Der Mensch ist keine Maschine

Insbesondere die Entwicklung einer stark karriere-orientierten Leistungsgesellschaft bringt Risiken für unsere Gesundheit mit sich. Da ist eine echte Krise manchmal sogar ein willkommener Weckruf – da es im Leben auch mal weh tun muss.

„Insbesondere die Entwicklung einer stark Karriere-orientierten Leistungsgesellschaft bringt Risiken für unsere Gesundheit mit sich. Da ist eine echte Krise manchmal sogar ein willkommener Weckruf – da es im Leben auch mal weh tuen muss.“ Aufgaben in kürzerer Zeit oder einfach mehr schaffen, jedes Hilfsmittel um die eigene Effizienz zu steigern ist willkommen, oder? Selbstoptimierung und der Drang „besser“ werden zu wollen ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Gleichzeitig werden die Zahlen von psychisch bedingten Erkrankungen immer mehr. Ist dies ein Zufall? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Krankheiten und dem stetig steigenden Leistungsanspruch, welchen wir uns auferlegen? In seinem neuen Buch mit dem provokanten Titel „Zu blöd zum Leben – Gesundheit geht anders“, illustriert Frédéric Letzner mit einleuchtenden Zusammenhängen auf unterhaltende Weise, wie der Mensch tickt. Einfache Beispiele aus der Ernährungs- und Gesundheitspsychologie verdeutlichen, warum wir das Thema „Gesundheit“ immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten dürfen.

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Schneller, höher, Bullshit: Wer schneller lebt ist früher tot.

Gerade in Deutschland respektieren wir Eigenschaften wie Disziplin, Wille und Durchhaltevermögen und schreiben sie einer starken Persönlichkeit zu. Stark ist, wer niemals aufgibt und zu Ende bringt, was er angefangen hat – koste es was es wolle. Selbst die eigene Gesundheit scheint hierbei kein ausreichend hoher Preis zu sein. Während Gesundheitsempfehlungen darauf hinweisen, dass Pause machen, ausreichender Schlaf und Entspannung, für einen leistungsfähigen Körper und Geist essentiell sind, gibt es gleichermaßen viele leistungsorientierte Menschen, die genau diese Dinge vernachlässigen. Ganz nach dem Motto „Schlafen kann ich, wenn ich alt bin“, „Pausen sind etwas für Schwächlinge“ und „für Entspannung habt ich keine Zeit… schließlich muss ich arbeiten.“ sind, laut Frédéric Letzner, in machen Branchen Alltags-Aussagen. Frédéric Letzner 15.06.2020 Die Rede ist vom berühmten High-Performer, der sich selbst gerne als Workaholic bezeichnet, und sichtlich stolz darauf ist.

Perfektionismus für die eigene Selbstmotivation. Eine brandgefährliche Kombination.

Selbst, wenn der Körper offensichtliche Warnsignale der Überlastung und chronischer Stressbelastung von sich gibt, so geht der Wille am nächsten morgen pünktlich am Arbeitsplatz zu erscheinen und niemanden enttäuschen zu wollen, scheinbar vor. Wieviel Funktionalität, Effizienz und Perfektion verträgt die menschliche Psyche wirklich? „Ich darf nicht krank werden, ich muss ja arbeiten“ Spätestens jetzt lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen: Wie kann es sein, dass es Menschen gibt, die Ihre Gesundheit opfern und teilweise selbstdestruktive Tendenzen aufweisen? Wie kommt es, dass es Menschen gibt, die dem Drang „Leistung“ abzuliefern eine größere Priorität zuschreiben, als ihrem eigenen Wohlbefinden?

Der größte Risikofaktor ist, dass Menschen ihren Selbstwert über Ihre Leistung definieren.

Solange wir stark sind gute Leistungen abliefern, fühlen wir uns gut und wertvoll. Sobald wir schwach sind, Fehler machen oder mal schlechte Ergebnisse abliefern, fühlen wir uns schlecht und nahezu wertlos. Dieser Zusammenhang ist weit verbreitet und aus psychologischer Perspektive sehr bedenklich.

„Der Herzinfarkt als Superhelden-Tot“, „Doping am Arbeitsplatz erlaubt?“

… sind wir noch Menschen oder wären wir lieber Maschine? Der Weg vom High-Performer zur Depression hat eine erstaunlich einheitliche und wiederkehrende Struktur, erläutert Frédéric Letzner: Wir sind fleißig, machen Überstunden und funktionieren am liebsten wie ein Uhrwerk. Die Bestätigung und die Aufmerksamkeit folgt nach erbrachter Leistung, sodass die Arbeit zu einem zentralen Element des eigenen Selbstwert-Gefühls wird. Insbesondere in Deutschland sind wir sehr bekannt für eine ausgeprägte Arbeiter-Identität. Sobald dieser Lebensbereich Überhand bekommt und andere Lebensbereiche weniger wichtig werden, wird es jedoch kritisch. Denn „nur zu Funktionieren“ und sich über seine Leistung zu definieren birgt die Gefahr, dass Pausen machen, Schlafen, Entspannen und sich um sich und seine Bedürfnisse zu kümmern, zur Nebensache werden. Auf diese Weise verschieben sich unsere Prioritäten und die Aussage „keine Zeit“ schleicht sich in Frédéric Letzner 15.06.2020 die eigene Argumentation hinein. Doch die Aussage „Keine Zeit“, ist immer eine getroffen Entscheidung.

Keine Zeit … Hauptsache die Arbeit läuft.

„Keine Zeit für gesunde Ernährung“; „Keine Zeit für Ruhe“, „Keine Zeit für Bewegung“, „Keine Zeit für Hobbys“. Ignoriere ich meine eigene Gesundheit und meine eigenen Grenzen, so reagiert früher oder später unser Körper bekanntermaßen mit stressbedingten Beschwerden. Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Magenbeschwerden sind nicht selten Indikatoren für psychische Überlastung und chronischen Stress., sagt der Experte. Sobald wir, aufgrund körperlicher Überlastung, krank werden und von unserem eigenen Körper in die Knie gezwungen werden ist dies nur das kleinere Übel. Der größte Schmerz entsteht vor allem dadurch „nicht mehr arbeiten zu können“ und dadurch in eine Identitätskrise zu fallen. Ein Workaholic auf Entzug fühlt sich wertlos und leer.

Wer seinen Selbstwert ausschließlich über seine Leistung definiert, wird früher oder später daran zerbrechen

In Krisen lernen Menschen, was wirklich wichtig ist. Obwohl wir wissen, dass Gesundheit wichtig ist, fällt es uns häufig schwer uns entsprechend zu verhalten. Manchmal kommt der erschreckende Weckruf. In Form einer Krise, noch im letzten Moment. Erst wenn wir erkennen, dass Menschen keine Maschinen sind, sondern das eigene Leben zeitlich beschränkt ist und jeder Zeit vorbei sein kann, hinterfragen wir bestehende Überzeugungen. Manchmal müssen wir an unsere Sterblichkeit erinnert werden um unseren eigenen Körper und unsere Gesundheit wertschätzen zu können. Manchmal müssen wir daran erinnert werden, das nur wir die Verantwortung für unser Leben tragen. Viele Menschen machen täglich viele Dinge die sie nicht wollen, für andere Menschen die sie nicht mögen. Das „Warum?“ ist hierbei eine der wichtigsten Fragen, die wir uns in Krisensituationen stellen dürfen. Wie oft haben wir unsere eigenen Bedürfnisse hinten angestellt, um niemanden auf die Füße zu treten? Wie oft haben wir unsere eigene Grenze nicht kommuniziert und unser Wohlbefinden hinten angestellt? Manchmal braucht es eine Krankheit, ein Schicksalsschlag oder eine Identitätskrise, um wieder für sich und für seine Gesundheit einstehen zu können. Du darfst es dir wert sein.

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