Biene Maja und das verschenkte Potenzial

Viele Positionen in Unternehmen erfordern Kontaktfreude, Kommunikationsgeschick, Durchsetzungs- und Überzeugungsstärke, eine gewinnende Persönlichkeit. Das sind die „Must-Haves“, die fast jeder Bewerber mitbringen muss. Doch oftmals bringen die wirklich Guten genau diese Eigenschaften nicht mit. Es wird Zeit, das wir uns vom Kommunikationswunder im Vertrieb und dem PowerPoint-Visionär im Marketing verabschieden.

Menschen als Bündel aus Eigenschaften, so stellt man sich das vor, wenn man eine Jobausschreibung gestaltet oder liest. Man wünscht sich (z.B.): Kommunikationsgeschick, Durchsetzungs- und Überzeugungsstärke, eine gewinnende Persönlichkeit, Teamfähigkeit, Belastbarkeit, Jugend bei ausführlicher Berufserfahrung, Mobilität und Flexibilität sowieso.  Extraversion im Sinne der Kontaktfreude und der Fähigkeit, in beliebigen Situationen zielgerichtet viel Redeanteil zu übernehmen, ist ohnehin selbstverständlich als häufiges heimliches Bewertungskriterium genauso wie das sympathische Äußere, welches auf dem Umweg über das mal mehr, mal weniger verpönte Bewerbungsfoto durch die Hintertür mit in die Kalkulation kommt. Kramen Sie bitte einmal ehrlich in ihrem Gedächtnis: Welche Top-Performer kennen Sie, die diesem Anforderungskatalog genügen? Ich kenne keinen einzigen, jedoch viele  Höchstleister, die sehr prägnante Eigenschaftskombinationen haben. Welche dieser Kriterien erfüllen Sie selbst und welche WOLLEN Sie erfüllen? Eine kleine Untersuchung mittels Intensiver Interviews, die ich selbst vor einigen Jahren durchführte, zeigte, dass Top-Vertriebsmitarbeiter häufig zwei oder drei Merkmale aus einem Satz von häufigen  Erfolgsfaktoren aufweisen. Andere gewünschte Merkmale lassen sie deutlich vermissen! Das wird bei Spitzenmenschen aus anderen Bereichen nicht anders sein.  Und: Gibt es denn überhaupt dieses Wesen, welches alle diese Eigenschaften gleichzeitig zeigt? Kennen Sie nur eine Person, auf die dies zutrifft? Außer Papa Schlumpf, der ja nun kein richtiger Mensch ist.  Oder der Biene Maja oder Helene Fischer.

Stellen Sie sich einen Moment vor, Sie selbst seien keines dieser idealtypischen Wesen, sondern ein Mensch mit Ecken und Kanten. Ein richtiger und normaler Mensch, also. Ein echter Mensch, der leisten kann, weil es ihn keine Kraft kostet, sich zu verstellen und der zu sich steht und in sich ruht.  Ist das nicht ein Attribut, welches wir suchen in Mitarbeitern, Kollegen und Führungskräften? Oder in Künstlern – könnte das der Grund sein, warum die Personen, die Castingshows gewinnen, äußerst selten wirklich als Künstler erfolgreich werden. Meiner Ansicht nach lauert hier eine valide Analogie zu Bewerbergesprächen.

Es ist nichts verkehrt an unserem Mantra der positiven Eigenschaften – nur werden diese eben nicht gleichzeitig ehrlich auftreten. Wer das erwartet, sucht Kunstwesen und findet genau solche.  Und für Menschen mit einer Präferenz für introvertiertes Verhalten wird die Jobsuche dadurch so viel schwieriger. Dabei wissen wir, dass speziell introvertierte Professionals in vielerlei Hinsicht ein Riesengewinn für ein Unternehmen sein können. 

Wie wäre es, wenn Sie statt dessen Typen suchen, echte Menschen, die ein paar Eigenschaften hoch ausgeprägt zeigen? Wenn Sie den Mut aufbringen, sich genau für diese Typen zu entscheiden und dadurch aufhören, Potenzial zu verschenken und stattdessen Ihr Unternehmen oder Ihre Abteilung öffnen für echte Highperformer? Mit der Einstellung öffnen sich auch sich selbst einen einfacheren Weg zu echtem Erfolg.

Orientieren kann man sich dabei an der Frage, welche (ca. drei)  Eigenschaften (und Werte) Ihnen wirklich besonders wichtig sind? Und wieso? Und wenn Sie nun mit Bewerbern in einen offenen Dialog treten, der kein Verstellen fordert oder fördert, dann geben Sie sich die Chance, die Topbewerber zu finden.

Geben Sie Menschen die Chance auf Höchstleistung anstatt nur über diese zu reden, z.B. indem Sie schon im Bewerbergespräch eine kleine Arbeitsprobe (z.B. eine angekündigte Präsentation / Moderation) fordern und sich mit den Stärken des zukünftigen Mitarbeiters auseinandersetzen und diese erleben und dabei akzeptieren, dass  High Potential besonders sind und das nur in bezug auf einige wenige strahlende Eigenschaften.

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