Steve Jobs ist das perfekte Beispiel für Resilienz

Steve Jobs ist ein wunderbares Beispiel, um zu zeigen, was einen hoch resilienten Menschen ausmacht. Nimmt man die häufig verwendete Definition, dass Menschen mit einer hohen Resilienz Rückschläge schneller als andere Menschen wegstecken, so muss Jobs als hoch resilienter Mensch bezeichnet werden. Dies zeigt sich in allen Phasen seines Lebens, denn er hat sich weder von beruflichen Rückschlägen noch von seiner Krebserkrankung entmutigen lassen, ist schnell wieder aufgestanden und hat weitergemacht. Auch wenn wir die Tatsache nehmen, dass hoch resiliente Menschen mehr beruflichen Erfolg als andere Menschen haben, kann man Steve Jobs als einen hoch resilienten Menschen bezeichnen, denn Erfolg hatte er wie kaum ein anderer Mensch vor ihm. Aber Resilienz ist deutlich mehr und genau deshalb ist Steve Jobs ein so wunderbares Beispiel.

Jobs erscheint als ein zutiefst unbalancierter Mensch und als ein Getriebener seiner psychologischen Bedürfnisse. Seiner Bedürfnisse, alles zu kontrollieren, seinen Selbstwert zu erhöhen, etwas Besonderes zu sein und seines Bedürfnisses nach Kohärenz, Stimmigkeit, Perfektionismus. Er konnte diese Bedürfnisse scheinbar nur ausleben, indem er die Meinung und vor allem die Gefühle anderer Menschen ignorierte, sich selbst einer eisernen Disziplin unterwarf, sich damit des Spaßes an seinem Leben beraubte und dadurch seine Bedürfnisse nach Bindung und Lustgewinn vernachlässigte. Entsprechend konnten scheinbar auch nur zwei Typen von Menschen wirklich dauerhaft mit ihm umgehen. Entweder diejenigen, die sich ihm unterwarfen und sein gottähnliches Genie anerkannten, so wie es beispielsweise Millionen von Kunden tun. Oder aber, und das ist bemerkenswert, hoch resiliente Menschen, die ihm in Bezug auf seine starken Resilienzfaktoren »das Wasser reichen konnten«, also beispielsweise auch durchsetzungsstark waren und gleichzeitig über genügend echte empathische Fähigkeiten verfügten, um ihn einerseits als Genie, Visionär, ausgezeichneten Marketer und Strategen anzuerkennen, ihm aber auch an wichtigen Stellen einfühlsam zu widersprechen. Nur diese Menschen konnte er wirklich respektieren. Sein Biograf schildert entsprechend die Frau von Steve Jobs und weitere Menschen, die ihn umgaben, folgendermaßen (Isaacson 2011: 634):

»Als kluge und teilnahmsvolle Frau war Laurene Powell ein Stabilitätsfaktor und ein Beispiel für sein [Anm. des Autors: Steve Jobs’] Talent, einige seiner selbstsüchtigen Anwandlungen auszugleichen, indem er sich mit willensstarken und sensiblen Menschen umgab.«

Ebenso ein Mensch ist Bob Igner, der damalige COO von Walt Disney, der ins Spiel kam, als sich Jobs und der damalige CEO von Walt Disney, Michael Eisner, in einem schweren Konflikt bezüglich Pixar befanden. Igner wird wie folgt beschrieben (achten Sie bei der Lektüre der nächsten Zeilen doch einmal selbst auf die bekannten Resilienzfaktoren) (Isaacson 2011: 514):

»Zur Schadensbegrenzung musste sich Bob Igner, der COO von Disney, einschalten. Er blieb auch dann ruhig und vernünftig, wenn alle um ihn herum in Hektik verfielen. […] Er galt als typischer Manager und zeichnete sich durch eine geschickte Unternehmensführung aus, hatte aber gleichzeitig ein Auge für Talent sowie Humor, Einfühlungsvermögen und genügend Selbstsicherheit, um mit seinen Fähigkeiten nicht anzugeben. Anders als Eisner und Jobs war ihm eine disziplinierte Gelassenheit eigen, die ihm auch beim Umgang mit aufgeblasenen Egos half.«

Entsprechend sagte Jobs auch über Igner (Isaacson 2011: 518):

»Deshalb mochte ich Bob Igner.«

Auch Jobs Beschreibung von seinem Rivalen Michael Eisner bei Disney lässt uns tief in die Persönlichkeit von Steve Jobs blicken, denn darin beschreibt er augenscheinlich sich selbst und seine Art zu arbeiten, und zeigt uns, da er dies nicht merkt, wie eingeschränkt teilweise seine Fähigkeit zur Selbstreflexion war. Er sagte über Eisner (Isaacson 2011: 515):

»Eisner ist wirklich ein großartiger kreativer Kopf. Er liefert gute Anregungen. Als Frank [Anm. des Autors: Frank Wells, ehemaliger CEO von Disney] für das operative Geschäft verantwortlich war, konnte Eisner wie eine Hummel von Projekt zu Projekt fliegen und sich Verbesserungen einfallen lassen. […] Niemand arbeitet gerne für ihn. Er ließ den Leuten keinerlei Handlungsfreiheit. […] Aber er hatte auch eine dunkle Seite. Sein Ego hat irgendwann die Oberhand gewonnen. Anfangs war Eisner mir gegenüber vernünftig und fair, aber im Laufe der Jahre, die ich mit ihm zu tun hatte, lernte ich seine dunkle Seite kennen.«

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Glauben wir den Beschreibungen von Jobs Biografen, so kann man den Namen Eisner in dieser Passage einfach durch den von Steve Jobs ersetzen und wird eine sehr treffende Beschreibung von Jobs Persönlichkeit und Arbeitsweise erhalten. Dies wusste auch Igner und so gelang es ihm schließlich, aufgrund seiner wahrscheinlich hohen Resilienz kooperativ mit Jobs zusammenzuarbeiten und den Streit zwischen den beiden Personen zu schlichten.

Was hätten Sie nun Steve Jobs empfohlen, wenn er mit einem echten Wunsch, sich weiterzuentwickeln, zu Ihnen als Coach gekommen wäre? Was hätte er tun können? Wir finden eine Antwort darauf, wenn wir uns noch einmal die verschiedenen in diesem Buch beschriebenen Skills zur Steigerung von Resilienz anschauen.

Aus meiner Sicht wäre es in einem ersten Schritt wichtig gewesen, eine echte Einsicht in Bezug auf problematische Persönlichkeitszüge und Verhaltensweisen herzustellen. Diese war durchaus immer mal wieder für einen kurzen Moment vorhanden, wie er es beispielsweise mit dem gegen Ende seines Lebens geäußerten Satz »Ich war manchmal hart zu anderen, wahrscheinlich härter, als es nötig gewesen wäre« zeigt (Isaacson 2011: 664). Wir hätten auf dieser Basis das »Warum?« dieses Verhaltens herausarbeiten können und wären, wahrscheinlich, zu dem Schluss gekommen, dass sein starker Wunsch nach Selbstwerterhöhung durch seine Adoption entstanden ist. Er hätte sich dann in einem nächsten Schritt die Ungleichgewichte bezüglich seiner Bedürfnisse bewusst machen können, sein extremes Annäherungs- und Vermeidungsverhalten, und sich auf dieser Basis neue Ziele setzen können. Diese Ziele hätten beispielsweise sein können, dass er den Selbstwert anderer Menschen mehr respektiert. Dass er Menschen nicht nur als Objekte sieht, in deren Augen er seine eigene Großartigkeit erleben kann und die ihm nur dazu nutzen, seine persönlichen Ziele zu erreichen. Er hätte sich auch das Ziel setzen können, sein Leben mehr zu genießen und nicht nur der Arbeit unterzuordnen, und somit eine größere Connection to Life aufbauen können. Er hätte sich das Ziel setzen können, engere, echte Bindungen zu Menschen einzugehen, und über seine Arbeit hinaus Freundschaften und Kontakte pflegen können. Er sagt dies über seine jüngste Tochter, die ihm aus seiner Sicht sehr ähnelte, und gibt sich damit gleichsam selbst einen wichtigen Ratschlag (Isaacson 2011: 634):

»Sie ist unberechenbar, und sie ist das willensstärkste Kind, das ich je getroffen habe. […] Es ist wie eine Belohnung. […] Sie ist viel empfindsamer, als eine Menge Leute glauben. […] Sie ist so aufgeweckt, dass sie manche ein wenig überrollt, das heißt, dass sie Leute verprellen kann und sich dann alleine auf weiter Flur wiederfindet. Sie lernt gerade so zu sein, wie sie ist, aber mit weniger Ecken und Kanten, sodass sie die Freunde haben kann, die sie braucht.«

Wäre dies nicht ein wunderbares und sinnvolles Lernfeld gewesen, das sich auch Jobs hätte setzen können? Und hätte er, auf der Basis der vorherigen Analyse, nicht auch seinen Wunsch nach Kontrolle und Orientierung, Selbstwerterhöhung und Perfektionismus beibehalten können, wenn die anderen Faktoren seine Extreme ausgeglichen hätten?

Um all die eben genannten Ziele zu erreichen, hätte er sich bewusst machen können, auf welchen Resilienzfaktoren er über sagenhafte Stärken verfügt, um diese weiterhin bewusst einzusetzen. Er hätte sich seiner unglaublichen Stärke im Bereich Selbstwirksamkeit bewusst machen können, um dann damit anzufangen, diese Selbstwirksamkeitsgefühl auch auf sich anzuwenden, statt in der Haltung »Ich bin, wie ich bin« zu verharren. Er hätte sich seiner Schwächen auf den Resilienzfaktoren bewusst werden können und insbesondere an seiner Empathie und an seiner Emotionssteuerung arbeiten können, indem er alle hier geschilderten Skills angewendet hätte. Er hätte entsprechend lernen können, seine Emotionen bewusster wahrzunehmen und Haltungen zu entdecken, die ihn dabei unterstützen, sie zu steuern. Er hätte, wie er es bereits angefangen hatte, noch intensiver meditieren können, um auch hierüber seine Emotionen zu steuern. Er hätte neben seiner Verbindung zur Arbeit auch eine starke Verbindung zu dem Rest seines Lebens aufbauen können, Teil weiterer Gemeinschaften werden können und die Spiritualität, die er bereits in sich trug, weiterentwickeln können. Er hätte entsprechend, wie es Bill Gates mit seiner Stiftung im Kampf gegen beispielsweise Malaria noch heute vormacht, lernen können, noch mehr Mensch zu sein, so wie es in diesem Buch definiert wird, seine egozentrische Aufmerksamkeit auf andere, bedürftige Menschen zu richten, um darüber ein Gefühl der Zufriedenheit und auch der Selbstwerterhöhung zu erleben.

Steve Jobs war einmal an einem solchen Punkt und dies war der Moment, als er das Angebot hatte, zu Apple zurückzukehren, obwohl er bereits CEO seines sehr erfolgreichen und milliardenschweren Unternehmens Pixar war. Vielleicht hat er genau an dieser Stelle gespürt, was »richtig« für ihn gewesen wäre. Er selbst, und nur er (!), hat genau diese damals getroffene Entscheidung gleichzeitig für Apple und für Pixar zu arbeiten, als Grund für seine spätere Krebserkrankung genannt und wird entsprechend mit folgenden Worten zitiert (Isaacson 2011: 371):

»Wir waren gerade mit Pixar an die Börse gegangen, und ich war glücklich und zufrieden damit, dort CEO zu sein. Ich habe noch nie gehört, dass irgendjemand als CEO von zwei an der Börse geführten Unternehmen tätig gewesen sei, noch nicht einmal zeitweise, und ich war mir auch nicht sicher, ob das überhaupt legal ist. Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte und wollte. Es machte mir Spaß, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Ich war hin und her gerissen. Ich wusste, Apple war das reinste Chaos, und ich fragte mich: ›Möchte ich das angenehme Leben, das ich führe, aufgeben? Was werden die ganzen Pixar-Aktionäre davon halten?‹ Ich sprach mit Leuten, die ich respektierte. Irgendwann an einem Samstagmorgen rief ich gegen acht Uhr bei Andy Grove [Anmerkung des Autors: Mitbegründer von Intel] an – zu früh. Ich schilderte ihm das Pro und Contra, und mittendrin stoppte er mich und sagte: ›Steve, Apple ist mir so was von egal.‹ Ich war wie vom Donner gerührt. Plötzlich erkannte ich, dass mir Apple absolut nicht egal war – ich hatte es gegründet und es hatte seinen berechtigten Platz in der Welt. Ich beschloss also, vorübergehend zurückzukehren und bei der Suche nach einem CEO zu helfen.«

Dieser Schritt zurück hat dazu geführt, dass unsere Welt nun so außergewöhnliche Produkte wie das iPod, das MacBook, das iPhone oder iTunes hat. Ohne sein Genie wäre dies niemals in dieser Form passiert und wahrscheinlich würde das Unternehmen auch nicht mehr existieren. Laut Jobs eigener Aussage war es aber auch der Grund, warum er so früh an Krebs erkrankte (Isaacson 2011: 533):

»Damals fing dieser Krebs wahrscheinlich zu wachsen an, weil mein Immunsystem sehr geschwächt war.«

Lassen Sie mich zum Abschluss noch einmal zusammenfassen. Steve Jobs ist ein gutes, aber auch extremes Beispiel dafür, wie starke Ausprägungen auf den einzelnen Resilienzfaktoren den beruflichen Erfolg fördern und vorantreiben können. Gleichzeitig zeigt uns sein Leben aber auch, zu welchen Schattenseiten diese starken Ausprägungen führen können und wie wichtig es daher ist, diese durch andere Resilienzfaktoren auszugleichen. Auch hier gilt das Prinzip der Balance.

Ich selbst bin überzeugt, dass Jobs seine großen Stärken hätte beibehalten können, wenn er die schwachen Faktoren weiterentwickelt hätte, und dass er trotz allem beruflich sehr erfolgreich geblieben wäre. Vielleicht nicht ganz so, aber fast. Ein Mehr an Empathie, an Emotionssteuerung und eine bessere Kausalanalyse hätten wahrscheinlich dazu geführt, dass nicht nur seine Unternehmen, sondern auch er gewachsen wäre. Kaum ein Mensch hatte so stark den Denkstil Ich-Immer-Alles, wenn er einen Erfolg hatte, und den Denkstil Nicht-Ich-Nicht-Immer-Nicht-Alles, wenn er einen Misserfolg hatte. Dies schützt uns tatsächlich vor Niedergeschlagenheit und Selbstzweifeln, verhindert aber eben, wie bereits erwähnt, auch, dass wir uns selbst weiterentwickeln.

Sie haben in diesem Buch eine äußerst wichtige Sache gelernt. Dies hoffe ich zumindest. Sie haben gelernt, dass vor allem ein Faktor in ganz besonderer Weise unsere Resilienz und unsere Zufriedenheit ausmacht: unsere Art zu denken, unser Thinking Style. Vielleicht ist es daher auch kein Zufall, dass Jobs den Slogan, das Mantra, wie es Guy Kawasaki nennt, Think different gewählt hat, um den Kern von Apple, seinem Unternehmen, zu beschreiben. Ein Satz, den ich ihm, wenn ich jemals die Möglichkeit dazu gehabt hätte, von ganzem Herzen für sich selbst in mehr als nur einer Situation gewünscht hätte.

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