Die Talkshow am Verhandlungstisch

Stellen Sie sich vor: Günter Jauch begrüßt seine Gäste mit “Haben Sie gut hierher gefunden?” Einen verdammt plumper Einstieg und dennoch weit verbreitet. Zwar nicht bei Talkmastern – aber in deutschen Firmen. Denn fast jedes Geschäftstreffen beginnt mit dieser plumpen Begrüßung. Christoph Krüger zeigt Ihnen, wie sie in allen Phasen einer Verhandlung locker smalltalken.

Die häufig gestellten Eingangsfragen »Wie haben Sie hergefunden?« oder »Haben Sie gut hergefunden?« sollten unsere Verhandlungspartner am besten mit Nein beantworten, um uns eine Lektion zu erteilen. Einen schwächeren Einstieg gibt es kaum. Zum einen ist unser Gegenüber ja da. Und sollte er tatsächlich Schwierigkeiten mit der Anreise gehabt haben, dann würden wir ihn mit solch einer Frage in genau den Problemmodus schicken, den wir vermeiden wollen.

Ein herzliches »Willkommen!« ist grundsätzlich die bessere Wahl, auch wenn uns für unsere weitere Strategie zusätzliche, für den anderen vor allem unangenehme Informationen wegen eines verspäteten Herflugs, dreißig Kilometer Stau oder des fehlenden Parkplatzes entgehen. Aber ist das wirklich wichtig?

Fragen nach dem gar zu Naheliegenden in der Begrüßungsphase sind für einen neuen Verhandler ausgeschlossen. Sie zeigen kein wirkliches Interesse am Gegenüber und sind bestenfalls flache Konversation, das, was man erwartet und das der Vorgabe entspricht, ohne dass man es wirklich meinen muss. Den anderen abzuholen bedeutet gerade am Anfang mehr, als sich über Pannen auszutauschen, die längst versorgt sind.

Was können wir also tun, statt in die Falle Banales oder in Fehler wie im Beispiel mit Friedrich Nowottny und Willy Brandt zu verfallen?

Wie wäre es zum Beispiel mit einem Small Talk, der unser Gegenüber und auch uns ganz bewusst positiv auflädt?

Viele Verhandler haben »null Bock« auf Small Talk und ver(sch)wenden keine Zeit darauf, ein Talkshow-Master zu werden. Sie stecken weit über 80 Prozent ihrer Energie in den schnellen Abschluss, der tatsächlich aber nur den Schlussakkord eines abendfüllenden Konzerts ausmacht. Unsere Energie sollte also vor allem dem Aufwand bis zum eigentlichen Abschluss vorbehalten sein, und der Small Talk gehört ganz einfach dazu.

Zu »small« darf er allerdings nicht sein. Niveau ist nicht verboten, sondern ausdrücklich erwünscht. Deshalb ist es eine gute Investition, für eine zweistündige Verhandlung mindestens eine Viertelstunde einzuplanen, in der wir den Verhandlungspartner »abholen«. Eine gute Atmosphäre bei einer Verhandlung bringt diese Investition schnell wieder herein.

Wie kommen wir auf niveauvolle Themen, die eben nicht oberflächlich, sondern für den anderen sogar positiv besetzt sind und die gleichzeitig auch uns ernsthaft interessieren?

Zunächst geht es nicht darum, unserem Verhandlungspartner etwas vorzuspielen. Wir müssen keine Lebensgemeinschaft mit ihm gründen wollen; das erwartet er nicht. Aber neue Verhandler finden heraus, was ihren aktuellen Verhandlungspartner so unglaublich interessant für sie macht, dass er möglicherweise die einzige Quelle im gesamten Universum ist, die ihre Neugier zu was auch immer stillen kann. Und wenn Sie als neuer Verhandler diese Quelle nicht hier und auf der Stelle anzapfen, wird sie ein für alle Mal versiegt sein, und Sie werden auf ewig durstig bleiben. Nicht mehr und nicht weniger!

Das ist die richtige Energie für guten Small Talk. Ihre Fragen werden niveauvoller, wenn Ihr Verhandlungspartner in dieser Phase so etwas wie der wichtigste Mensch in Ihrem Leben ist. Und genau das spürt er auch. Auch Sie selbst werden schon deshalb mehr Freude an der Vorbereitung Ihrer Verhandlung haben. Neue Verhandler wissen, dass es immer um mehr geht als den tatsächlichen Verhandlungsgegenstand, nämlich um die Gelegenheit, dem Gegenüber Wertschätzung entgegenzubringen. Das schließt dessen Lebensleistung über die Verhandlung hinaus ein.

Damit sind die Themen für ihren Small Talk, der zum Big Talk werden wird, unbegrenzt. Sprechen Sie beispielsweise mit jemandem über sein Hobby. Oder je nach Jahreszeit: Was ist toll am Urlaub im türkischen Antalya, auf Borkum oder im Schrebergarten Stuttgart Ost? Ihr Ziel sind positiv besetzte Eröffnungsthemen: Rotwein-Dateien, die sie selbst ebenfalls gerne öffnen.

Hat Ihnen bereits die Sekretärin mitgeteilt, dass das Unternehmen eine Urlaubssperre für Juni bis Dezember verordnet hat, dann wird es schwierig sein, den Urlaub als Thema positiv zu besetzen. Außer vielleicht, Sie haben es mit einem entsprechend getakteten Geschäftsinhaber zu tun. Ist Ihr Gegenüber ein begeisterter Taucher mit zwei Wochen Urlaub im Anschluss an Ihre Verhandlung, dann wird er sehr wahrscheinlich gerne über dieses Thema sprechen. Zumindest können Sie herausfinden, was Sie als passionierter Bergsteiger tun müssten, um vom Tauchen genauso begeistert zu sein wie er. Was gibt es dabei zu sehen, zu hören und zu fühlen? Solche Fragen sind ein großartiger Kompass für den Zugang zur Erlebniswelt des anderen, in der dieser sich ganz besonders zuhause fühlt.

Unsere Seminarteilnehmer entdecken in jedem unserer Trainings spannende Themen beim anderen, sobald sie sich erst einmal die Erlaubnis zu dieser Neugier gegeben haben. Viele sind erstaunt, wie leicht es fällt, die Erlebnisinhalte ihrer Gesprächspartner mitzuerleben, wenn dieser darüber berichtet, als ginge es um alles statt um nichts. Manche entdecken dadurch ein neues Hobby für sich selbst, tauschen anschließend Tipps für den »ultimativen« Tauchklub irgendwo auf diesem Planeten aus. Nichts ist unmöglich. Wenn Sie sich wirklich für diesen Teil seines Lebens interessieren, fühlt sich Ihr Gesprächspartner wertgeschätzt und meldet das auch entsprechend zurück.

Was aber, wenn jemand dieses Gespräch als pure Methode empfindet? Ist es überhaupt in Ordnung, als neuer Verhandler mit diesem Wissen einen Laien um den Finger zu wickeln?

Zunächst einmal sollte kein (!) Gespräch nur Methode sein. Langfristig wird jedes oberflächliche Geplänkel und jede Überheblichkeit durchschaut und massiv auf Sie zurückfallen. Beschränken Sie sich also bei Ihren Vorbereitungen auf Themen, bei denen Sie selbst »brennen«. Sie können davon ausgehen, dass solch eine Liste immer länger werden wird. Sie werden sie lieben lernen!

Bei Ihrer Suche nach Themen hilft die Frage: »Angenommen, es gäbe etwas, was mich an dem anderen interessiert, was könnte das am ehesten sein?« Der nächste Schritt findet dann im Gespräch mit dem realen Gegenüber statt. Hier hilft als Grundeinstellung die Bereitschaft, sich vom anderen als Fachmann seines Herzensthemas führen zu lassen. Von da an ist das professionelle Niveau für den anderen nicht mehr spürbar. Sollte es zuvor so gewesen sein, dann spielt es jetzt keine Rolle mehr, denn es unterhalten sich zwei ganz normale Menschen wie du und ich.

Wir wiederholen an dieser Stelle, dass der neue Verhandler sich vom alten Verhandler dadurch unterscheidet, dass er auf die Gestaltung der Beziehungsebene besonderen Wert legt. Manchmal sagen Novizen des neuen Verhandelns in unseren Trainings zu den Small Talk-Sequenzen, es sei Ihnen nie zuvor so leichtgefallen, Begeisterung zu wecken und zu teilen. Das hätte Spaß gemacht, aber …

Dann folgen Ausführungen darüber, dass sie ihre Gesprächspartner manipuliert hätten. Freiwillig hätten sie ihnen auf diese Weise doch nicht an ihrem Leben teilnehmen lassen. Das stimmt – und es stimmt auch wieder nicht:

  1. Paul Watzlawick (1921 – 2007), Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Soziologe, Philosoph und Autor hat in seinem berühmten ersten Grundsatz der Kommunikation klargestellt: »Man kann nicht nicht kommunizieren!«
  2. Wer kommuniziert, nimmt auch Einfluss.
  3. Verbinden wir diese Erkenntnisse, so folgt daraus: Es ist unmöglich, nicht zu beeinflussen.

Wenn wir nicht beeinflussen wollen, dann sollten wir keine Verhandler sein, denn genau dafür werden wir bezahlt. Wenn wir aber Einfluss nehmen, sollten wir dies bewusst und auf eine positive Art tun. Das schließt eine gründliche Vorbereitung auch der Gespräche über den Verhandlungsgegenstand hinaus ein. Leider ist das nicht der Normalfall: Viele Verhandler der alten Schule berufen sich auf ihre Routine, sie gehen deshalb vergleichsweise unvorbereitet in eine Verhandlung und torpedieren damit ihren eigenen Verhandlungserfolg.

Tipp: Small Talk will gelernt sein

  1. Üben Sie Small Talk zunächst im engeren Bekanntenkreis.
  2. Erweitern Sie Ihr Übungsfeld auf Partys mit Leuten, die Sie noch nicht kennen.
  3. Nutzen Sie (Seminar-)Pausen für Small Talk.

Sie werden in jedem Bereich gewiss jemanden finden, der oder die Sie am meisten interessiert. Angenommen, es wäre so …

Teilen

Dieser Artikel kann nicht kommentiert werden.