Die sieben echten Resilienzfaktoren – Empathie (Teil IV)

Empathie ist unsere Fähigkeit, sich in die Gedanken und Gefühlswelt eines Menschen hineinzuversetzen. Die Bedeutung dieser Fähigkeit, sowohl im beruflichen als auch im privaten Umfeld, ist in dem bemerkenswerten Buch Emotionale Intelligenz von Daniel Goleman eindrucksvoll beschrieben und belegt worden. Wie kann uns Empathie helfen, resilienter und darüber erfolgreicher und glücklicher zu werden?

Wie kann uns Empathie helfen, resilienter und darüber erfolgreicher und glücklicher zu werden? Es sind zwei Mechanismen, die hier von entscheidender Bedeutung sind.

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Erstens hilft uns Empathie dabei, die Perspektive zu wechseln. Es besteht allgemeine Einigkeit darüber, dass wir in einer sich immer mehr individualisierenden Gesellschaft leben, in der also das Ich und die Selbstverwirklichung, was auch immer das sein mag, äußerst wichtige Werte sind. Werbeslogans wie »Ich und mein Magnum« von Langnese, »Geiz ist geil« von Saturn oder »beachtlich« von der Postbank drücken dies in eindrucksvoller und, wie ich finde, häufig erschreckender Weise aus. Sind diese Werte, mit denen Kinder tagtäglich bombardiert werden, wirklich die Werte, die wir ihnen vermitteln wollen? Wenn Sie aber nun immer nur die Perspektive »Ich« einnehmen, werden Sie vielleicht tatsächlich bis zu einem gewissen Maß Karriere machen, haben Sie doch gelernt, die Ellenbogen einzusetzen. An irgendeiner Stelle könnte aber auch für Sie Schluss sein, nämlich an der Stelle, wo Sie diese Empathie benötigen. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Sie die Bereitschaft haben müssen, sich in das Denken und Fühlen Ihrer chinesischen Geschäftspartner einzudenken, um den großen Deal für den Bau einer Fabrik in China endgültig abzuschließen. Dies wird dann mit interkultureller Kompetenz übersetzt, die aber vor allem aus einer hohen Empathie und nicht aus dem Erlernen von gesellschaftlichen Regeln besteht.

 
Zweitens hilft uns Empathie auch wieder, unsere Emotionen zu steuern beziehungsweise erst gar nicht zu starke negative Emotionen aufkommen zu lassen.

Nehmen Sie das Beispiel zweier Mitarbeiter der Deutschen Lufthansa AG, die am Lost-and-Found-Schalter arbeiten. Vor vierzig Minuten ist eine A380 aus Peking gelandet und es wurde festgestellt, dass die Gepäckstücke von fast hundert Passagieren aufgrund eines Fehlers des Pekinger Flughafens nicht mitgenommen wurden. Das Gepäck befindet sich derzeit in Sydney. Beide Lufthansa-Mitarbeiter haben also alle Hände voll zu tun. Viele Passagiere nehmen die Nachricht in einer resilienten, also gelassenen Art und Weise auf, wissen sie doch, dass sie nichts an der Situation ändern können. Es gibt aber auch einige Passagiere, die völlig die Nerven verlieren, weil sie am nächsten Tag wichtige Geschäftstermine haben oder, nehmen wir mal ein anderes Beispiel, weil sich das Brautkleid für die in vier Tagen in den USA stattfindende Hochzeit einer zukünftigen Braut darin befindet. Mitarbeiterin A hat es nun mit der Braut zu tun. Sie kann sich sehr gut in deren Haut versetzen und entsprechend prallen die Beschimpfungen, denen sie ausgesetzt ist, an ihr ab. Als sich die Braut dann massiv im Ton vergreift, betont die Mitarbeiterin A noch einmal in einer ruhigen Art und Weise, dass sie den Ärger gut verstehen kann, aber dennoch darum bittet, nicht beschimpft zu werden. Mitarbeiterin B, die wiederum den aufgebrachten Bräutigam an Ihrem Schalter hat, kann keinerlei Verständnis für die Beschimpfungen aufbringen, die dieser äußert. Es gehen ihr Gedanken wie »Ich bin doch auch nur ein Mensch«, »Ich kann doch nichts dafür«, »Was für ein fürchterlicher Job« durch den Kopf. Schließlich platzt es aus ihr heraus und sie schreit genauso, wie es der Bräutigam davor getan hat. Die Emotionen sind so stark geworden, dass sie sie nicht mehr steuern kann.

Empathie hilft uns also, in dieser Situation gar nicht erst solch intensive Gefühle aufkommen zu lassen, sie also auch nicht steuern zu müssen. Sie hilft uns dann eine Situation eher als Herausforderung zu sehen und mit klarem Kopf zu agieren. Es ist genau die Fähigkeit, die hoch resiliente Menschen in schwierigen Situationen sehr gut beherrschen.

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