Der Zeitfaktor

»Zeit ist Geld«, heißt es immer wieder. Doch während man über Geld noch mit der Bank reden kann, fehlt einem für den verpassten Moment meistens der Ansprechpartner. Der Zeitstrahl ist in unserem Denken und Empfinden eine Einbahnstraße: Es gibt keinen Weg zurück. Deshalb ist er auch in Verhandlungen ein bedeutendes strategisches Element. Verhandler wissen das. Christoph Krüger und Peter Kensok beschreiben, dass der Faktor Zeit trotzdem unterschätzt wird.

Der richtige Umgang mit der Zeit kann am Verhandlungstisch Freiräume schaffen oder Druck erzeugen. Aber Zeit bedeutet in Verhandlungen noch mehr und spielt schon bei der Verhandlungsvorbereitung eine große Rolle.

Angenommen Sie planen eine Anschaffung wie den Kauf eines Autos. Nur noch Kleinigkeiten trennen Sie vom Abschluss. Der Verkäufer hat Ihnen bereits deutlich signalisiert, dass bei den Konditionen für ihn »das Ende der Fahnenstange« erreicht ist. Sie möchten jedoch, dass Ihnen das Fahrzeug nach Hause geliefert und die Händlergarantie kostenlos um zwölf Monate verlängert wird. Was macht Sie in dieser Situation erfolgreich?

Mit guten inhaltlichen Argumenten, warum Ihnen gerade diese beiden Punkte so wichtig sind, werden Sie den Verkäufer nicht mehr erreichen. Eher noch setzen Sie ihn mit einem Vergleichsangebot unter Druck. Am erfolgreichsten macht Sie in solchen Verhandlungssituationen jedoch der Faktor Zeit.

Waren Sie bereits zu mehreren ausgiebigen Informationsgesprächen und auch zu 2 konkreten Verhandlungen – bei dem Selben! Verkäufer – in diesem Autohaus, so hat Ihr Verhandlungspartner bereits enorm in Sie und in den möglichen Abschluss investiert. Und diese »Investition« soll sich schließlich für den Verkäufer und das Autohaus auszahlen, und das stärkt Ihre Position als Käufers erheblich.

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Wenn Sie als Käufer über den Faktor Zeit Geld verdienen möchten, muss Ihnen dieser Aufwand die Sache wert sein. Schließlich gilt »Zeit ist Geld« auch für Sie, es sei denn, Sie verhandeln nur zum Vergnügen im Gegensatz zum Verkäufer, der damit seinen Unterhalt verdient. Würden Sie bei ihm gleich in der ersten Verhandlungsrunde mit Ihren Erwartungen durch die offene Tür ins Haus fallen, müssten Sie eine Ablehnung im wahrsten Sinne des Wortes »in Kauf nehmen«.

Wechseln wir zu der Perspektive des Verkäufers. Sie sind Immobilienmakler und wollen ein Haus an den Mann oder die Frau bringen. Ein Kunde ist offensichtlich interessiert, zögert aber noch. Schließlich will das Eigenheim für seinen Lebensabend gut überlegt sein. Ihr Interessent schiebt seine Entscheidung hinaus, indem er immer wieder neue Bedenken äußert.

Wann steuern Sie im Gespräch mit diesem Kunden auf die Kaufentscheidung zu? Je früher Sie den Kunden jetzt zu einer Entscheidung drängen, umso leichter wird es ihm fallen, Ihnen abzusagen. Selbstverständlich wollen Sie nicht bei Ihrem Verhandlungspartner den Eindruck erwecken, er könne sich um eine Entscheidung drücken und dadurch alle Optionen dauerhaft behalten.

Geben Sie ihm deshalb genau den Zeitrahmen, den Sie für angemessen, weil nützlich, halten, um den Wert des Verhandlungsgegenstandes für ihn zu steigern und setzen Sie Ihm dann einen Zeitrahmen, um ihn So erleichtern sie ihm sein Ja. Ein klares Nein innerhalb dieses Zeitrahmens bedeutet, dass Sie das Objekt wieder neu anbieten können. Klarheit schafft Kraft!

Ein klarer Zeitrahmen beeinflusst immer unsere Problemlösungsstrategien – nicht nur in Verhandlungen. Wenn Sie heute Ihre Traumreise unter der Bedingung gewinnen, dass Sie Morgen früh am Flughafen einchecken müssen, dann werden Sie sehr schnelle Entscheidungen für das Wesentliche treffen und »verhandeln« höchst effektiv mit sich selbst. Wahrscheinlich wird es Ihnen erst in Ihrem Premium-Klasse-Sitze nach Tahiti einfallen, dass Sie vergessen haben, die Zeitung abzubestellen. Aber der überquellende Briefkasten wird Ihnen bei dem Gegenwert des Reisevergnügens ziemlich egal sein.

Selbst für einen Coach, der eher um persönliche Themen seines Klienten »verhandelt«, kann Zeit eine entscheidend problemlösende Rolle spielen. Sie spüren, dass der Klient unbedingt ein Ergebnis mit nach Hause nehmen möchte und haben den Eindruck, dass er sich die ersten 50 Minuten der Sitzung um das eigentliche Thema gedrückt hat.

Sie können direkt auf die Uhr verweisen und die Frage stellen, ob das Thema, dass es noch und eigentlich zu besprechen gilt, in der verbleibenden Zeit gelöst werden kann. Schließlich haben Sie heute Morgen eine Traumreise nach Tahiti gewonnen, müssen Morgen früh am Flughafen sein und kommen erst in drei Wochen zurück.

Auf diese Weise entsteht im Klienten selbst ein »Verhandlungsdruck«. Er wird sein eigentliches Thema sehr wahrscheinlich entweder ertragen können und damit neu gewichten. Das kann bereits ein therapeutischer Effekt sein. Oder aber Sie kommen in der verbleibenden Zeit tatsächlich gemeinsam zu einer Lösung.

Der Wert des Faktors Zeit ist in jeder Verhandlung wichtig, beim Autokauf wie bei Immobilien und beim Kauf von Modulen für die industrielle Produktionen. Das gilt für Verkäufer und (!) Einkäufer, selbst bei Bewerbungsgesprächen, die im Grunde nichts anderes sind als sehr spezielle Verhandlungen können Sie Ihren Wert dadurch steigern, dass Ihr Gegenüber in Sie investiert.

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