Alles ist Geschichte oder Bewusstsein = etwas erschaffen

Hand aufs Herz, hast du dich schon jemals nicht denkend erlebt? Ohne diesen ewig vor sich hin plätschernden Monolog – dieses innere Blablabla –, das den lieben langen Tag als kaum wahrnehmbares Hintergrundrauschen, als zarte Begleitmusik oder gelegentlich als melodramatischer Gefühlsverstärker alles und jeden kommentiert? Selbst auf dem Meditationskissen denkst du an deine Atmung, an das Hier und Jetzt oder an das ultimative Loslassen aller Gedanken über die Atmung, das Hier und Jetzt oder das Bein, das in diesem Augenblick gerade einschläft.

Unser Gedankenkino läuft und läuft … und lenkt unsere Aufmerksamkeit wie ein Fahrer sein Auto. Doch wer sitzt am Steuer? Nimm dir bitte einen Augenblick Zeit und betrachte die Überschrift dieses Atikels.

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Alles ist Geschichte oder Bewusstsein = etwas erschaffen
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Was siehst du?

Vielleicht ein paar aneinandergereihte Begriffe, die einen mehr oder weniger verständlichen Inhalt vermitteln? Womöglich klingt das Zusammenfügen der einzelnen Wortbilder für dich plausibel, weil das, was du damit verbindest, deiner Erfahrung nach zusammenpasst und somit Sinn ergibt? Oder findest du die Kombination dieser Ausdrücke in diesem Kontext eher seltsam, unlogisch oder gar lächerlich, weil sie nicht zu dem passen, was du bisher gelernt hast?

Nun stelle dir vor, dir hätte noch niemand das Alphabet oder das Lesen beigebracht. Was würdest du dann sehen? Betrachte nun bitte die folgende Abbildung:

Was siehst du?

Vielleicht eine dir unbekannte Schrift oder einen geheimen Code, den du nicht kennst und daher auch nicht entschlüsseln kannst? Oder die Profilspuren eines Fahrrads, das über ein Stück Papier gefahren ist? Möglicherweise glaubst du einen oft kopierten Text zu erkennen, bei dem die eigentliche Information schon verloren gegangen ist?

Was siehst du, wenn du keine Schrift kennst oder dir noch nie jemand etwas über Codierung erzählt hat? Was siehst du, wenn du noch nie ein Fahrrad gesehen hast? Was siehst du, wenn du noch nie einen Drucker benutzt, geschweige denn einen fehlerhaften Ausdruck in der Hand gehabt hast?

Es ist so: Du kannst nur etwas sehen, das du schon kennst. Etwas, das du noch nie gesehen hast oder das sich nicht mit etwas vergleichen lässt, das dir bekannt ist, muss dein Gehirn erst zu etwas machen, dessen du dir bewusst werden kannst, sei es auch nur als ein Etwas, das du nicht kennst.

In diesem Sinne bedeutet Bewusstsein, etwas zu erschaffen, dessen man sich bewusst sein kann. Um aber etwas überhaupt zu etwas machen zu können, brauchen wir eine Abgrenzung – also eine klar definierte Trennlinie zwischen dem, was dieses Etwas ist, und dem, was es nicht ist. Die Unterscheidung, wo dieses Etwas anfängt und wo es aufhört, ist dabei völlig willkürlich, sie muss nur in bereits vorhandene Konzepte passen und sich im Alltag bewähren. Denn um mit uns selbst und anderen bewusst kommunizieren zu können, brauchen wir als vermittelbare Entitäten klar abgegrenzte Zuschreibungsmengen: Das ist ein Baum. Dort ist ein Fluss. Ich mache dies. Du machst das … und so weiter. Ohne Konzept von einem Ich und einem Du, von einem Dieses-ist-so und einem Jenes-ist-anders und so weiter ist gar kein Plan und auch keine Kommunikation im menschlichen Sinne möglich.

In unserem Körper arbeitet ein gigantisches neuronales Netzwerk unaufhörlich daran, Bilder zu erzeugen, Pläne und Konzepte zu entwickeln und Sinn zu erschaffen. Es unterscheidet, benennt, interpretiert und beurteilt so lange, bis ein vermittelbares Etwas entsteht, das dann sorgfältig in die Welt der gespeicherten Erfahrungen eingefügt und in weiterer Folge zu glaubwürdigen Geschichten verwoben wird. Der Prozess dieses Etwas-Erschaffens läuft die meiste Zeit allerdings so hintergründig ab, dass du nichts davon bemerkst. Erst die fertig erstellte Welt-Illusion wird in dein Bewusstsein eingespielt. Wenn du also mit allen deinen Sinnen achtsam im Hier und Jetzt bist, ist der Film, den du gerade laufen hast, nichts anderes als die interne Projektion aus jenen Daten deiner Vergangenheit, die unter der Rubrik »Hier und Jetzt« gespeichert sind. Der Film mag angenehm sein und dir guttun, ist aber trotzdem eine Schöpfung deines neuronalen Netzwerks und offenbart keine andere Realität als diese.

Wie es aussieht, gibt es für uns Menschen keinen Weg, unseren Wirklichkeitsprojektionen zu entkommen. Wir erfahren uns selbst und andere ausschließlich durch die Filme, die wir laufen haben. Und das ist gut so.

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