Wo sind die Charaktertypen hin?

Was ist dein Lieblingssong 2021? Kätzchenvideo – Try not to laugh! Hundewelpen – so sweet … Mit solchen und ähnlichen Titeln gewinnt Influencer:in heute Follower:innen auf allen Social-Media-Plattformen. Was im Privaten Millionen bewegt, klingt übersetzt in die Wirtschaft so: Wo sind die Charaktertypen hin? Gibt es einen CEO, dem ihr vertraut? Wer ist der echte Ironman? Oder ganz schlicht, so wie in der HBM Ausgabe vom Mai dieses Jahres: Ich!

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Mir drängt sich stets der Eindruck auf, alle haben Laloux, Bregmann, Snowden, Appelo und so weiter gelesen und verstanden. Aber wozu die Bücher. Schon als ich vor drei Jahrzehnten die Schulbank drückte, war meinen Klassenkameraden klar: Arbeiten ist scheiße! Soweit so bekannt, doch ich sage damals wie heute: Hört auf zu jammern.

Heult doch!

Wisst ihr was, es ist mir gleich, ob Ihr mir glaubt. Trotzdem garantiere ich Euch, wir können Arbeit zu was zufriedenstellend schönem machen. Aber ihr steht dem im Weg. Ihr, die ihr nach dem sinnerfüllenden Job verlangt. Die Ihr stets mit Respekt zu behandeln seid. Ihr, mit denen Chef nur noch gewaltfrei kommunizieren darf. Die Ihr Euer Gehalt um Euer selbst willen verdient. Die Ihr Euch selbstoptimiert. Ihr steht Euch im Weg. So wie es aussieht, ohne es zu merken. 

Vor kurzem wurde ich auf LinkedIn aufgefordert (https://www.linkedin.com/posts/johannhinterauer_conversationsforchange-futureofwork-activity-6841670606090510337-RwOI), einen Wunsch zu äußern. Die Frage war: Gebhard, was würdest Du an der Arbeitswelt ändern? Sie kam von Joan Hinterauer. Er selbst wüscht sich im Artikel eine Wirtschaft ohne Helden. Neben mir rief er weitere Menschen aus seinem Netzwerk auf, ihre Ideen mitzuteilen. Einige taten das auch. Doch schon bald kamen die Heulsusen um die Ecke. Anstatt einen eigenen zu äußern, fingen sie an, Joans Wunsch zu beanstanden. Keine Sorge, ich weiß, das ist ihr gutes Recht. Dennoch zeigt es genau das Verhaltensmuster, das Euch davon abhält, schon längst flächendeckend auszurufen: Ich liebe meine Arbeit!

Ihr habt Eure eignen Ideen vergessen. Oder noch schlimmer, ihr habt das Vertrauen in Euch verloren, dass sie etwas Wert sind. Stattdessen braucht ihr den Glauben an Helden, die für Euch in die Bresche springen. An Lebendige wie Greta Thunberg. An Elon Musk. Ja, einige vielleicht an Donald Trump. Tote wie Gandhi oder Milton Friedman. Oder sogar imaginäre wie Batman und die Avengers. 

Ich hasse Helden

Genau hier liegt der Hund begraben. Ihr steht nicht auf und geht, wenn Eure Kollegen und/oder Chefs die Grenzen überschreiten. Ihr verweigert deshalb keineswegs die weitere Mitarbeit. Ihr meckert noch nicht einmal darüber. Nein, ihr liked den nächsten Cartoon, das nächste Meme, das Eurer unterdrückten Seele Ausdruck verleiht. Dann fühlt Ihr Euch für drei Augenblicke wie Walter Mitty, wenn er in seinen Tagträumen endlich mal aufräumt mit den Übergriffen der anderen. Und genau wie bei ihm ist Eure (Arbeits-)Welt anschließend genauso beschissen wie vorher. Doch Ihr nehmt keinen Flieger nach Island. Nein, ihr jubelt dem neuen, vermeintlich guten Helden zu, der diesmal vielleicht mit seiner Idee der fair gehandelten Modeware auch Eure Arbeitswelt retten wird. Doch damit macht Ihr Euch etwas vor.

Die Lüge in der Tasche

Habt ihr schon mal rein geschaut in die Organisation(en) Eurer Leitfiguren? Die der sozialen Heilsbringer. Der ökologischen Weltenretter. Sie machen genau den gleichen Mist, der Euch in Eurer abhängigen Arbeit in lebenslang wachsende Depressionen verführt. Sie weisen an. Sie beuten aus. Sie übervorteilen ihre Angestellten. Und sie sind nicht selten dreister, als die Kapitalistenschweine. Denn bei ihnen hat die Arbeit ja einen Sinn. Und damit senken sie Löhne. Sie verlängern Arbeitszeiten. Sie laden Stress auf die Schultern ihrer Belegschaften. Doch es kommen nur wenige Beschwerden. Bevor das passiert, gibt es nämlich noch was ganz wichtig Sinnvolles zu tun. Einem Obdachlosen ein Dach über dem Kopf verschaffen. Einen Süchtigen aus seinem illegalen Umfeld befreien. Die Korallen vor dem Hochseetanker schützen. Die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer ziehen. Den OP putzen. Die Müllberge aus der Stadt schaffen. Oder kurz zusammengefasst: Auf irgendeine weise (eines anderen) Leben retten. So erfüllend das ist, so einfach lasst Ihr Euch damit übers Ohr hauen. Ihr braucht keine Helden.

Wenn schon Held, dann doch wohl Du

Solltet Ihr es überlesen haben, ihr Jammerlappen geht mir auf die Nerven. Und gleichzeitig liebe ich Euch. Denn ich bin privilegiert. Ich darf es jedes Jahr, jeden Monat, jede Woche, jeden Tag in Firmen sehen. In uns allen steckt alles Heldentum, was wir brauchen. Wir tragen den Funken des Weltenrettens in uns. Ich unterstütze meine Kunden dabei aus ihren Arbeits-Gestellen adaptive Organisationen zu entwickeln. Das sind Firmen, in denen die Menschen alles mitgestalten. Dort ist Verantwortung und Stress tragbar, weil sie geteilt werden. Die Mitarbeitenden lassen auch mal fünfe gerade sein und bleiben darüber einfach gesund. Sie kommentieren ihre Stelle auf Kununu mit den Worten: „Sich Sonntags schon auf Montag freuen.“ Was ist das tolle daran? Ganz einfach. Mich beauftragen Otto-Normal-Firmen. Schaffen wir es dort, kann es überall gelingen.

Und so frage ich. „Sollten wir uns wirklich weiterhin auf irgendwelche Helden verlassen, wenn es doch für uns alle ein sinnvoll schönes (Arbeits-)Leben gibt?“ Ich weiß: „Wir wollen und können mehr!“

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