Sie wissen, was Sie sagen

Auch das noch! Sie sollen ausgerechnet über das Thema XYZ reden, das Ihnen doch so gar nicht liegt. Und gegen das sich alles in Ihnen sträubt. – Es ist klar, wenn Sie in dieser Verfassung vor Ihr Auditorium treten, ist Ihr Vortrag zum Scheitern verurteilt, selbst mit optimaler Vorbereitung. Was können Sie tun?

Akzeptieren Sie als Erstes, dass das Thema in Ihnen etwas Bremsendes auslöst. Möglicherweise ist es gar nicht das Thema selber, das bremst, sondern die durch das Thema ausgelösten Assoziationen. Welche der beiden Möglichkeiten es ist, brauchen Sie aber im Detail jetzt nicht zu erforschen, es genügt zu wissen, dass da etwas bremst. Gehen Sie nun im Geiste zu Ihrem Publikum. Die Menschen wollen von Ihnen etwas erfahren, und bis zu einem gewissen Grade sicher auch etwas erleben. Sie sind derjenige, der Ihnen das Wissen und das Erlebnis vermitteln wird. Das ist Ihre Rolle, dafür besitzen Sie die Kompetenz. Schreiben Sie nun Ihre Rede auf, es genügen die Stichworte der wichtigsten Inhalte. Unterstreichen Sie einige der wichtigsten Worte, an denen der Inhalt des Vortrags hängt.

Das Bild vor dem inneren Auge

Stellen Sie sich jeden einzelnen der unterstrichenen Begriffe vor, lassen Sie vor Ihrem inneren Auge ein farbiges, plastisches und bewegtes Bild des Gegenstandes oder zu diesem Gegenstand entstehen. Seien Sie hier höchst kreativ, damit dieses innere Bild vor Lebendigkeit nur so sprüht. Sprechen Sie nun die Worte laut aus, es genügen die bearbeiteten Stichworte. Aber sprechen Sie erst, wenn in Ihnen das farbige lebendige Bild absolut präsent ist. Es ist sehr wichtig, dass Sie das Sprechen mit dem Bild eng verknüpfen, sodass kein Wort über Ihre Lippen kommt, zu dem nicht ein lebendiges Bild vor Ihrem inneren Auge zu sehen ist.

Emotionale Qualität

Wenn das gelingt, gehen Sie die Begriffe noch einmal durch und erlauben sich, deren Qualitäten wie Gerüche, Geräusche oder auch ihre Bedeutung für Menschen oder vielleicht auch für die gesamte Menschheit zu erforschen. Das gibt diesen Begriffen Bedeutung, schafft eine gewisse Allgemeingültigkeit, die für alle Menschen nachvollziehbar ist. Im nächsten Schritt sprechen Sie die Begriffe noch einmal laut aus, wobei Sie sowohl das Bild als auch die emotionalen Qualitäten präsent haben, bevor Sie sprechen.

Persönliches Erleben

Und nun folgt ein krönender weiterer Schritt: Sie verknüpfen die Begriffe mit Ihren persönlichen Erfahrungen und/oder Ihrem persönlichen Erleben. Das gelingt nicht sofort bei jedem Begriff, insbesondere, wenn es sich um technische oder wissenschaftliche Begriffe handelt. Aber gehen Sie auf die Suche. Vielleicht finden Sie eine Erinnerung oder eine Story, die diesen Begriffen Persönlichkeit mitgibt. Am schönsten ist es natürlich, wenn hier Ihr Humor zum Tragen kommt. Nun gehen Sie die Begriffe noch einmal durch und sprechen Sie dann, wenn sich das Bild, die Qualität und die persönliche Beziehung absolut klar vor Ihrem inneren Auge darstellen. Das müssen Sie üben! Die bildliche, emotionale und persönliche Qualität eines jeden Begriffes in kürzester Zeit präsent werden zu lassen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe.

Sprechen mit Präsenz

Nun sprechen Sie Ihren gesamten Vortrag, beginnen aber einen Sinnabschnitt um eines dieser betrachteten Schlüsselworte nicht, bevor nicht die drei Qualitäten des Schlüsselbegriffes in Ihrem inneren Erleben präsent sind. Hatten Sie die erste Fassung Ihres Vortrages aufgenommen und nun die letzte? Es dürfte spannend sein, welch großer Unterschied zwischen beiden Varianten besteht.

Sprechen Sie plastisch! Begriffe und Themen, die uns nicht liegen, beleben wir, indem wir ein farbiges lebendiges Bild vor Augen haben, Qualitäten wie Gerüche, Geräusche und Stimmungen dazu empfinden und sie mit persönlichem Erleben verbinden.

Haben Sie Spaß daran bekommen, sich den Themen Ihrer Negativliste anzunähern? Ich wünsche es Ihnen, denn wir können uns nicht davor drücken. Früher oder später sind wir mit einem Thema konfrontiert, dass nun absolut nicht das unsere ist. Also, freuen Sie sich darüber, wenn sich Ihnen ein Thema im ersten Moment verweigern will. Es braucht nur ein wenig mehr Zuwendung als Ihre Lieblingsthemen, um schließlich auch zu einem solchen werden zu können!

Beispiel: Plastische Sprache einer Dozentin

Melanie ist Dozentin. Sie unterrichtet Erwachsene, die im Berufsleben stehen. Wie ihre Kollegen auch, ist sie fachlich gut ausgebildet. Trotzdem fühlt sie sich in vielen Punkten unsicher. Sie hat das Empfinden, noch nicht genug zu wissen. Für sie ist es fraglich, ob der Unterricht den Ansprüchen ihrer Schüler genügt. Melanies Empfinden steht im Gegensatz zu den Rückmeldungen, die sie von Schülern und Kollegen bekommt. Sie gilt als engagiert und kompetent. Dennoch konzentriert sie sich bei ihrer Selbsteinschätzung auf kritische Unterrichtsmomente.

Wie jede Legende hat auch das Selbstbild von Melanie einen wahren Kern. Geprägt durch den hohen Anspruch, den ihre Eltern an sie stellten, genügt sie sich selbst nicht und überträgt dieses Ungenügen auf ihre Unterrichtssituation.

Deshalb beginnt die Arbeit in diesem Fall direkt im Kopf. Melanie betrachtet ihre Situation aus einem neuen Blickwinkel. Diejenigen, die zu ihr in den Unterricht kommen, wollen etwas lernen. Sie wünschen sich konkrete Hilfen, damit sie im Alltag besser zurechtkommen. Diese Hilfen kann Melanie am besten dadurch vermitteln, dass sie persönliche Lebenserfahrungen mit ihren Zuhörern teilt. Diesem ersten Schritt folgt ein zweiter, der mit der Vermittlung des Unterrichtsstoffes zu tun hat. Melanie – sie lehrt Psychologie – assoziiert nun mit jedem Lehrinhalt einen Begriff, den sie als plastisches farbiges Bild vor dem inneren Auge entstehen lässt.

In einem dritten Schritt verknüpft sie nun den Stoff mit einer möglichst humorvollen Situation, die sie persönlich erlebt hat. Zwischen jedem einzelnen Schritt trägt sie erneut einige Sätze aus dem Unterrichtsstoff vor. Die Veränderung am Klang ihrer Stimme ist frappierend. Der neu eingenommene Blickwinkel bewirkt, dass ihre Stimme von Vortragssequenz zu Vortragssequenz sonorer, klangvoller und im Wortsinne ansprechender wird. Die Veränderung ist auch für Melanie selbst deutlich spürbar. Die Begegnung mit den Schülern klappt nun.

Fein(er) kommunizieren – die Energie hinter den Worten

»Dafür bin ich nicht zuständig.« Erinnern Sie sich, wann Sie sich das letzte Mal über diesen Satz furchtbar geärgert haben? Er ist ein typisches Beispiel für schwächende Kommunikation. Kommunikation, die Fronten aufbaut und Menschen voneinander entfernt. Ein anderer Klassiker ist: »Das kannst du doch schnell noch mit erledigen!« Wie fühlen Sie sich, wenn Menschen so mit Ihnen sprechen? Vermitteln Sätze wie diese Begeisterung, kann man auf diese Weise eine Vision rüberbringen? Wenn es Ihr Ziel ist, Ihre Visionen zu transportieren und Menschen zu begeistern, dann sollten Sie eine andere Kommunikationsform wählen. Denn hinter diesen beiden Beispielen, und die Liste ließe sich mühelos erweitern, steht eine Distanz zu den Menschen, ein latentes Verurteilen, die Tendenz zu verunsichern, es werden unfaire Vergleiche gezogen oder es wird auf der Klaviatur Belohnung/Strafe gespielt. Wenn Sie Menschen begeistern wollen, ist dies das falsche Instrumentarium.

Die Wahl der Worte

Allein schon durch die Wahl Ihrer Worte können Sie viel bewirken. Ersetzen Sie »Dafür bin ich nicht zuständig« zum Beispiel durch: »Ich denke, in dieser Frage bin ich nicht der richtige Ansprechpartner. Aber wir wollen mal sehen, wie ich Ihnen helfen kann.« Das schafft eine andere Gesprächsatmosphäre und Sie haben mit dieser Formulierung eine Zukunft in der Kommunikation angelegt. Beim zweiten Beispiel wäre denkbar: »Ich hab im Moment wahnsinnig viel zu tun und muss mich ganz dringend um das Projekt XY kümmern. Wäre es dir vielleicht möglich, einzuspringen und diesen Auftrag zu bearbeiten? Das würde mir sehr helfen.«

Hinter diesen Formulierungen steht offensichtlich eine bestimmte Geisteshaltung. Diese wird im sechsten Kapitel Sie wissen, was Sie wollen noch einmal genauer unter die Lupe genommen. Sie werden sehen, dass die dort erarbeiteten inneren Einstellungen zu einer bestimmten Wortwahl und zu einer offeneren und feineren Kommunikation führen.

Die Wortwahl geschieht häufig unbewusst, entscheidet aber über die Qualität der Kommunikation. Deshalb ist es wichtig, sich bewusstseinsmäßig sehr klar zu sein, was man erreichen möchte. Denn die innere Einstellung prägt entscheidend die Wortwahl.

Beobachten

Arbeiten Sie sich in diese Thematik ein, indem Sie die tägliche Kommunikation um sich herum beobachten. Wie wirken welche Formulierungen? Was interpretiert man hinein, wenn man bestimmte Formulierungen hört? Stimmt diese Interpretation wirklich oder verhalten sich die Personen nur ungeschickt? Mit diesen Fragestellungen werden Sie Ihren Kommunikationsprozess weiter verfeinern. Hierzu finden Sie noch weitere Anmerkungen im achten Kapitel.

Und nun beobachten Sie Ihre Mitmenschen, schmunzeln Sie über die Zusammenhänge, die Ihnen jetzt offenbar werden!

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