Werden Sie unvergleichbar

Wenn ein Produkt dem anderen gleicht und die Unterschiede zur Konkurrenz nur noch dem Kleingedruckten zu entnehmen sind, dann ist es höchste Zeit angestammtes Terrain zu verlassen. Der Unternehmensberater Christian Kalkbrenner zeigt Ihnen, wie Sie unvergleichbar werden und dem Verdrängungs- und Preiswettbewerb entgehen.

Wenn Märkte zu eng werden und der Preiswettkampf zunimmt, ist es höchste Zeit, das angestammte Terrain zu verlassen und eine Vergrößerung des Aktionsradius anzustreben.

In vielen Branchen treffen wir auf folgende Situation: Die Differenzierung im Wettbewerb gelingt immer weniger Unternehmen. Die Leistungen sind austauschbar, die Qualität überall in etwa gleich und der Wettbewerb findet nur noch über den Preis statt. Zusätzlich wird die ehemals persönliche und auch anspruchsvolle Beratung mehr und mehr durch intelligente Dialogsysteme im Internet ersetzt, die Daten werden online oder per Datei übermittelt. Ein vormals zeitintensiver Prozess ist mit ein paar Klicks erledigt und der anschließende Auftrag wird tadellos ausgeführt.

Daneben gibt es Unternehmen, die einen Markt bereits in hohem Maße erfolgreich abdecken und für die jeder weitere Prozentpunkt im Marktanteil nur mit überdurchschnittlichem Aufwand zu erzielen und damit meist unwirtschaftlich ist.

Genau für diese Situationen passt das Instrument des Aktionsradius und es lohnt sich, sich mit den drei Möglichkeiten der Aktionsradius-Vergrößerung zu beschäftigen:

  1. mit der horizontalen Erweiterung
  2. mit der vertikalen Erweiterung und
  3. mit der geografischen Erweiterung.

Hierzu bietet zunächst die „Anteil am …“-Frage wertvolle Orientierung. Sie setzt allerdings voraus, dass Unternehmen ihren Geschäftsprozess in wenigen Worten auf den Punkt bringen können. Doch sobald diese Formulierung steht, findet das Unternehmen jede Menge sinnvolle Alternativen, sich entlang seines bisherigen Werdeganges weiterzuentwickeln.

Die beeindruckende Wirkung dieser Denkweise lässt sich mit einem Beispiel sehr anschaulich verdeutlichen. Als Roberto Goizueta Mitte der 80-er Jahre die Aufgabe des  CEO bei Coca-Cola übernahm, war Coca-Cola ein erfolgreiches und dennoch auf einem hohen Niveau stagnierendes Unternehmen mit einem Softdrink-Marktanteil von rund 60%. Er vergrößerte nun den Aktionsradius und betrachtete als seinen Markt nicht mehr nur den Markt der Softdrinks, sondern den Gesamtmarkt der Getränke. Hierzu fasste er den Geschäftsprozess in einem Satz zusammen und stellte die Frage: „Was ist unser Anteil am Durst der Welt?“ Dabei kam er zu der Erkenntnis, dass dieser Marktanteil nur ein knappes Prozent ausmachte. Die Mitbewerber waren nun ganz andere Getränke wie Tee, Kaffee, Wein, Bier und Wasser. Und er schwor sein Team darauf ein, den Anteil, den Coca-Cola am Durst der Welt halte, in 10 Jahren zu verdoppeln. Diese neue Sichtweise löste Blockaden, legte den Grundstein für neue Produkte wie Coca-Cola light und machte deutlich, mit welchen Getränken mittelfristig das Portfolio zu ergänzen sei. Mit dieser Erkenntnis und dem Gewinnen des Teams für diesen Weg begann eine neue überdurchschnittliche Wachstumsära der Firma, bei der der ewige Rivale Pepsi das Nachsehen hatte.

Der horizontale Aktionsradius

Mit der „Anteil am …“-Frage können Sie den horizontalen Aktionsradius gezielt vergrößern. Sobald Sie Ihren Geschäftsprozess in einem Satz zusammenfassen können, können Sie die „Anteil am …“-Frage stellen und Ihre Leistungen sinnvoll ausweiten.

Ein CRM-Software-Unternehmen ermittelt als seine Kernaufgabe die Effizienz der vertrieblichen Abläufe seiner Kunden zu steigern. Nun formuliert es die Frage „Was ist unser Anteil an der vertrieblichen Effizienz-Steigerung unserer Kunden?“ Die Beantwortung dieser Frage ermöglicht dem Unternehmen nicht nur eine deutlich wahrnehmbare und für die Kunden attraktive Spezialisierung, sondern damit einhergehend einer Erweiterung des Dienstleistungsportfolios um Consulting- und Weiterbildungsleistungen.

Darüber hinaus sollten Sie untersuchen, ob es Entwicklungen technischer, gesellschaftlicher, rechtlicher oder ökologischer Art gibt, die dazu geeignet sind, das heutige Geschäft ganz oder teilweise zu ersetzen. Durch das frühzeitige Auseinandersetzen mit dieser Frage können Sie Ihr Geschäftsmodell rechtzeitig um neue Leistungen erweitern und auch Beteiligungen planen, um neue Entwicklungen nicht zu übersehen.

Polaroid und Agfa hatten die Bedeutung der digitalen Medien unterschätzt. Die Automobilindustrie in Deutschland hat die Entwicklung und Einführung hybrider Technologien fast übersehen. Der neue iPad von Apple kann den Wandel vom haptischen Druckmedium hin zum virtuellen Lesen dramatisch beschleunigen – mit allen nachfragebedingten Folgewirkungen für Papierhersteller, Druckereien und Druckmaschinenhersteller.

Der vertikale Aktionsradius

Um den Aktionsradius vertikal auszuweiten, sollten Sie die Prozesse Ihrer Kunden analysieren. Was passiert beim Kunden zeitlich alles bevor, während und nachdem die eigene Leistung erbracht wird bzw. erbracht worden ist? Können Sie hier ebenfalls noch Aufgaben übernehmen? Gelingt es, dem Kunden unrentable Arbeitsschritte abzunehmen und diese für ihn wirtschaftlicher und kompetenter anzubieten? Ein sehr bekanntes Beispiel hierfür ist die „verlängerte Werkbank“, bei der Automobilzulieferer ihren Teil am Automobil selbst an der Produktionsstraße des Kunden mit eigenen Mitarbeitern einbauen. Aus vertrieblicher Sicht bietet diese Vorgehensweise noch eine Besonderheit: Sobald es gelingt, eine Leistung anzubieten, die deutlich früher zu greifen beginnt als es bisher der Fall ist, wird die Gefahr der ungeliebten Ausschreibung reduziert, weil es keinen vergleichbaren Anbieter gibt.

Ein Messebauer übernimmt für die Unternehmensleitung auch das Messe-Controlling und gibt damit generell Empfehlungen für die Auswahl der richtigen Messen und die Standgröße auf der nächsten Messe. Einem Hersteller von Schweißmaterialien gelingt es, bereits zum Zeitpunkt der Prototypen-Planung im Anlagenbau am Tisch der Kunden zu sitzen.

Ein auf Wellness spezialisierter Hotelier hat sein Angebot sehr differenziert auf die Lebensphasen einer jungen Kundengruppe zwischen 20 und 40 Jahren abgestimmt: Junge Menschen lernen das Hotel zumeist während eines Tagungsaufenthaltes kennen und kommen dann mit ihrem Partner zu einem ersten Wellness-Wochenende wieder. Spezielle Arrangements für Verliebte, Verlobte und Verheiratete verführen dazu, das Hotel häufiger zu besuchen. Und auch dieses Angebot wäre noch unvollständig, gäbe es nicht ein spezielles Angebot für Schwangere.

Der geografische Aktionsradius

Dieser Begriff bezeichnet die räumliche Ausdehnung eines Unternehmens in andere Regionen, Länder und Kontinente. Dies kann erfolgen, weil der heimische Markt durchdrungen und gesättigt ist, weil die bestehenden Kunden das „Mitreisen“ ihrer Lieferanten erwarten und auch, weil Wachstumsmärkte wie Südamerika, Indien oder China einem Unternehmen neue Chancen bieten. Erfahrungsgemäß macht der kosten- und ressourcenintensive Weg in die Fläche häufig erst dann Sinn, wenn die beiden anderen Varianten, den Aktionsradius zu erweitern, ausgenutzt sind.

Der in Hamburg ansässige Outdoor-Ausrüster Globetrotter hat sich in den letzten 30 Jahren mit Hilfe des Internets vom Kataloganbieter zum größten Outdoor-Versandhändler Europas gewandelt und ist nun dabei, sich mit großzügig gestalteten Warengeschäften in ausgewählten Großstädten Deutschlands zusätzlich zu präsentieren, um greifbarer zu werden und besucht werden zu können.

 

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