Der Facebook-Test: Millionen liken, was andere gut finden

Warum liken wir, was andere gut finden? Warum folgen wir der Herde, obwohl wir anderer Meinung sind? Wir sind irgendwie immer noch Herdentiere und gelegentlich auch schwarmblöd. Denn die Sehnsucht nach der kuscheligen Wärme der Herde macht uns anfällig für falsche Entscheidungen …

Auch im Internet lässt sich die menschliche Neigung zum Herdenverhalten nachweisen. Bei den 2010er-Wahlen zum Kongress nahmen Millionen amerikanischer Facebook-User sogar unfreiwillig an einer Untersuchung teil: Eine Gruppe sah auf ihrer Facebook-Seite eine Aufforderung, zur Wahl zu gehen, und die Stellen, an denen in der näheren Umgebung Wahllokale zu finden waren. Eine zweite Gruppe sah dieselben Informationen, zusätzlich allerdings einen ›Ich habe gewählt‹-Button, versehen mit einem Zähler, der die Anzahl Freunde anzeigte, die bereits gewählt hatten, und noch bis zu sechs Profilbilder dieser Freunde. Aus dieser Gruppe gingen deutlich mehr zur Wahl als aus der ersten. Ein Triumph für die Demokratie, wenngleich mit nicht völlig koscheren Hilfsmitteln. Aus verhaltenspsychologischer Sicht ist entscheidend, dass wir uns durch die Kenntnis des Verhaltens anderer zu einer Verhaltensänderung bewegen lassen. Denken Sie jetzt bitte nicht, dass wir nur in wenigen Bereichen wie bei der Handtuchnutzung im Hotel oder bei dem Gang zur Wahlurne das Verhalten unseres Umfeldes unsere Entscheidungen beeinflussen lassen. Ähnlich gut überzeugen lassen sich Menschen mit dieser Schwarmmethode auch in anderen Bereichen: Der Spiegel berichtet von Erfolgen in Großbritannien. Dort suchten die Finanzämter nach Wegen, die Bürger zu pünktlicher Bezahlung ihrer Steuerschuld zu motivieren. Auf der englischen Insel »ist es üblich, dass Kleinunternehmer und Freiberufler selbst schätzen, wie viele Steuern sie dem Staat überweisen müssen. Verpassen sie den Termin, bekommen sie ein standardisiertes Mahnschreiben. Die Nudge Unit [Bezeichnung für das Behavioural-Insights-Team der britischen Regierung mit dem Ziel der Lenkung von Verhalten] veränderte den Wortlaut des Schreibens. Sie teilte den Betroffenen mit, dass die meisten anderen Menschen in ihrer Gemeinde die Steuern pünktlich bezahlt hätten […] und tatsächlich beeilten sich viele Betroffene, ihre Steuerschuld zu begleichen. Die Zahlungsmoral verbesserte sich um 15 Prozent.«

Gruppendruck schlägt Regeln

Warum waren nun die Finanzämter in England so erfolgreich? Die Schlüsselidee bestand darin, Regeln oder Verbote durch mehr oder minder sanften Gruppendruck zu ersetzen. Die Initialzündung zu diesen Ideen geht auf eine Veröffentlichung aus dem Jahr 1951 zurück. Der Psychologe Solomon Asch veröffentlichte erstmals die Ergebnisse seiner Untersuchungen zur Wirkung von Gruppen auf das Urteil und das Verhalten Einzelner:

Eine Gruppe von sieben bis neun Person nahm an einem (angeblichen) Wahrnehmungsexperiment teil. Ihre Aufgabe bestand im Vergleich einer Musterlinie mit drei anderen Linien, eine davon eindeutig kürzer und die andere eindeutig länger. Bis auf eine Person waren allerdings alle anderen durch den Versuchsleiter dahin gehend instruiert, dass sie ein falsches Urteil abgaben. Die Urteile wurden offen geäußert und alle Komplizen des Versuchsleiters äußerten sich vor der eigentlichen Versuchsperson. Würde es möglich sein, dadurch ein falsches Urteil zu provozieren? Die Resultate sprechen eindeutig dafür. Über mehrere Versuche hinweg machten etwa 76 Prozent der Teilnehmer klare Fehler – sie schlossen sich der Gruppenmeinung an. In einer Kontrollgruppe kamen derartige Fehler nicht vor. Zudem äußerten die Versuchspersonen im Debriefing, dass sie sich ihres falschen Urteils bewusst gewesen seien. Sie zogen es allerdings vor, wider besseres Wissen, aber in Übereinstimmung mit der Mehrheit zu entscheiden. Die kuschelige Macht des Schwarms scheint ein ziemlich mächtiges Instrument zu sein.

Wie können Sie die Macht des Schwarms am besten nutzen?

Es hat den Anschein, dass Menschen viel mehr darauf achten, wie sich andere in ihrem Umfeld verhalten, und dann ihre Entscheidungen daran ausrichten. Wenn Sie glauben, dass alle Menschen pünktlich ihre Steuern zahlen, dann tun Sie es Ihrem Umfeld gleich. Wenn viele Menschen ganz offensichtlich gerne einen VW-Golf gekauft haben, dann kann ich damit auch nichts falsch machen. Als die Menschen in den letzten Tagen der DDR beobachten konnten, dass sich immer mehr Menschen auf den Montagsdemonstrationen in Leipzig versammelten, trauten sie sich, es ihnen gleich zu tun. Wenn eine Mode erst einmal zum Mainstream geworden ist, tragen wir alle entweder kurze Röcke, Hosen mit Schlag oder Flipflops. Eigentlich egal, Hauptsache, die anderen machen es auch.

Wenn Sie also von der Macht des Schwarms als Überzeugungsmethode profitieren möchten, dann erwecken Sie bei Ihrem Gegenüber den Eindruck, dass er nur eine Entscheidung treffen muss, die alle oder zumindest ganz viele andere auch schon getroffen haben.

Machen Sie es doch wie die Profis in der Werbung: Ein schönes Beispiel ist Werbung für Zahnpasta. Wenn in einem Werbespot kolportiert wird, dass sieben von zehn Zahnarztfrauen eine bestimmte Sorte Zahnpasta empfehlen, dann muss die Marke wohl wirklich gut sein. Und wenn auf tripadvisor ein Hotel von vielen Gästen empfohlen wird, dann sollten Sie dort ebenfalls absteigen. Eine Sitcom wird als lustiger eingeschätzt, wenn die Zuschauer oft und kräftig lachen. Dieser Effekt tritt sogar dann ein, wenn wir wissen, dass das Gelächter eingespielt wird, also aus der Konserve kommt. Institute wie Sparkassen oder Volksbanken begründen einen Teil ihrer Leistungsfähigkeit mit ihrem hohen Marktanteil – wenn jeder Zweite in der Region Kunde des betreffenden Instituts ist, dann muss dieser Anbieter einfach leistungsfähiger sein als der Wettbewerb. Derartiges glauben wir gerne, auch wenn es objektiv vielleicht gar nicht stimmt. Verbraucherschützer jedenfalls können Sparkassen keinen Leistungsvorteil attestieren. Vielmehr kommen Experten zu dem Schluss, dass der Marktanteil der Sparkassen und Volksbanken sich eher aus ihrer Omnipräsenz hinsichtlich Filialen und Bankautomaten ableiten lässt.

Wir haben in unserer individuellen und in unserer Entwicklungsgeschichte gelernt, dass es lohnend ist, sich an der Mehrheit zu orientieren. Wenn daher die Möglichkeit besteht, sich als führender Anbieter darzustellen oder das eigene Produkt als Standardprodukt auszuloben, dann sehen die Chancen für den Erfolg tendenziell gut aus.

Es gibt noch ein weiteres Phänomen im Zusammenhang mit der Magie der Mehrheit: Eine Außenseitermeinung zu vertreten erfordert besonderen Mut. Wenn Sie jemanden überzeugen wollen, ist es ratsam, ihn mit seiner Überzeugung nicht alleine stehen zu lassen. Schließlich stellen wir uns an den Rand der Gruppe, wenn wir eine abweichende Meinung vertreten. Dort ist es recht kalt. Wer abweichende Meinungen vertritt, muss mit Sanktionen aus der Gruppe rechnen. Er wirkt auf Mitglieder der Gruppe weniger sympathisch, wird abgelehnt und vielleicht sogar angegriffen. Konformes Verhalten hingegen wird meist von der Gruppe verstärkt und damit auch für die Zukunft festgelegt. Je größer eine Gruppe ist, desto stärker ist die Tendenz zur Anpassung. Nur Menschen mit hohem Selbstwertgefühl sind auf Dauer bereit, sich diesen Einflüssen zu widersetzen. Ganz wird es auch ihnen meist nicht gelingen.

Teilen

Dieser Artikel kann nicht kommentiert werden.