Kein Ziel ist mit Sicherheit daneben

Wenn Sie in Verhandlungen gehen, sollten Sie ein Ziel haben. Doch wenn das das einzige Ziel ist, dann ist das eindeutig zu wenig. Damit Sie das Beste für sich rausholen, sollten Sie sich weitere Kriterien als Verhandlungsmasse zurechtlegen. Christoph Krüger und Peter Kensok erklären warum der Plan B so wichtig ist …

Das Minimalziel für den Einkäufer ist immer der höchste Preis, den er für ein Produkt zu zahlen bereit ist. Sein Maximalziel ist der niedrigste Preis, den er sich gerade noch vorstellen kann, ohne dass er mit Qualitätseinbußen, Lieferverzug oder Nachträgen des Lieferanten rechnen müsste.

Bei Verkäufern ist es genau umgekehrt. Für Verkäufer ist der höchste Preis, den sie realistischerweise in der Verhandlung anstreben, ihr Maximalziel. Das Minimalziel des Verkäufers beschreibt den untersten Wert, zu dem er bereit ist, seine Ware abzugeben.

Ein Einkäufer setzt beispielsweise als Minimalziel für ein bestimmtes Produkt 1.200 Euro an. Die würde er also noch zahlen und den Abschluss als »gerade noch okay« verbuchen. Nun macht der Verkäufer auf der anderen Seite des Verhandlungstischs ihm ein »endgültiges und letztes« Angebot von 1.201 Euro. Da das Minimalziel des Einkäufers 1.200 Euro sind, wären selbst 1.200,01 Euro nicht mehr akzeptabel. Das ist das Gesetz!

Das Minimalziel ist der absolut unterste Anschlag des Einkäufers und jede noch so geringe Abweichung nach oben ein »No Go«. Neue Verhandler unter den Einkäufern setzen sich mit einem bewussten, von ihnen und für sich in der Vorbereitung festgeschriebenem Minimalziel entspannter an den Verhandlungstisch. Jede Abweichung bringt sie auf dünnes Eis, und gewiefte Verkäufer nutzen das sofort. Wenn auch 1.201 Euro akzeptiert würden, warum dann nicht 1.202, 1.203 oder 1.300 Euro? Wären auch 1.201 Euro akzeptabel, dann hätten Sie als Einkäufer sich das falsche Minimalziel gesetzt.

Vielleicht wurden in der Verhandlung auch neue Erkenntnisse zugänglich, die Ihre Ziele aus der Vorbereitung dieser Verhandlung erschüttern. Oder es wird ein unerwarteter Weg aufgezeigt, wie der Verhandlungskuchen vergrößert werden kann. Dann sollten Sie die Verhandlung unterbrechen, sich neu sortieren und neue Ziele festlegen.

Erfahrene neue Verhandler haben für wichtige Verhandlungen immer einen Plan B, sodass sie sich vor solchen Überraschungen schützen können. Sie wissen, dass es zu spät ist, sich erst um Alternativen zu kümmern, wenn sie mit ihrem Minimalziel zu scheitern drohen. Ist ihr Minimalziel nicht zu erreichen, ohne dass dafür eine entsprechende Kompensation erfolgt, dann gibt es nur eine Option. Die heißt »Nein« und sollte ebenfalls gut vorbereitet sein.

Das Worst-Case-Szenario, die Annahme des schlimmsten Falls, gehört zwingend zur Vorbereitung einer Verhandlung! Es beschreibt unsere Alternativen für den Fall, dass wir uns nicht durchsetzen werden. Erkennen neue Verhandler dies rechtzeitig und handeln entsprechend, dann haben sie keinesfalls versagt. Sie sparen Zeit, die besser in die Suche nach einem neuen Anbieter investiert wird. Für unseren Einkäufer oben heißt das, dass er schon vorher weiß, welcher Lieferant das Minimalziel auf jeden Fall erfüllt.

Die beste Alternative ist in der Regel auch gleich das Minimalziel und die Ausstiegsmarke in einer Verhandlung. Ein Verhandler kann in dem Fall sehr selbstbewusst »Nein« sagen, ohne dass der Verhandlungspartner annehmen könnte, er stünde mit dem Rücken zur Wand und könne nicht mehr ausweichen.

Die Position des Einkäufers stärken Informationen über austauschbare Materialien oder bei Dienstleistungen die mögliche Umschichtung von Mitarbeiterressourcen im eigenen Unternehmen.

Das Maximalziel ist auf eine andere Weise tückisch. Viele klassische Verhandler haben kein wirkliches Maximalziel und kennen nur eine Regel: »The Sky is the Limit!« Wenn der Himmel für sie jedoch die einzige Grenze ist und sie sich auf keinen Fall einschränken werden, dann können solche Verhandler niemals wirklich erfolgreich sein. Ein gutes Ergebnis wäre nicht messbar. Sie setzen sich psychisch völlig unnötig unter Dauerdruck, denn irgendwie wissen sie ja, dass mehr drin gewesen wäre. Die mangelhafte Vorbereitung verhindert, dass sie dies rechtzeitig erkennen.

Das Maximalziel ist ein Teil des Risikomanagements neuer Verhandler. Einmal wissen Sie, dass es beim Einkauf von Waren und Dienstleistungen immer einen Preis gibt, ab dem die Qualität abnimmt oder zumindest mit Qualitätseinbußen gerechnet werden muss. So ergibt es keinen Sinn, einen Maler unter die Kosten zu drücken, die für Material und Arbeitsleistung entstehen. Ein weiterer Grund sind die eigene Psyche und der Faktor Zeit. Mit einem Maximalziel wissen wir, ab wann wir eine Verhandlung als Erfolg werten können. Haben wir es erreicht, können wir die Verhandlung beenden und uns anderen Inhalten zuwenden. Damit ist es in der Regel sinnvoll, ein gesetztes Maximalziel auf möglichst geradem Weg zu erreichen und es dann auch zu bejahen, statt immer weiter zu drücken und zu verhandeln. Wir haben weiter oben gesehen, dass selbst auf einem pakistanischen Basar viel Zeit gespart werden kann, wenn jemand sein Maximalziel kennt und zugreift, sobald das Angebot eines Händlers diesem Maximalziel entspricht.

Risikomanagement bedeutet auch, dass wir zu einem unsagbar niedrigen Preis in der Regel ein höheres Risiko einkaufen. Wir hinterlassen nicht nur einen Verkäufer als Geschlagenen auf dem Schlachtfeld, der ab jetzt auf eine Revanche sinnt. Nach der flüchtigen Freude über den vermeintlichen Triumph fressen die Folgekosten von Nachträgen über Qualitätsmängel bis hin zu Lieferverzug alle Einsparungen wieder auf. Auch solche unerbetenen »Gäste« wollen neue Verhandler am Verhandlungstisch nicht.

Gute Einkäufer wissen genug über ihr Fachgebiet und die Möglichkeiten ihrer Geschäftspartner, um beurteilen zu können, ab wann ein zu niedriger Preis qualitativ hochwertige Produkte ausschließt. Der neue Verhandler ist nicht daran interessiert, seinen Verhandlungspartner in den Ruin zu treiben. Gibt es keinen Kuchen mehr, kann auch keiner mehr verteilt werden! Am Ende gibt es für das Produkt nur noch einen einzigen Wettbewerber auf dem Markt, der die Situation ausnutzt und die Konditionen nach Belieben diktieren kann.

Bei niedrigen Preisen müssen wir mit anderen Qualitäten rechnen. Wird deswegen eine Produktion ins Ausland verlagert, könnten Lieferungen wegen der Transportbedingungen ausfallen oder verspätet eintreffen. Möglicherweise hat sich ein Lieferant mit einer aufwendig handgefertigten Produktion eingekauft, und wir erhalten nach der Vertragsunterzeichnung nur noch eine schlechte Massenproduktion, wie dies bei Geschäften mit chinesischen Lieferanten oft passiert.

Zum Preis gehören immer auch die Qualität und die Konditionen, zu denen wir beliefert werden möchten. Bei Dienstleistungen ist das genauso. Müssen bereits ausgelastete Krankenpfleger ein Drittel mehr Menschen versorgen, damit der Preis wieder stimmt und die Einrichtung genügend Rendite abwirft, dann häufen sich die Beschwerden. Abgesehen davon steigt der Krankenstand unter den Mitarbeitern.

Wer als Verkäufer nur den Himmel als Grenze sieht und so teuer wie nur irgend möglich verkaufen will, wird in einer Verhandlung schlechte Karte haben. Drückt er den Einkäufer über dessen Minimalziel hinaus über den Preis, den der laut seiner Vorbereitung maximal zu zahlen bereit ist, dann vergiftet das unter Umständen die Verhandlungsbeziehung für immer. Das Niemandsland, das ihm dann droht, war noch nie ein guter Ort für Verhandlungen. Neue Verhandler fahren mit realistischen und durchaus ehrgeizigen Minimal- und Maximalzielen in neun von zehn Fällen besser als diejenigen, die nur gegen den Himmel verhandeln.

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