Das ist eine Frage, die kaum einer von uns aus dem Steggreif beantworten kann. Aufrichtge Selbsreflexion kann dabei helfen, heruaszufinden wer man so alles ist …
Wenn Du wissen willst, wer Du warst, dann schau, wer Du bist. Wenn Du wissen willst, wer Du sein wirst, dann schau, was Du tust.
Siddhartha Gautama Buddha
Das fremdbestimmte Selbst befindet sich in einem haltlosen und letztlich sogar bedrohlichen Zustand zwischen Chaos und Stagnation. Nur die Schaffung einer eigenen adäquaten und flexiblen Struktur, die dem Chaos Einhalt gebietet und zugleich Stagnation verhindert, kann das Selbst aus diesem Zustand herausführen und zu einem erfüllten und selbstbestimmten Dasein verhelfen. Und die dem Menschen innewohnende Schöpfungskraft ermöglicht es, die Vorstellungen von diesem Dasein auch Wirklichkeit werden zu lassen. Doch was ist unter einer inneren Struktur überhaupt zu verstehen?
Unsere Struktur beschreibt das – im besten Falle ausbalancierte – Gefüge unseres Inneren, unseres Selbst, das sich aus verschiedenen Teilen und Merkmalen unserer Persönlichkeit zusammensetzt. Diese Bestandteile beziehen sich wechselseitig aufeinander, beeinflussen sich gegenseitig und bilden so ein Ganzes, ein Geflecht aus unzähligen Bezügen und Zusammenhängen. Bestandteile unseres Selbst sind nun nicht nur unsere wahrnehmbaren äußeren und charakterlichen Merkmale, sondern vor allen Dingen auch unsere individuellen Wertevorstellungen, unsere Wahrnehmungen, Wünsche, unsere inneren Empfindungen, unsere Gedanken und Gefühle sowie unsere Auffassungen von der Welt und unserem Dasein – eben all jene Aspekte unseres Selbst, an denen wir unsere Lebensführung ausrichten und die unser Dasein und unsere Selbstverwirklichung ausmachen. Wenn wir diese in Einklang miteinander bringen, dann bildet sich eine optimale Struktur in unserem Inneren, die Halt bietet und gleichzeitig Flexibilität ermöglicht.
Eine solche Struktur bietet Halt, weil sie uns Orientierung bietet und Ordnung herstellt. Erschüttert beispielsweise eine Entscheidung, die wir treffen wollen, den Einklang in unserem Inneren, dann gibt uns dies einen wichtigen Hinweis darauf, dass diese Entscheidung vermutlich nicht vollkommen selbstbestimmt zustande gekommen ist und nicht die angemessen richtige sein wird für unser Leben. Und widerspricht eine fremde Meinung unserer inneren Wahrnehmung, können wir diese Meinung mit gutem Grund zurückweisen, anstatt sie uns von außen aufdrängen zu lassen. Wir transformieren das Chaos der fremden Einflüsse auf diese Weise, da wir einen Standpunkt haben, um äußere Einflüsse authentisch wahrzunehmen und gegebenenfalls als mit unserem Selbst unverträglich auszusortieren. Auf der anderen Seite können wir mithilfe einer inneren Struktur auch die inspirierenden Einflüsse von außen nutzen. Wir müssen uns nicht vollständig und radikal von der chaotischen Außenwelt abschotten, sondern können einordnen, welche Einflüsse zu unserer eigenen Struktur passen und welche nicht. So können wir angemessen und flexibel auf die Gegebenheiten und Ereignisse in der Welt reagieren und diejenigen Aspekte der Wirklichkeit in unsere Struktur integrieren, die sich adäquat einfügen lassen und eine Bereicherung für unser Selbst auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene darstellen. Und unser Selbst bietet dabei den Maßstab für die entsprechende Wahlmöglichkeit.
Doch um diese Wahlmöglichkeiten einer inneren Struktur bewusst nutzen zu können, gilt es, die eigene Struktur zuerst einmal zu kennen. Der erste Schritt ist immer, das eigene authentische Selbst zu erkennen, sich des eigenen Selbst bewusst zu werden. Und so steht am Anfang notwendigerweise eine eingehende Selbstreflexion. Erst eine umfassende Selbsterkenntnis offenbart die optimale Essenz der Möglichkeiten für einen gelungenen Anfang, erwünschte Veränderungen und Transformationen im eigenen Dasein herbeizuführen, um ein Leben jenseits von Chaos und Stagnation in Freiheit zu führen.
Aufrichtige Selbstreflexion
Der ganzheitliche Prozess der Selbstreflexion beginnt zumeist mit Fragen wie: Was macht mich aus? Wer bin ich eigentlich? Wie entstehen meine Gefühle? Wie denke ich, und wie entscheide ich? – Und nicht selten folgt dann die Überlegung: Warum soll ich mir diese Fragen überhaupt stellen? Ich weiß doch, wer ich bin. Ich bin ich. Und alles andere ergibt sich doch ganz automatisch. – Dies ist ein folgenschwerer Irrtum, denn wir können auf unsere Entscheidungen und Handlungen, und schon unser Denken und Fühlen maßgeblichen Einfluss nehmen. Doch bei fehlender Selbstreflexion ergeben sie sich unter Umständen nicht aus unserem Selbst, sondern sind das Produkt unterschiedlichster fremder Einflüsse und Prägungen.
Jeder Mensch unterliegt einer Vielzahl von Bestimmungen, die nicht nur die inneren persönlichen Voraussetzungen (zum Beispiel der Intelligenzquotient, individuelle Charakterzüge, Talente, Neigungen, Begabungen etc.) umfassen, sondern zum großen Teil auch aus den äußeren Bedingungen der uns umgebenden Strukturen (zum Beispiel das soziale Umfeld, das Familienleben, der Glaube, der Kulturkreis, die Herkunft etc.) entstehen. Unsere Gefühle und Gedanken – die energetische Essenz unserer Entscheidungen und Handlungen – werden also oft von einem jeweils individuellen Gemenge aus Bedingungen und Voraussetzungen geprägt, das ohne eine bewusste Auseinandersetzung kaum zu durchschauen ist. Erfolgt diese Auseinandersetzung nicht, dann bleiben Denken und Fühlen stets abhängig von fremden Bestimmungen, und eine selbstbestimmte Lebensführung ist demzufolge kaum noch möglich. Dies beeinträchtigt selbstverständlich auch die Möglichkeiten, erwünschte Veränderungen im Leben voranzutreiben und die eigene Persönlichkeit zu entfalten, um ein erfülltes und auch sinnstiftendes Leben zu führen. Zudem besteht die große Gefahr, dass fremdbestimmte Gedanken oder Gefühle im Widerspruch zur eigenen (nicht bewussten) Persönlichkeit stehen und infolge dessen innere Spannungen und Blockaden auftreten, die wir dann häufig als tiefe und scheinbar unauflösbare Unzufriedenheit erleben. Nicht selten erlahmen aufgrund solcher innerer Spannungen auch die persönliche Empfindsamkeit und der eigene Optimismus, es kann im Extremfall sogar zu schwerwiegenden psychischen und psychosomatischen Problemen kommen. Und da uns in diesen Fällen nicht bewusst ist, dass die Ursache für die inneren Spannungen im Widerstreit zwischen der Fremdbestimmung und unserem Selbst liegt, lassen sie sich auch nicht auflösen. Die daraus resultierenden Beeinträchtigungen des eigenen Daseins und der eigenen Entfaltungsmöglichkeiten können weite Kreise ziehen und sich sowohl in tiefen existenziellen Sinn- und Schaffenskrisen als auch in vermeintlich harmlosen Kleinigkeiten niederschlagen. Doch unabhängig von Art und Ausprägung der Krise ist die Selbstreflexion letztlich der einzige Weg, über den positive Veränderungen eingeleitet werden können.
Ein Beispiel dafür:
Ein Mitarbeiter einer PR-Abteilung eines Großunternehmens soll für ein neues Produkt seiner Firma eine Informationskampagne entwickeln. Er beschäftigt sich mit den Produkteigenschaften, mit den Wünschen der Firmenleitung, mit den Erwartungen der Zielgruppe, mit den aktuellen Trends, tut alles, was im herkömmlichen Sinne notwendig ist, um eine solche Kampagne zu entwickeln. Und obwohl er normalerweise bekannt für seine übersprudelnden Ideen und Einfälle ist, findet er für die Präsentation dieses Produktes einfach keinen guten Aufhänger. Er steigt noch tiefer in die Materie ein, und trotzdem fällt ihm nichts Originelles ein. Er ist sehr unzufrieden und frustriert, weil auch seine Kollegen sehen, dass er keine gute Idee hat. Die Firmenleitung wartet auch schon ungeduldig auf den Entwurf, da sie das Produkt bald auf den Markt bringen will. Der PR-Mitarbeiter gerät immer mehr unter Druck. Er beginnt, an seinen Fähigkeiten zu zweifeln, befürchtet schon, dass ihn seine Kreativität verlassen hätte, und überlegt, ob er diesen Auftrag nicht lieber an einen Kollegen weitergeben soll. Er wendet sich schließlich vertrauensvoll an einen Freund, der ihn schlicht und einfach fragt: „Was ist denn eigentlich das Problem mit diesem Produkt?“ – Und erst jetzt fragt sich der Mann zum ersten Mal, was er selbst im Grunde von diesem Produkt hält. Und er erkennt, dass er keineswegs von den vermeintlichen Vorteilen überzeugt ist, die es bieten soll. Er begreift, dass seine eigene Wahrnehmung seinem Arbeitsauftrag zuwiderläuft, und plötzlich wundert es ihn überhaupt nicht mehr, dass ihm zu der Kampagne nichts eingefallen ist. Es wird ihm klar, dass er sich zwar um sämtliche äußeren Bedingungen gekümmert und alle Vorstellungen seiner Umgebung berücksichtigt hat, nur seine eigene Wahrnehmung hat er dabei vernachlässigt. Da er dies nun erkannt hat, sich dies bewusst gemacht hat, kann er etwas dagegen tun. Er spricht mit der Geschäftsführung über seine Vorbehalte, und dort nimmt man seine Anregungen gern als Verbesserungsvorschlag beziehungsweise innovative Idee auf und modifiziert komplett das Produkt. – Jetzt steht auch der PR-Arbeit nichts mehr im Wege.
Der PR-Mitarbeiter wird dank seiner Kreativität befördert und wird infolgedessen zum Creative Manager in der Geschäftsführung.
Dieses Beispiel bewegt sich nun in einem sehr überschaubaren Rahmen, sodass die entstandenen Auswirkungen relativ leicht wieder behoben werden konnten. Doch wie sähe das aus, wenn man sich zum Beispiel für den falschen Beruf entscheidet, weil vielleicht die Familietradition einen bestimmten Weg vorgezeichnet hat? Oder wenn man eine Familie gründet, nur weil das eben zum Erwachsenwerden dazugehört? Oder wenn man einen Lebenstraum aufgibt, weil man glaubt, er wäre sowieso nicht zu verwirklichen? – In solchen Fällen wären die Auswirkungen fatal, denn sie beträfen die gesamte Lebensgestaltung und Persönlichkeitsentwicklung. Wenn fremdbestimmte Entscheidungen das eigene Leben in diesem Ausmaß beeinflussen, sind die Beeinträchtigungen der persönlichen Entfaltung immens. Es bedarf dann häufig sehr großer Anstrengungen und intensiver Auseinandersetzungen mit sich selbst und auch mit der Umwelt, um entsprechende erwünschte Entwicklungen einzuleiten und die Folgen erkannter Entscheidungen wahrzunehmen. Deshalb kann man letztlich nie früh genug damit beginnen, sich selbst zu reflektieren.
Ich bin ich?
Wer nun herausfinden will, ob er bewusste und selbstbestimmte Entscheidungen trifft, muss zuvor herausfinden, ob er auch selbstbestimmt denkt und fühlt. Und dafür reicht es eben nicht aus, einfach zu sagen: „Ich bin ich. Und alles andere ergibt sich doch von selbst.“ Es ist notwendig, möglichst genau zu ergründen, welche Einflüsse in welcher Weise auf das Denken und Fühlen einwirken. Und dieses Vorhaben ist keineswegs mühelos umzusetzen, denn die äußeren Einflüsse auf unsere Gedanken und Gefühle sind nicht nur vielfältig, sondern wirken häufig auch sehr subtil. Wir bemerken in den überwiegenden Fällen auf den ersten Blick gar nicht – und zumeist auch auf den zweiten Blick noch nicht –, dass wir fremden Bestimmungen unterliegen, denn wir haben uns mit „der“ Zeit an viele Dinge, die uns beeinflussen, einfach gewöhnt.
Zum Beispiel kennen wir bestimmte Denkweisen und Gefühle von frühester Kindheit an. Und wir kommen deshalb überhaupt nicht auf die Idee, dass sie möglicherweise gar nicht unserem Selbst entsprechen könnten, da sie bereits so lange zu unserem Leben gehören, dass sie sich inzwischen wie ein ureigenster Teil unseres Selbst anfühlen. Oder wir denken und entscheiden einfach so, wie alle anderen in unserem Umfeld es üblicherweise auch tun. Und weil dies eben so üblich ist, kommt es uns auch nicht in den Sinn, daran möglicherweise etwas ändern zu müssen. Wir denken gar nicht erst darüber nach, ob es nicht womöglich besser und sinnvoller und auch authentischer wäre, ganz anders zu entscheiden. Andere Menschen wiederum folgen solange den Ansichten und Ansprüchen ihrer Mitmenschen, bis sie irgendwann das Gefühl haben, es seien ihre eigenen. Sie vergessen (oder verdrängen) einfach, dass es ursprünglich fremde Auffassungen und Erwartungen waren, an denen sie ihr Leben orientieren, und finden demzufolge auch nicht ihre eigenen Inspirationen für ihr Leben. Auch religiöse oder traditionelle Leitgedanken machen sich die Menschen oft zu eigen und leiten daraus dann eigene Überzeugungen ab, die unter Umständen dem eigenen Werteempfinden widersprechen, jedoch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur fremden, aber vollkommen akzeptierten Struktur als legitim angesehen werden.
So gibt es viele Beispiele dafür, auf welche Weise Fremdbestimmungen Eingang in unser Leben finden und sich dort manifestieren. Und je größer die Gewöhnung, umso schwieriger ist es, die Quellen der Fremdbestimmung zu identifizieren und herauszufinden, welche unserer Denkgewohnheiten und Gefühle unserem Selbst widersprechen oder eben auch entsprechen. – Letzteres ist keineswegs von geringerer Bedeutung. Das Bewusstsein darüber, was Teil der eigenen Struktur ist, ist ebenso wichtig wie die Klarheit über fremde Einflüsse. Es geht schließlich nicht darum, prinzipiell alles anzuzweifeln und als verdächtig abzulehnen, sondern darum, bewusst zu entdecken und zu erkennen, was die eigene Persönlichkeit ausmacht und welche Möglichkeiten das eigene Dasein umfasst.
Die Auswirkungen von Fremdbestimmung sind nun leider nur selten belanglos, denn die Widersprüchlichkeit zwischen fremden Strukturen und der eigenen Struktur betrifft häufig gerade die existenziellen Fragen des Lebens:
- Wie will ich leben?
- Was sind meine Auffassungen von Moral?
- Was ist meine persönliche Berufung?
- Was will ich in meinem Leben erreichen?
- Was ist mir wichtig?
Diese und ähnliche Fragen bestimmen unser Leben, denn sie bestimmen auch darüber, wie wir Entscheidungen treffen – und dies gilt auch dann, wenn wir uns solche Fragen nicht bewusst stellen. Die Antworten auf diese lebenswichtigen Fragen sind Grundlage für die meisten Einzelentscheidungen, die unser Leben ausmachen. Und nur, wenn diese Antworten tatsächlich dem eigenen Selbst entspringen, mit der eigenen Struktur übereinstimmen, können wir ein selbstbestimmtes und harmonisches Leben führen und unser Dasein frei gestalten.
Hintergründe ausleuchten
Souveräne und selbstbestimmte Entscheidungen kommen also nur zustande, wenn wir uns bewusst sind, auf welcher Grundlage wir entscheiden – wenn wir unsere Gedanken und Gefühle kennen beziehungsweise erkennen. Es ist demnach besonders empfehlenswert, die eigenen Entscheidungen stets zu hinterfragen, um Fremdbestimmungen zu verhindern. Denn nur durch konsequentes Hinterfragen lassen sich die Einflüsse auf unsere Gedanken und Gefühle identifizieren. – Wie bereits angedeutet, bedeutet konsequentes Hinterfragen jedoch nicht, sämtliche Entscheidungen nachträglich in Zweifel zu ziehen und infrage zu stellen. Hinterfragen heißt: die Hintergründe erfragen. Es bedeutet nicht, danach zu fragen, ob es eine gute oder eine schlechte, richtige oder falsche Entscheidung war, sondern wie diese Entscheidung zustande gekommen ist. Und stellt sich heraus, dass es gute (Hinter-)Gründe waren, die zur Entscheidung geführt haben, dann kann dies eine Entscheidung auch festigen. Zeigt sich bei näherer Beleuchtung der Hintergründe jedoch, dass fremde Einflüsse ausschlaggebend waren, dann ergibt sich daraus ein dringender Handlungsbedarf.
Fremdbestimmungen lassen sich nun jedoch nicht einfach ausschalten wie das Licht einer Wohnzimmerlampe, man muss sich in einem ganzheitlichen Transformationsprozess der Selbsterkenntnis von ihnen lösen, um sie schließlich ganz auflösen zu können. Das bewusste Hinterfragen ist dabei der erste und entscheidende Schritt. Mit dem Hinterfragen Ihrer eigenen Entscheidungen geht eine umfassende Selbstreflexion einher, da Sie hieraus die nötigen Erkenntnisse und Referenzpunkte über Ihre eigene Struktur erhalten. Und je mehr Sie über Ihre persönlichen Motive, über Ihre Wünsche und Wertvorstellungen wissen, umso authentischer und emanzipierter werden auch Ihre Entscheidungen. Sie entsprechen Ihrem Selbst, und in der Folge handeln Sie auch im Einklang mit sich selbst. Und wer im Einklang mit seinem Selbst lebt und handelt, wirkt stets souverän und charismatisch. – Doch ist dies bei Weitem nicht das Wichtigste. Entscheidend ist, dass ein klares Bewusstsein über das persönliche Denken und Fühlen Voraussetzung dafür ist, die eigenen Gedanken und Gefühle selbstbestimmt zu leiten und auf diesem Wege ganz bewusst die Verantwortung für das eigene Dasein zu übernehmen. Die Selbsterkenntnis ist also der Schlüssel, um die eigene Struktur zu formen und die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit zu ermöglichen.
Beginnen Sie also – am besten ohne jeden Aufschub – damit, sich selbst in Ihren alltäglichen Zusammenhängen bewusst zu beobachten und über Ihre Beobachtungen zu reflektieren. Erkennen Sie sich selbst, ergründen Sie Ihre Persönlichkeit mit all ihren reichhaltigen Facetten. Und zensieren Sie sich dabei nicht selbst. Kein Mensch hat nur gute Seiten, und wahrscheinlich hat jeder einige (heimliche) Abgründe in sich. Es ist notwenig, auch diese zu kennen – jedoch ohne sie zu verurteilen. Manche Menschen haben Angst, bei diesem Selbsterkennungsprozess Seiten von sich zu entdecken, von denen sie lieber nichts wissen wollen, die ihnen unangenehm oder sogar peinlich sind, die sie vor schwierige Aufgaben stellen oder auch bisher Erreichtes in ein vollkommen anderes Licht rücken. Sie scheuen sich davor, sich diese Seiten einzugestehen und sie anderen Menschen preiszugeben. Doch wer hier schon Halt macht, wird nicht weit kommen. – Spätestens jetzt zeigt sich, dass der Transformationsprozess kein Vorhaben ist, das sich halbherzig verwirklichen lässt. Das eigene Dasein lässt sich nicht „ein bisschen“ verändern und schon gar nicht nur dort, wo es gerade einigermaßen bequem ist. Der vorurteilsfreie und ehrliche Blick auf das Selbst und die absolute Aufrichtigkeit sich selbst gegenüber sind notwendig, um die Selbstreflexion und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Dasein nicht schon im Ansatz zum Scheitern zu verurteilen. Nur auf dieser Grundlage können Sie Ihr Fühlen, Denken und Ihr Selbst wirklich authentisch wahrnehmen, um auf dieser Grundlage die Gestaltung Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Gegenwart in die eigenen Hände zu nehmen.
Welche Veränderungen will ich erreichen?
Anfangs sprachen wir von dem Wunsch vieler Menschen, bewusste Veränderungen in ihrem Leben zu bewirken und ihre persönliche Entwicklung voranzutreiben. – Schon diese eher vage Festlegung signalisiert, dass dieser Wunsch viel zu abstrakt formuliert ist, um daraus konkrete Handlungsweisen und Maßnahmen abzuleiten. Eine Konkretisierung ist nun jedoch erst möglich, nachdem eine umfassende Selbstreflexion eingesetzt hat, denn erst hierbei zeigt sich, was dieser Wunsch im Detail und vor allen Dingen im Grunde beinhaltet und wo die Ansatzpunkte liegen, um den Wunsch zu verwirklichen.
Die Einsicht „Ich will etwas verändern“ allein reicht nicht ganz aus, um tatsächlich Veränderungen herbeizuführen. Es muss die Frage folgen: „Was genau und vor allem warum will ich etwas verändern?“ – Und die Antwort bedarf tiefer und zutreffender Erkenntnisse über das eigene Selbst, um brauchbare Ergebnisse liefern zu können. Veränderungen, die auf Grundlage fremder Auffassungen über die eigene Persönlichkeit vorgenommen werden, werden nicht nur ihre erwünschte Wirkung verfehlen, sondern im schlimmsten Falle auch fatale unerwünschte Auswirkungen haben. Will ich zum Beispiel die Unzufriedenheit in meinem Leben auflösen, gilt es einerseits zu konkretisieren, worin genau die Unzufriedenheit besteht und andererseits die tatsächlichen Ursachen für diese Unzufriedenheit zu erkennen. Erst dann kann ich sehen, was genau ich zu verändern habe, um meine Unzufriedenheit in Wohlgefühl zu transformieren. – Habe ich jedoch verzerrte Vorstellungen von den Ursachen (zum Beispiel weil ich mir vor mir selbst nicht eingestehen kann, dass die Ursachen bei mir und nicht woanders liegen), werde ich auch nach großen Anstrengungen wahrscheinlich kein erfüllteres Leben führen können. Im Gegenteil: Vermutlich wird sich die Unzufriedenheit noch steigern, wenn ich vergeblich daran arbeite, etwas zu ändern. Und zwar nur deshalb, weil ich nicht den richtigen Ansatzpunkt gefunden habe.
Außerdem entscheidet die Frage nach dem WAS und WARUM auch über das kreative WIE. Jede Veränderung braucht ihren eigenen Weg, manche Wege lassen sich miteinander verzweigen, kreuzen sich oder verlaufen eine bestimmte Strecke auf derselben Linie, doch für jedes Ziel der Selbstverwirklichung – und für jeden Reisenden – gibt es individuell passende Wege. So ist auch hier die bewusste Selbstreflexion wieder ein wichtiger Aspekt: nicht nur für die Bestimmung des Reiseziels, sondern auch für die Festlegung einer möglichen Route, die zum Ziel führt. Die individuelle Abstimmung kann nämlich nur erfolgen, wenn ich mich selbst wirklich kenne. Wenn ich weiß, wie ich „ticke“, wie ich denke, fühle, entscheide, dann kann ich auch festlegen, auf welchem Weg ich mein Vorhaben, etwas in meinem Leben zu verändern, verwirklichen kann. Jetzt gilt es, nur noch den überflüssigen Ballast abzuwerfen, und die Reise in die unbekannten Räume meines Selbst kann beginnen. – Und in diesem Moment wird unser Selbst zu unserem Coach und Begleiter.