Dein Weg ins Neuland – Mut zu Veränderung

Wenn wir uns entscheiden, etwas zu verändern werden sich die ersten Schritte unangenehem und ungewohnt anfühlen. Oftmals beginnen wir uns zu fragen, ob sich der Mut wirklich lohnt. Doch das ist völlig normal. Denn Unsicherheit ist die Währung des Mutes.

Die Vorstellung, die gewohnten Grundmuster verlassen zu können, ohne in irgendeiner Weise das Gefühl der Unsicherheit zu verspüren, ist naiv und illusorisch. Vielleicht beginnt das Buch, Sie an dieser Stelle zu enttäuschen. Vielleicht haben Sie bisher gehofft, Mut zu leben wäre ohne das Gefühl der Unsicherheit möglich. Dann nehmen Sie jetzt einen tiefen Atemzug und schnaufen durch, denn wir sind an der wichtigsten Stelle im gesamten Buch angelangt. Encourage bedeutet, zu lernen, trotz Unsicherheit zu handeln. Es bedeutet, zu lernen, Unsicherheit auszuhalten. Encourage bedeutet nicht, sich sicher und souverän zu fühlen. Encourage ist immer auch das Leben mit der Unsicherheit. Wer keine Zweifel und Unsicherheit erträgt, wird in seinen Grundmustern der Vermeidung bleiben.

Unsicherheit auszuhalten ist kein leichtes Entwicklungsvorhaben. Eine Studie von Archy de Berker, einem Sozialwissenschaftler des University Colleges London, hat gezeigt, dass es für Menschen leichter ist, sicher zu wissen, dass Schmerz kommt, als die Unsicherheit auszuhalten, ob er kommt. Und vielleicht kennen Sie selbst Situationen aus Ihrem Leben, in denen Sie auf eine wichtige Information oder Reaktion gewartet haben – auf einen Anruf vom Arzt bezüglich bestimmter Untersuchungsergebnisse, auf eine Nachricht vom Immobilienhändler, ob Sie die Traumwohnung bekommen, auf ein Zeichen von einem Menschen, in den Sie sich verliebt haben. Momente, in denen die Unsicherheit und das Warten Sie so mürbegemacht haben, dass Ihnen die negative Botschaft lieber gewesen wäre als das weitere Warten und die Unsicherheit. Unser Körper zeigt der Studie zufolge die stärksten Stresssymptome, wenn wir uns in Unsicherheit befinden. Die Reaktion auf erwarteten Schmerz ist von weniger starken Stresssymptomen begleitet als die Unsicherheitsphase. Die Forscher rund um de Berker haben die Hypothese aufgestellt, dass es evolutionsbiologisch unter Umständen sinnvoll war, den Stresspegel in Phasen der Unsicherheit zu erhöhen, da eine angemessene Stressreaktion hilft, Gefahren richtig einzuschätzen (de Berker 2016).

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Sie erinnern sich an unser evolutionär überalarmiertes Gehirn aus Kapitel zwei, das in seiner Reaktionsweise noch immer dem Gehirn unserer Vorfahren in einer Umwelt mit objektiv hohen Überlebensrisiken entspricht. Auch beim Ertragen von Unsicherheit stellt uns unser Gehirn eine Falle. Es hat noch nicht gelernt, Unsicherheit als Teil unseres Daseins zu akzeptieren. Deshalb scheuen wir so gerne den Weg aus der sicheren alten Welt in das emotionale Neuland.

Schlüsselkompetenz: Unsicherheit aushalten

Die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten, ist eine Schlüsselkompetenz in unserem Konzept. Ihre Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Eine Studie von Adam Berman, Leiter der US Berkley Business School und der Berkeley University in Kalifornien, untermauert diese These. Berman und seine Kollegen haben nach Indikatoren für den Erfolg von Studenten gesucht. Als wichtigsten Indikator haben sie die Fähigkeit, Unsicherheit und Ambiguität (Mehrdeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten) auszuhalten, identifiziert. Olivia Fox Cabane, renommierte Autorin und Rednerin für Charisma und Auftreten, schreibt in ihrem Buch Das Charisma-Geheimnis (2013: 35): »Vielleicht ist die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten, die wichtigste Kompetenz der Zukunft. Vielleicht sollten wir lernen, die Unsicherheit zu umarmen, statt sie panisch zu meiden.«

In der beeindruckenden und inspirierenden Dokumentation der ARD Einfach Glück – eine Reise mit Anke Engelke wird dieser Aspekt ebenfalls aufgenommen. Anke Engelke begegnet auf der Suche nach dem Glück ganz unterschiedlichen Menschen. Psychologen, Künstler und Menschen am Lebensende kommen zu Wort. Viele Momente in der Dokumentation berühren den Encourage-Gedanken. Ohne Mut ist ein glückliches Leben nur schwer realisierbar. Ganz am Ende der Dokumentation tritt der »Chor der Muffligen« in der Philharmonie in Köln auf. Im Rahmen der Dokumentation wurde gemeinsam mit der Hochschule Köln geforscht, ob Singen glücklicher macht. Die Ergebnisse waren beeindruckend positiv. Die ehemals muffligen Sänger stehen am Eingang zur Bühne. Auf sie wartet eine mit Zuschauern gefüllte Philharmonie. An ihren Gesichtern sind die Freude und die Aufregung gleichermaßen sichtbar. Anke Engelke, in dieser Dokumentation mal gar keine Ulknudel, sondern eine äußert empathische und authentische Reiseleiterin auf dem Weg zum Glück, bereitet den Chor mit folgendem Satz auf den Auftritt vor: »Man ärgert sich hinterher, wenn man nicht genossen hat, was geschehen ist. Auch wenn man vor einer Sache unsicher ist, weil man sie nicht einschätzen kann, ist sie doch etwas Besonderes. Stellt Euch bewusst dem Gefühl der Nervosität, Unsicherheit, Aufgeregtheit oder Überforderung. Stellt Euch diesem Gefühl, macht es Euch ganz bewusst und nehmt es mit. Es gibt Leute, die sagen, man muss nervös sein, damit es Spaß macht; das stimmt nicht. Man muss bewusst sein, damit es Freude macht.«

Was wäre, wenn wir in all den Mut-Situationen in unserem Leben beginnen würden, die Unsicherheit zu begrüßen, statt sie mit allen Mitteln zu vermeiden? Was würde sich ändern, wenn wir Wahrnehmungen wie Bauchkribbeln, feuchte Hände, Magendruck, kalte Füße, kalte Hände, Angstschweiß und so weiter akzeptieren könnten als notwendigen Bestandteil von Veränderung? Was würde sich verändern, wenn wir nicht mit allen Mitteln versuchen würden, sicher und souverän zu sein, sondern unser Lernen und unsere Entwicklung auf das Aushalten und Annehmen der Unsicherheit konzentrieren würden? Was würde sich ändern, wenn wir realisieren würden, dass genau dieser Moment der Abschied aus dem vertrauten Gelände des Nichthandelns und der erste Schritt des Weges in das Neuland ist?

»Vielleicht ist die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten, die wichtigste Kompetenz der Zukunft. Vielleicht sollten wir lernen, die Unsicherheit zu umarmen, statt sie panisch zu meiden.« Olivia Fox Cabane, Autorin des Buches Das Charisma-Geheimnis

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