Selbstgespräche

Selbstgespräche gehören bei Niederlagen und Enttäuschungen zu den größten Herausforderungen. Wir können uns in mit ihnen nochmal richtig dekonstruieren oder aber auch neuen Mut aus Ihnen schöpfen und mit neuer Kraft vorangehen. Je nach dem was Ihr Oberstübchen ausbrütet, werden unterschiedlich viel Stresshormone ausgeschütet. Und das entscheidet über Ihr Stressleben. Ihre Gedanken sind maßgeblich für Ihr Wohlbefinden entscheidend …

Da waren zwei selbstständige Handwerker. Beide hofften auf einen Großauftrag, der ihnen jeweils über mehrere Monate ihr Auskommen gesichert hätte. Keiner der beiden erhält den Auftrag, sondern ein Dritter, der die beiden im Preis noch unterboten hatte. Der eine denkt: »Jetzt ist alles im Eimer, wo soll ich jetzt noch etwas kriegen, bei diesen Preisen habe ich ja nie eine Chance.« Danach schiebt er noch etwas Frust, zieht sich auf dem Sofa noch einen Krimi und ein, zwei Bier rein und grübelt sich mehr oder eher weniger erfolgreich in den Schlaf. Der andere denkt: »Shit happens, manchmal bist du der Hund und manchmal der Baum.« Dann geht er vielleicht noch etwas joggen und noch bevor er ins Bett geht, schreibt er schon das nächste Angebot.

Das ist jetzt kein Positiv-denken-Seminar und mir geht es auch nicht um das Thema Erfolgsstrategie, auch wenn es sicher interessant wäre, dies auch noch einzubeziehen. Ich will Ihre Aufmerksamkeit nur auf das lenken, was in so einem Moment in den jeweiligen Körpern unserer beiden Handwerker abgeht.

Sehr Unterschiedliches, das kann ich Ihnen sagen. Und zwar bereits bevor der eine joggen geht (und damit seine Stresshormone gleich wieder abbaut) und der andere sich mit dem Bier aufs Sofa knallt. Schon als ihr jeweiliges Oberstübchen mit dem nicht erhaltenen Auftrag konfrontiert wird, wurden ganz unterschiedliche Hormone und auch noch in unterschiedlichen Mengen ausgeschüttet. Und die sind, wie wir mittlerweile wissen, sehr entscheidend für unser Stresserleben.

Zweifelsohne gehören die Selbstgespräche nach Niederlagen und Enttäuschungen zu den größten Herausforderungen, mit denen wir in diesem Zusammenhang konfrontiert sind. Sie sind einerseits von entscheidender Bedeutung für das akute Stresserleben. Sie erinnern sich. Das, was wir denken, unsere Selbstgespräche entscheiden ganz direkt darüber, ob und wenn ja, wie viele Stresshormone wir in einer bestimmten Situation ausschütten. Im Weiteren sind die Selbstgespräche aber auch entscheidend dafür, wie schnell und wie gut wir in der Lage sind, die Enttäuschung produktiv zu verarbeiten und mit neuer Kraft vorwärts zu gehen.

Eines der bekanntesten Beispiele zu diesem Thema ist wohl jenes von Thomas Alva Edison, der bei der Erfindung der Glühbirne rund 10.000 Mal neu ansetzen musste, bis es ihm endlich gelungen war, einen Glühfaden zu entwickeln, der brennt, aber nicht verbrennt. Wie wäre es Ihnen dabei gegangen? Es ist wohl nicht übertrieben, anzunehmen, dass die allermeisten spätestens nach dem fünften Mal aufgegeben und das Projekt »Glühfaden, der brennt, aber nicht verbrennt«, beerdigt hätten. Doch Edison war aus anderem Holz gemacht. Als er gefragt wurde, ob er denn nach all diesen Fehlschlägen nie in der Versuchung gewesen sei, aufzugeben, gab er diese berühmte Antwort:

»Ich bin nicht entmutigt, weil jeder als falsch verworfene Versuch ein weiterer Schritt vorwärts ist.« (Thomas Alva Edison)

Edison ließ sich nicht vom Stress der Enttäuschung lähmen, sondern interpretierte die Fehlversuche stets als Hinweise zur Lösung des Problems. Sein »Geheimnis« war, dass er in jeder Situation das große Ziel, die Erfindung der Glühbirne, stets im Auge behielt, was ihn in die Lage versetzte, auch bei Versuchen, die nicht geklappt haben, lösungsorientiert zu bleiben. Dabei müssen wir uns bewusst machen, dass dies, auch wenn Edison sicher nicht daran gedacht hat, eine Gesundheitsmaßnahme allerersten Ranges war. Vor allem seine (Stress-)Hormonlage war eine komplett andere als dies bei einer »Sch…, das klappt-nie«-Reaktion der Fall gewesen wäre. Möglicherweise hat Edison auch eine ähnliche Technik genutzt, wie diejenige des folgenden »Den-Stress-im-Griff«-Tipps:

Stellen Sie sich bei einer Enttäuschung folgende Fragen:

  • Wie werde ich zu einem späteren Zeitpunkt, in einer Woche, einem Monat oder einem Jahr darüber denken?
  • Wenn ich mir vorstelle, dass ich in meiner Biografie zehn Jahre weiter bin: wie werde ich rückblickend die momentane Situation betrachten?

In der Regel führen diese Fragen bereits zu einer deutlichen Entspannung nach einer Enttäuschung, auch wenn sie zunächst ziemlich groß erscheinen mag. Im Übrigen wird mit dieser Selbstbefragungstechnik auch noch einmal deutlich, wie hilfreich bereits im Hier und Jetzt(!) eine Lebenssinn- und Lebenszielorientierung ist. Das Thema ist dabei nicht eine Vertröstung in die Zukunft, sondern eine Einarbeitung des gerade erlebten in die langfristige Perspektive. Natürlich hat sich die Enttäuschung dabei nicht gleich in Luft aufgelöst. Aber der weitere Horizont lässt einen eben auch nicht als am Boden zerstörtes Häufchen Elend zurück, sondern hilft, schnell wieder aufzustehen und mit neuer Kraft vorwärts zu gehen.

Ähnliches könnte man auch von Walt Disney berichten. Dieser hatte zwar bereits seine ganzen (zu jenem Zeitpunkt schon nicht unbeträchtlichen) Ersparnisse in seine Vision von »Disneyland« gesteckt. Er meinte: »Ich hatte das Gefühl, dass es so etwas geben müsste, wie eine Art Familienpark, wo die Eltern zusammen mit ihren Kindern Spaß haben könnten.« Er klapperte die Banken ab, um eine Finanzierung zu erhalten. Viele Banken, dreihundert an der Zahl. Sie haben ihm alle abgesagt, weil ihnen das Risiko zu groß erschien. Schließlich bekam er von der 301. eine Zusage und es konnte losgehen. Physiologisch ausgedrückt könnte man auch von Walt Disney sagen, dass er mit seiner Einstellung für eine energiereiche Hormonlage in seinem Körper gesorgt hat, die es ihm erlaubte, sein Leib- und Magen-Projekt durchzuziehen und durch alle Enttäuschungen durch zum Erfolg zu bringen. Vergessen wir nicht: wir wissen zwar heute, dass Disneyland eine geradezu unglaubliche Erfolgsgeschichte war und immer noch ist: aber bei der 187. Absage weiter zu machen, war auch für Walt Disney sicher nicht leicht.
Zur Herausforderung des produktiven Umgangs mit dem Stress von Enttäuschungen gehört es in der Regel auch, neue Entscheidungen treffen zu müssen. Gar nicht so einfach, wenn das eigene Denken mit Selbstgesprächen angefüllt ist, die einem noch den letzten Saft aus dem Leib ziehen. Das Problem dabei ist leider, dass es für Ihr Gehirn zunächst die viel leichtere Übung ist, mit negativen Gedanken zu reagieren, als mit positiven, lösungsorientierten Gedanken. Automatisch läuft deshalb in der Regel das negative Programm ab. Doch wir sind nicht dazu verpflichtet, dieses Programm auch für alle Zeiten auf unserer Festplatte zu lassen.

»Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel der Sorge über deinen Kopf kreisen. Aber du kannst sie daran hindern, Nester in deinen Haaren zu bauen.« (Chinesisches Sprichwort)
Nester für die »Vögel der Sorge« bauen wir zum Beispiel mit Gedanken wie »Das musste ja schief gehen« oder »Wenn das oder jenes passiert, dann ist das eine Katastrophe!« Wirklich? Häufig, sehr häufig hilft es schon sehr, den Stress zu minimieren, wenn man solch eine Aussage mal konsequent überprüft.

Den-Stress-im-Griff-Tipp

Sicht klären
•    Wenn der schlimmste Fall eintreten würde: was würde wirklich(!) konkret geschehen?
•    Wie schlimm wäre das wirklich?
•    Wie wahrscheinlich ist der Eintritt dieses Ereignisses?
•    Was wäre schlimmer als das?
•    Wie wichtig ist diese Sache wirklich für mich?

Wenn Sie diese und die anderen in den »Den-Stress-im-Griff«-Tipps enthaltenen, alternativen Fragen immer wieder stellen, werden Sie es nach und nach besser schaffen, Ihre auf »Stressverschärfung« ausgerichteten Gedanken auf »Stressverminderung« umzupolen.

Kein plattes »Denke positiv«!

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Hier geht es keinesfalls um ein plattes »Denke positiv«. Die Analyse einer Niederlage darf und soll ehrlich und ohne Beschönigung sein. Aber Analysen sind sehr oft das genaue Gegenteil. Wenn jeglicher positive Aspekt ausgeblendet wird und neue Chancen negiert werden, entfernt man sich eben auch von neuen Lösungsmöglichkeiten. Die hier vorgestellten Fragen sind daher weniger einem platten positiven Denken verpflichtet als einer umfassenden Sicht der Dinge, die vor allem eines erleichtern soll: die nächsten Schritte zu neuem positiven Handeln!

Machen Sie Ihre Selbstbeschreibung – und damit Ihren Selbstwert – unabhängig von der Niederlage

»Gut gebrüllt Löwe« wird sich jetzt vielleicht so mancher denken, der diese Zwischenüberschrift gelesen hat. Schließlich geht es keinem gut, der ein Spiel verloren, einen Auftrag nicht gekriegt oder eine Prüfung nicht geschafft hat. Trotzdem, oder erst recht, ist es von hoher Bedeutung, dass Sie nach einer Niederlage zwar ehrlich analysieren – aber genauso ist es wichtig, dass sie nicht aus dem Versagen in einer bestimmten Sache ein allgemeingültiges »Ich bin ein Versager« machen.

Ein beeindruckendes Beispiel dafür lieferte vor einigen Jahren der Schweizer Radrennfahrer Fabian Jeker. Nach über 1.400 äußerst beschwerlichen Kilometern bei der Tour de Suisse betrug sein Rückstand auf den Wahlschweizer Jan Ullrich: 1,37 Sekunden! Schon kurz nach der Zieldurchfahrt beim entscheidenden Zeitfahren hatte er unzählige Mikrofone von Reportern unter der Nase, die von ihm nun ein Statement wollten. Ein Statement der Enttäuschung, wie sie dachten. Wie überrascht waren sie, als davon nur wenig zu hören war. Stattdessen verkündete ein selbstbewusster Fabian Jeker: »Champions können verlieren. Und ich bin ein Champion!«
Es ist außerordentlich wichtig, dass wir die Bedeutung einer solchen Haltung verstehen. Wenn wir mit »Ich bin ein Versager« reagieren, passiert da weit mehr, als dass »nur« unser Selbstwert in den Keller geht. Ich denke, es ist jedem klar, dass solch ein Vorgang, unsere Chance, gesund und stark zu bleiben, um die nächste Herausforderung (die vielleicht schon gleich um die Ecke kommt) zu meistern, stark gefährdet oder sogar unmöglich macht.

Den-Stress-im-Griff-Tipp

Machen Sie Ihren Selbstwert niemals von Dingen abhängig, die Sie nicht in der Hand haben! Ein Sportler hat zum Beispiel nur die eigene Leistung in der Hand, nicht aber die seiner Gegner. Ähnliches gilt im Geschäftsleben. Sie haben einiges, was Ihren geschäftlichen Erfolg anbelangt in der Hand, aber eben nicht alles!

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