Bürokratie oder Innovation – wie man Diversity auch denken kann

Für jedes Unternehmen, für jede Organisation und für jeden Staat ist Diversity existenziell. Warum? Weil sie Vielfalt bedeutet. Und Vielfalt ist die Grundlage für Innovation.

Ich könnte jetzt jede Menge Alltagsbeobachtungen anführen, von Apple bis zu nahezu jedem Start-up, die belegen, dass Innovation von Vielfalt kommt. Aber viel einleuchtender ist ein kurzer Ausflug in die Theorie komplexer Systeme. Komplexität entsteht durch die Interaktion verschiedenartiger Elemente. Diese wiederholen sich nicht immer gleich, sondern mit geringsten Abweichungen. Das führt zu Unschärfen und Überraschungen. Aus der Chaostheorie ist das Beispiel des Schmetterlings bekannt, dessen Flügelschlag zu einem Erdbeben am anderen Ende der Welt führt. Je mehr und je häufiger Verschiedenartiges miteinander in Wechselwirkung tritt, desto mehr Abweichungen vom Standard, von der Normalität entstehen. Das ist gesetzmäßig und gilt auch für Unternehmen, Organisationen und Gesellschaften.

Solche Abweichungen nun können zu positiven, brauchbaren und profitablen Ergebnissen führen – dann nennt man es Innovation und feiert die Kreativität des Unternehmens. Das kann sich aber auch negativ auswirken, zum Beispiel auf die Qualität von Produkten – dann nennt man es Fehler und bekämpft ihn mittels Standardisierung, das heißt durch Reduzierung von Vielfalt.

Unternehmen bewegen sich also ständig in diesem Spannungsfeld der Auswirkungen von Verschiedenartigkeit. Wenn sie innovativ sein wollen – und welches Unternehmen muss das nicht – müssen sie einen guten, richtigen Umgang mit Verschiedenheit finden. So verstanden, hat Diversity eine viel größere Bedeutung als Geschlechtervielfalt. Diese ist lediglich ein Teil der Verschiedenartigkeit, die für Unternehmen existenziell wichtig ist – weil Bedingung für Innovation. Diversity in diesem umfassenden, systemischen Sinne ist Voraussetzung für Entwicklung und somit existenzsichernd.

Jetzt könnte jemand kommen und sagen, auch rein weiß-männliche Belegschaften können innovativ sein. Stimmt hundertprozentig, aber wer so argumentiert, geht am Kern der Sache vorbei. Denn Diversity, wie ich sie denke, bedeutet viel mehr, nämlich die Verschiedenartigkeit im Denken, in den Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Reaktionen der einzelnen Akteure im Unternehmen. Das hat natürlich auch eine weiß-männliche Gruppe, die aber durch die Impulse von diesem Muster abweichender Personen durchaus zu überraschenden, also innovativen Lösungen kommen könnte. Das kann anstrengend sein, zweifellos. Vielleicht ist dieses Mehr an Energie, welches zum erfolgreichen Umgang mit Diversity nötig ist, der Grund für die gelegentliche Ablehnung des Andersartigen.

Führungskräfte stehen immer vor der Herausforderung, das für die konkrete Situation im Unternehmen richtige Maß an Verschiedenartigkeit zu finden. Dabei ist die nötige Innovationsfähigkeit genauso wichtig wie die zur Qualität- und Prozesssicherheit erforderliche Standardisierung und die zur Beherrschung der Balance aufzubringende Energie. Bei Humanagement arbeiten wir mit dem sozio-systemischen Erfolgsfaktor Offenheit (Offenheit für Informationen, offene Kommunikation, ergebnisoffenes Arbeiten, Offenheit für Überraschungen und Andersartigkeit jeder Art, Offenheit gegenüber Impulsen von außen und so weiter) und schaffen mit dessen kluger Steuerung ein Umfeld für Innovation und Kreativität und die richtige Balance zwischen Verschiedenartigkeit und Gleichförmigkeit.

Für Unternehmen ist Diversity existenz- und zukunftssichernd. Nur Bürokratien brauchen keine Diversity. Dort ist Gleichförmigkeit existenzsichernd, jede Abweichung von der Norm schadet der Bürokratie. Wir müssen uns also entscheiden: Wollen wir Bürokratie oder Innovation? Für Innovation kommen wir um Diversity nicht herum, nicht in den Köpfen, nicht bei der Zusammenstellung der Teams, nicht bei den Herausforderungen und der Informationsvielfalt und nicht bei der Vielfalt der zu verfolgenden Lösungsansätze.

Teilen

Dieser Artikel kann nicht kommentiert werden.