Unhaltbare Suggestion

Sprache verführt. Sie suggeriert Bilder, gaukelt Stimmigkeit vor. Oft ohne böse Absicht. Doch oft auch mit propagandistischer Absicht. Und diesen vernebelnden Sprachgebilden sind wir tagtägllich ausgesetzt – gerade jetzt in Corona-Zeiten. Und das schlimme daran ist, dass wir es oft nicht merken …

Ganz wie Kahneman das schnelle Denken charakterisiert. Ihm aber mangelt es an Präzision. Im besten Fall wird Sprache unbedacht verwendet, im schlechtesten Fall mit propagandistischer Absicht. Beispiele aus der derzeitigen öffentlichen Diskussion. Flüchtlingskrise: Wer hat die Krise? Gefährlich als Begriff, weil Menschen, die eine lebensbedrohliche Flucht hinter sich haben, diskriminiert werden. Flüchtlingsstrom: Das Bild subtrahiert die Menschen und anonymisiert den Einzelnen. Die Not wird in der Metapher der Flut, vor der man sich schützen muss, verschleiert. Lügenpresse, Sozialtourismus oder noch schlimmer: Umvolkung. Die Managementsprache ist nicht weniger mit Worten oder Sprüchen durchsetzt, die besser einmal hinterfragt werden sollten.

Charisma

Wir brauchen mehr charismatische Führungskräfte! Charisma aber ist kein Erfolgsfaktor. Es gibt die Dark Side of Charisma! (Vergleiche Seite 158 ff.) Charismatiker können uns direkt ins Unheil führen. Malik (2014) warnt, charismatische Chefs seien unberechenbar, rechthaberisch und übermäßig risikobereit.

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Raus aus der Komfortzone!

Das Bild: Sofa, Chips, Bier, Bauchansatz und Glotze, der faule Sack eben, der Warmduscher, der sich’s gemütlich einrichtet. Richtig ist, dass wir dort, wo wir uns wohlfühlen auch am leistungsfähigsten sind. Deshalb kann Job Rotation auch in die Katastrophe führen. Richtig daran: Wenn wir Neues probieren, dann lernen wir dazu, richtig auch, dass das nicht immer bequem ist. Das Beharrungsvermögen wird durch das Etikett »Faulheit« jedoch unzutreffend beschrieben. Meist halten Angst, Mutlosigkeit oder schlechte Erfahrungen uns zurück. W. Berner und Kollegen haben in ihrem Buch Ermutigende Führung (2015) ergreifend belegt, wie schnell Führung entmutigen kann und sich Mitarbeiter aus diesem Grunde Sicherheitszonen suchen; Komfort bieten diese allerdings kaum.

Der frühe Vogel fängt den Wurm

»Es gibt Wichtigeres im Leben als permanent dessen Geschwindigkeit zu erhöhen.« (Mahatma Ghandi)

Das beliebte Bild meint: Seid schnell! Die richtige Frage aber wäre: Bei welchen Fragestellungen hilft hohes Tempo und bei welchen wäre es gefährlich? Denn manchmal – wie in der Einleitung bereits karikiert – stiehlt der frühe Vogel die Saat. Vor allem unter Stress oder bei Müdigkeit entscheiden wir uns schnell mal falsch.

Man muss die Extrameile gehen

Der Deal heißt: Leistung gegen Entlohnung. Wenn die Arbeit Freude bereitet, umso besser. Was aber, wenn die Frage lautet, ob das Wochenende der Familie oder der Firma gehört? Wem soll man die Zeit dann schenken? Hätte nicht die Familie alles Recht zu fordern, für sie die Extrameile zu gehen? Machen Sie das noch on top! Maligne Ontopitis nenne ich das und hege zudem den Verdacht, dass die Extrameile die Abkürzung in den Burn-out darstellt!

Das muss in die DNA der Mitarbeiter

Die besonders grausame und verräterische Metapher wird im Film Work hard, play hard (Losmann 2012) hör- und sichtbar, als die Projektleiterin ihr Change-Projekt beschreibt: »Das muss dann in die DNA der Mitarbeiter.« (Man beachte auch den – heute selbstverständlichen – Anglizismus. DNS wäre auch möglich gewesen.) Sie entstammt dem Vokabular des Gen- (oder sollte ich besser sagen des Change-)Labors. Was für ein menschenverachtendes Bild: Man tauscht ein paar Sequenzen der DNS aus und schon hat man den anpassungsfähigen, changebereiten Mitarbeiter, der seminarkonform Feedback annimmt und burn-outresistent umsetzt, was man von ihm erwartet. Schließlich hat’s mit Mais ja auch geklappt, naja, einigermaßen. Mit Metaphern der Genetik Zugehörigkeit zu bestimmen, sollte man dringend bleiben lassen! Dahinter entlarvt sich eine schier unglaubliche Machbarkeitsarroganz. »Wir bringen das in die DNS der Mitarbeiter!« Wie bitte? Hatten wir das nicht schon mal, die Idee den genetisch besten Menschen zu erschaffen? Passt bitte auf, mit dem, was ihr sagt! Es sei ja nur eine Metapher, wird man mir entgegnen. Eine Metapher? Wofür sollte die dann stehen? Dafür, dass alle Mitarbeiter der/einer neuen Idee folgen. Aha. Ich denke aber, es ist ein gewaltiger Unterschied, ob Menschen durch eigene Überzeugung zu der Entscheidung gelangen, einer Idee zu folgen, oder ob sie sich quasi als genetisch manipuliertes Stimmvieh fremden Überzeugungen unterordnen.

Auf jeden Fall will uns die Metapher sagen, dass Widerstand nur eine unliebsame Denk- oder Verhaltensweise sein kann. Was nicht sein kann, das nicht sein darf. »Tragen Sie diese Überzeugung in die Organisation!« »Das ist Ihre Verantwortung als (beliebige Position einfügen)!« Und dann werden die Ideen eben »heruntergebrochen«, was ja schon vom Wording her an die Symptome einer Magenverstimmung erinnert.

Teamarbeit

Zusammenarbeit ist nichts Neues. Der Begriff Teamarbeit suggeriert unterschwellig eine bestimmte positive Stimmung, ein Gemeinsamkeitsgefühl einerseits und die Hoffnung auf exzellente Leistungen andererseits. Aber Leistungen werden nicht automatisch dadurch besser, dass sie im Team entstehen – eher im Gegenteil. Die größten Leistungen sind Werke Einzelner. Teamentscheidungen sind oft riskanter! (vgl. Janis 1972; Malik 2007; Sprenger 2005). Auch hier stellt sich nicht die Frage nach gut oder schlecht. Zielführend ist hingegen die Überlegung, wann Zusammenarbeit fördert und wann sie bremst.

Vision und Mission

Aus unserer Untersuchung Management Absurd (Jiranek et al. 2015): »Nur wenige Mitarbeiter sprechen sich generell gegen eine Unternehmensvision und ein Mission-Statement aus. Allerdings stoßen deren blumige, abgehobene oder banale Formulierungen oft auf Widerstand.«

Der Hauptkritikpunkt ist der Gap zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Sehr oft erleben Mitarbeiter, dass deren (obere) Führungskräfte nicht das leben, was sie auf megagroße Hochglanzposter drucken ließen.

Einwandbehandlung

Kaum ein Vertriebsmitarbeiter, der das nicht gehört oder trainiert hat, kaum ein Seminar zum Thema Verhandeln, das nicht mit diesem Begriff hantiert. Aber Vorsicht! Das harmlose Wort transportiert ein Feindbild. Der andere hat den Einwand, nicht ich! Ich habe recht, der andere den Einwand. (Man stelle sich ein Seminar vor, in dem Kunden lernen, die Einwände der Verkäufer zu behandeln.) Wer den Einwand hat, der hat’s noch nicht gecheckt, der ist der Dumme, dem man’s halt noch beibiegen muss. Das knabbert am Respekt für den anderen! Richtig ist hingegen: Es treffen sich zwei Menschen oder Parteien, die eine unterschiedliche Meinung bezüglich eines Sachverhaltes haben. Irrt sich der andere faktisch, dann kann ich das widerlegen, dazu muss ich aber nicht seinen Einwand behandeln.

Komplexitätsreduktion und Planungssicherheit

Diese beiden Verdächtigen hatten wir schon gefasst. Da diese Aufzählung natürlich nicht vollständig ist, freue ich mich schon auf weitere Nennungen meiner Leser.

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