Machen wir ein Drama daraus

Alle reden immer davon Konflikte zu vermeiden und Konflikte zu lösen. Warum soll man dem “Gegner” zur Abwechslung nicht mal zeigen wo es lang geht? Warum kein echtes Drama daraus machen? Linda Schröter liefert einen Gegenentwurf zur üblich verbreiteten Konfliktkuschelei.

Das bösartige Gegenüber

Beginnen Sie am besten damit, ein furchteinflößendes Feindbild Ihres Gegenübers zu erschaffen. – Je unsympathischer und bösartiger, desto besser! Das bewahrt Sie davor spontan mit Mitgefühl auf Ihr –sonst vielleicht zu menschlich wirkendes – Gegenüber reagieren. Die Grundlagenarbeit ist also sehr, sehr wichtig. Folgende konkrete Schritte helfen, das „bösartige Gegenüber“  zu erschaffen:

  1. Suchen Sie Schlechtes!
    Denken Sie an alles, was ihr Gegenüber je Schlechtes, Inkompetentes oder Unfreundliches getan oder gesagt hat. Sammeln Sie großzügig alles, was im weitesten Sinne in diese Kategorie fallen könnte. Ihr Gehirn hilft Ihnen dabei sogar! Erinnerungen, die in der gleichen Gemütslage wie der aktuellen entstanden sind, können wir besonders leicht abrufen! Passen Sie deswegen gut darauf auf, im Konflikt in Ihrer düsteren Stimmung zu verweilen! Positive Ablenkungen wie angenehme Bilder auf dem Computer, kurze Kaffeepausen mit netten Kollegen oder sogar Gedanken an den nächsten Urlaub sind während des Konfliktgeschehens unbedingt zu meiden!
  2. Weg mit positiven Gefühlen!
    Falls Ihnen trotz dieser Warnhinweise doch irgendetwas Positives zu Ihrem Gegenüber einfallen sollte, bitte sofort verdrängen! Falls das nicht klappt, finden Sie bitte schnell eine  negative Interpretationsmöglichkeiten in dem Stil: „Das hat er ja nur gemacht, um das und das zu erreichen. Berechnend!“ Jegliche positive Gefühle lenken schließlich nur vom Hilflosigkeitsdrama ab!
  3. Seien Sie kreativ!
    Nutzen Sie die freie Assoziation, um weitere negative Inhalte und damit möglichst unangenehme Gefühle zu erschaffen. Erinnert Sie Ihr Konfliktpartner nicht irgendwie an den Onkel, der immer so ungerecht zu Ihnen war? Der hatte doch auch einen Bart! Derjenige, der Ihren Geschwistern immer Schokolade mitbrachte, Ihnen aber nie? Können Sie sich an diese Gefühle von Neid, Einsamkeit und Wut noch erinnern? Bestens! Kleben Sie diese persönlichen Erinnerungen und Projektionen innerlich auf das Bild Ihres Konfliktpartners. Fortgeschrittene Konflikt-Eskalierer meistern diese Strategie sogar schon unbewusst.
  4. Handeln, solange die Wut noch frisch ist!
    Die richtige Grundeinstellung haben Sie bereits gefunden! Jetzt geht es schon los: Ihr Gegenüber hat etwas gesagt, woraufhin Sie eine kleine Wut in sich spüren. Jetzt müssen Sie dieses Feuer als erstes anfachen! Wenn Sie warten, bevor Sie auf das Gesagte reagieren, könnte es bereits wieder erloschen sein. Pausen nach (vermeintlichen) Angriffen führen häufig zu einer Beruhigung der Gemüter und manchmal sogar zu unerwünschtem Verständnis für den anderen. Um die Chance des Konfliktes zu ergreifen, müssen Sie auf jeden Fall so schnell wie möglich reagieren. Ganz nach dem Motto: Besser kurz und schmerzhaft als lang und angenehm. Eine treffende Beleidigung oder mindestens ein satter Vorwurf sind ein guter Einstieg in das Konfliktgeschehen.

Theatralisch beleidigen

Als erstes nehmen Sie bitte ganz klar die Rolle des Opfers ein. Aus dieser Haltung kann man am einfachsten gemein sein. Und wenn Sie sich so richtig als Opfer fühlen, haben Sie natürlich das Recht, zum Präventiv-Schlag auszuholen! Das ist doch klar! Jetzt hilft Ihnen Ihre Vorbereitung von Punkt 1. Wie war das noch mit dem gescheiterten Projekt oder dem verärgerten Kunden?

Merke: Das Sammeln von Ärgernissen kann sich lohnen. Auf keinen Fall zeitnah ansprechen! Sonst könnte Ihr Gegenüber noch etwas wieder gut machen oder ändern!

Gekonnt irreführen

Haben Sie ein hartnäckiges Gegenüber, welches vielleicht immer noch freundlich wirkt? Das können Sie ändern. Greifen Sie jetzt zu einer besonders beliebten und bewährten Eskalationstaktik: Streulichter werfen! Versuchen Sie so viele Probleme, Vorwürfe und Ärgernisse gleichzeitig auf den Tisch zu bringen, dass Ihr Gegenüber auf keinen Fall mehr sinnvoll reagieren kann. Und denken Sie vor allem immer daran, dass Sie Recht haben! Das hilft von Irrwegen des Verständnisses abzulenken!
Sie werden Ihren Erfolg daran bemerken, dass Ihr Gegenüber gar nicht mehr weiß, worum es Ihnen eigentlich geht. Noch gekonnter wirkt das Ganze, wenn Sie das auch nicht wissen!
Darum sollten Sie immer und unbedingt jegliches Hinterfragen Ihrer Beweggründe oder negativen Emotionen vermeiden. Besonders wichtig ist auch, dass Sie mit niemandem darüber sprechen, wenn Sie sich über Ihr Gegenüber ärgern. Unbeteiligte finden es oft zu leicht, auch die andere Perspektive zu sehen und könnten Ihnen diese näher bringen. Und wie schnell könnte dann dieses fies wohlige Gefühl der Verbundenheit mit Ihrem Gegenüber aufkommen. Auf jeden Fall meiden!

Bitte beachten Sie Risiken und Nebenwirkungen

Ob sie diese Tipps beherzigen bleibt Ihnen überlassen. Falls Sie aber in einem Konflikt plötzlich feststellen sollten, dass Sie genau das tun, haben Sie schon viel erreicht! Sie können dann nämlich wählen! Lohnt sich die Konflikteskalation auch langfristig? Oder fliegt Ihnen die Konsequenz der kurzzeitigen Genugtuung möglicherweise schneller um die Ohren, als Sie befürchtet hätten? Wenn wir uns wenig hilfreicher (und leider sehr menschlicher) Verhaltensweisen bewusst werden, können wir ein freieres Leben führen!

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