Lächelnde Schritte – Wie man Gewohnheit lernt

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ob wir wollen oder nicht lieben wir feste Abläufe und Rituale. Das trifft sogar auf Menschen zu, die das starke Bedürfnis nach Veränderung haben. Markus Hornung verrät Ihnen, wie Sie Grundbedürfnisse wie Stabilität und Sicherheit und den Wunsch nach Veränderung versöhnen damit sich etwas ändert.

Es stimmt tatsächlich, der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Unser Gehirn liebt Routinen und Rituale und ist ein Fan geregelter Abläufe. Das trifft übrigens auch bei denjenigen unter uns zu, die in ihrem Wertesystem den Wunsch nach Veränderung sehr weit oben auf der Liste stehen haben. Auch diese Menschen fühlen sich in gewohnter Umgebung wohl. Was kann man also tun, um Grundbedürfnisse wie Stabilität und Sicherheit auf der einen Seite und den Wunsch nach Veränderung auf der anderen Seite so miteinander zu versöhnen, dass eine angestrebte Veränderung gelingen kann?

»Eine Angewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe hinunterboxen. Stufe für Stufe.« (Mark Twain (1835–1910), amerikanischer Schriftsteller)

Erinnern Sie sich an die guten Neujahrsvorsätze und das Prinzip von der abnehmenden Intensität? Letzteres sagt uns, dass die emotionale Motivation von dem Augenblick an, in dem sie entsteht, zurückgeht. Wir haben mit den vier Vorsatz-Quick Wins erste Schritte eingeleitet, um dem Gesetz von der abnehmenden Intensität sozusagen ein Schnippchen zu schlagen. Dies funktioniert schon recht gut, wir können aber die Umsetzungswahrscheinlichkeit noch weiter steigern, wenn wir es schaffen, aus den guten Vorsätzen bleibende Gewohnheiten zu machen. Die folgende Technik funktioniert besonders gut bei allen Vorsätzen und Zielen, die mit der Formulierung »Ich möchte regelmäßig …« beginnen, weil die zur Zielerreichung nötige Emotion, die Freude, immer wieder geladen und verankert wird. Nicht dramatisch, aber spürbar. Das Schöne daran ist, dass Sie mit dieser Technik auch mehrere Gewohnheiten installieren können, weil diese emotional miteinander verknüpft werden. Besonders wirksam ist sie, wenn einige der neuen Gewohnheiten eher klein und daher leicht erreichbar sind und andere davon durchaus eine Herausforderung darstellen.

Der Gewohnheitsgenerator

Die Grundidee besteht in folgender Systematik:

  1. Zuerst machen Sie sich klar, welche einzelnen Gewohnheiten Sie sich gerne aneignen möchten.
  2. Jedes Mal, wenn Sie eine dieser Tätigkeiten tatsächlich ausüben, ertappen Sie sich ganz bewusst dabei und spüren den Stolz oder die Freude darüber. Ja, Sie laden diese beiden Emotionen geradezu hoch.
  3. Während Sie das tun – und das ist das Entscheidende! – denken Sie gleichzeitig intensiv an die anderen Vorsätze,
    die anderen Verhaltensweisen, aus denen Sie eine Gewohnheit machen wollen. Stellen Sie sich dabei vor, wie es sich anfühlt, auch diese auszuführen und tun Sie dies mit dem Lächeln, das Sie noch auf den Lippen haben, weil Sie sich bei der aktuellen Gewohnheit ertappt haben.
  4. Wann immer Sie sich also bei einer der Tätigkeiten, die Sie zu einer Gewohnheit machen wollen, beobachten, ja geradezu »ertappen«, freuen Sie sich ganz bewusst – am besten mit einem leisen Lächeln – darüber, dass Sie es tun und denken Sie dabei an alle anderen Tätigkeiten, die zu Gewohnheiten werden sollen.

Das ist alles. Konsequent angewendet steigt aufgrund der emotionalen Markierung mit jedem Mal Ertappen bei einer Tätigkeit, die Wahrscheinlichkeit, dass Sie die anderen ebenfalls zunehmend durchführen, weil diese mit der Freude, also genau der Emotion verknüpft werden, die wie keine zweite zur Wiederholung von Verhalten führt.

Der Gewohnheitsgenerator hört sich beim ersten Durchlesen ein wenig kompliziert an, benötigt aber keinerlei nennenswerten Zeitaufwand und funktioniert bei vielen unserer Teilnehmer sehr gut. Sie installieren dadurch in Ihrem Gehirn ein eigenes kleines Programm, eine App sozusagen, die dafür zuständig sein wird, sich neue Gewohnheiten leichter anzugewöhnen! Daher auch der Name Gewohnheitsgenerator.

Ich beschreibe Ihnen das Ganze einmal an einem konkreten Beispiel. Stellen Sie sich vor, Sie möchten die drei folgenden Vorsätze umsetzen. Alle drei stellen neue Gewohnheiten dar und ich habe Sie auch schon nach der Schwierigkeit ihrer Umsetzung sortiert.

Beispiel für drei gute Vorsätze, die zu Gewohnheiten werden sollen

  1. Ich werde jeden Morgen als erstes ein Glas Wasser trinken.
  2. Ich werde konsequent Treppen steigen, anstatt mit dem Aufzug zu fahren.
  3. Ich werde drei Mal pro Woche dreißig Minuten Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht machen.

Starten wir den Gewohnheitsgenerator

Schritt 1: Zuerst einmal machen Sie sich bewusst, was genau die einzelnen Gewohnheiten sind, wie sie sich anfühlen und wozu Sie die Veränderung in Ihrem Leben haben möchten.

Schritt 2: Das erste Glas Wasser ist der Beginn von allem und beim ersten Schluck aus dem ersten Glas Wasser fangen Sie an zu grinsen, weil Sie merken, dass der erste – wenngleich winzige – Schritt getan ist. Es mag etwas merkwürdig klingen, sich zu Beginn über eine scheinbare Winzigkeit wie einen Schluck Wasser freuen zu sollen. Aber jeder, der schon einmal versucht hat, sich etwas anzugewöhnen, weiß, dass das gar nicht so einfach ist und daher können diese ersten Schritte aus meiner Sicht gar nicht intensiv genug mit der Emotion der Werteerfüllung, also der Freude markiert werden. Das tun Sie dann eine Zeit lang jeden Morgen – ohne Ausnahme. Hängen Sie sich zu Beginn einen Zettel an den Spiegel oder kleben Sie sich einen Smiley an die Zahnbürste, egal was, nur sorgen Sie dafür, dass Sie jeden Morgen ein Glas Wasser trinken und markieren Sie das tatsächlich jedes Mal mit einer kleinen Freude, Sie werden merken, dass Sie sich nach einiger Zeit bereits beim Aufstehen auf das Glas Wasser freuen.

Schritt 3: Wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, schnappen Sie sich das Nächste, was Sie sich angewöhnen wollen – und das darf auf der Herausforderungsskala ruhig einen Tick weiter oben liegen als das Glas Wasser.

Denken Sie von nun an jedes Mal, wenn Sie morgens das Glas Wasser trinken und sich dabei ein wenig freuen, gleichzeitig an die neue Tätigkeit, die zu einer Gewohnheit werden soll.

Schritt 4: Dann entscheiden Sie sich zu einem ganz bestimmten von Ihnen gewählten Zeitpunkt ganz bewusst, diese neue Tätigkeit – in unserem Beispiel Treppen zu steigen, statt Fahrstuhl zu fahren – durchzuführen. Ich weiß, das klingt irgendwie bescheuert, aber machen Sie eine große emotionale Sache daraus! Tun Sie es und während Sie es tun, freuen Sie sich mit genau der gleichen Freude, mit genau dem gleichen leisen Lächeln darüber, mit dem Sie sich über das Glas Wasser am Morgen freuen. Während Sie das tun, denken Sie kurz an das Glas Wasser, das in der Zwischenzeit zu einer lieben Gewohnheit geworden ist. Und spüren Sie, wie dieser Gedanke das leichte Lächeln ein klein wenig verstärkt.

Schritt 5: Jedes Mal, wenn Sie sich von nun an zwischen Fahrstuhl und Treppe entscheiden müssen, denken Sie kurz an das Glas Wasser am Morgen. Sie werden merken, dass Ihnen in diesem Moment die Entscheidung die Treppe zu nehmen, leichter fällt. Also tun sie es! Nehmen Sie die Treppe und grinsen Sie in sich hinein mit den Worten: »Es geht doch! Überhaupt kein Problem!«

Nun ertappen Sie sich weiterhin jeden Morgen mit diesem Lächeln dabei, dass Sie das Glas Wasser trinken und jedes Mal wenn Sie eine Treppe sehen ertappen Sie sich dabei, dass Sie an das Glas Wasser denken, an das Sie sich so problemlos gewöhnt haben und Sie fangen an zu grinsen und nehmen die Treppe und so gewöhnen Sie sich an die Treppe.

Schritt 6: Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem Sie schon zu grinsen beginnen, wenn Sie merken, dass irgendwo eine Treppe kommt. Dann verbringen Sie eine Zeit lang – und zwar so lange, bis Sie Lust bekommen, eine weitere Gewohnheit ins Repertoire aufzunehmen – damit, eine gute Zeit mit dem allmorgendlichen Glas Wasser und den ganzen Treppen zu haben, die Ihnen so im Lauf Ihres Lebens begegnen.

Freuen Sie sich bei jedem Glas Wasser, das Sie trinken und bei jeder Treppe, die Sie steigen, darüber, dass Sie es tun und denken Sie dabei an das Sportprogramm, das Sie sich vorgenommen haben.

Schritt 7: An einem Tag, an dem Sie erfolgreich vielleicht sogar vier Gläser Wasser getrunken haben – was Ihrer Gesundheit nur gut tun kann – und mehrmals Treppe gestiegen sind, beginnen Sie mit der gleichen Emotion Ihr Sportprogramm. Jedes Mal, wenn Sie an das Sportprogramm denken, denken Sie an das Glas Wasser sowie an das Treppensteigen und freuen sich, dass Sie beides durchziehen. Und jedes Mal wenn Sie ein Glas Wasser trinken, denken Sie an das Treppensteigen und an das Sportprogramm und freuen sich, dass Sie es durchziehen. Und jedes Mal, wenn Sie Treppen steigen, denken Sie an das Sportprogramm und das Glas Wasser und freuen sich, dass Sie es durchziehen. So verstärken sich die vielen kleinen Erfolgserlebnisse gegenseitig über die vielen kleinen Momente der Freude. Was nichts anderes bedeutet, als dass die Motivation für alle – in diesem Beispiel drei Gewohnheiten – deutlich länger aufrechterhalten wird, als wenn man sich nur auf eine davon konzentriert.

Was passiert bei dieser Technik? Sie benutzen die Freude als Emotion der Werteerfüllung, Sie setzen die Freude ein, um Verhalten zu verstärken, Sie bekommen ein wachsendes Gespür dafür, dass Sie sich an sehr vieles gewöhnen können, was Sie tun möchten und Sie »installieren« einen somatischen »Ich-kann-es-schaffen«-Marker, der es jedes Mal leichter macht, sich ein neues Verhalten anzugewöhnen.

Einige Tipps und Bemerkungen noch

Es ist sicher hilfreich, sich als Erstes etwas Kleines vornehmen, etwas, das sehr leicht zu erreichen ist und das Sie auch wollen und das vollkommen ohne Probleme und ohne Zeitaufwand zu bewerkstelligen ist.

Arbeiten Sie zu Beginn mit mindestens zwei und höchstens vier Gewohnheiten auf diese Weise und überraschen Sie sich selbst, wie leicht es ab und zu ist, sich Dinge anzugewöhnen. Wenn die so installierten Gewohnheiten sitzen, können Sie sich – sofern das nötig ist – neue vornehmen.

Ich kann Sie aus eigener Erfahrung und aus der Erfahrung meiner Klienten, die mit dieser Technik arbeiten, nur herzlich ermutigen, den etwas schräg klingenden Gewohnheitsgenerator einmal auszuprobieren. Auch hier gilt wie immer: Es wird nicht für jeden, der dies liest, funktionieren. Aber einige von Ihnen werden es lieben!

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