des Online-Computeranbieters Dell wird erzählt, dass er sich im Internet-Chat mit seinen Kunden oft als einfacher Mitarbeiter ausgibt, um unverfälschte Meinungen zu bekommen. Und von Rich Teerlink, Harley Davidson CEO (Chief Executive Officer) von 1989 bis 1997, weiß man, dass er bei Harley-Owners-Treffen den Bikern Würstchen grillte und die Maschinen polierte, um hautnah soviel wie möglich über sie zu erfahren. Ich kenne dagegen eine ganze Reihe von Top-Managern, die heilfroh sind, seit ihrer Beförderung nun endlich nichts mehr mit dem Mitarbeiter-Fußvolk und renitenten Kunden zu tun zu haben. Und ich kenne Vertriebsleiter, die man eigentlich nur als Vertriebsverwalter bezeichnen kann. Sie haben noch nie selbst verkauft.

‚Meet-the-Customer’ sollte ein Pflichtprogramm für jede Führungskraft sein. Denn wer seinen Kunden nahe ist, kann sehr, sehr viel über sie wissen, wobei gerade die emotionalen Bande oft erfolgsentscheidend sind. Machen Sie es sich und Ihrem Team zur Aufgabe, bei jedem Kundenkontakt systematisch ein weiteres (emotionales) Wissensdetail herauszufinden, das Ihnen bislang fehlte. Emotionen managen, das ist eine der anspruchvollsten Aufgabe eines Vertriebsmitarbeiters. Sein größtes Hindernis ist eine vom Controller verordnete ‚Optimierung der Verkaufsprozesse‘, die Zeit für Gefühle als unnötig wegrationalisiert. Wer als Kunde allerdings ‚seinem‘ Verkäufer emotional und dauerhaft verbunden ist, der wird diese Loyalität auch auf das Produkt übertragen.

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