Wie Systeme sterben

Der Tod macht auch keinen Halt vor Systemen – sie können sterben. Dabei gibt es zwei ursächliche Todesarten. Exitus durch ein Übertreiben des Konstanz-Prinzips und den Wärmetod, der finale Entropiezustand, das vollkommene Chaos. Und wie können Systeme überleben?

Auch Systeme können sterben. Zwei Todesarten sind auszumachen: Erstens tritt der Exitus durch ein Übertreiben des Konstanz-Prinzips ein: Nichts verändert sich mehr, alles bleibt gleich, bleibt sozusagen beim Alten. Alles ist eingefroren, es gibt keinen Spielraum, keine Flexibilität. So könnte man eine hohe phänotypische Konstanz des Autors dieses Buches erreichen, wenn man ihn einfröre.

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Alle Zellen wären auf ein uniformes Schwingungsniveau gebracht. Ich würde in fünfhundert Jahren immer noch so aussehen wie heute. Lebendig aber bliebe ich nach dieser Prozedur mit Sicherheit nicht. Die zweite Form des Todes ist der Wärmetod, der finale Entropiezustand, das vollkommene Chaos. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Physik, genauer aus der Thermodynamik. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik postuliert, dass die Unordnung (Entropie) in geschlossenen Systemen niemals abnehmen, aber immer zunehmen kann. Wir hatten diesen Gedanken auch schon bei der Unumkehrbarkeit dynamischer Prozesse skizziert. Unter der Annahme, dass das Universum ein geschlossenes System ist, würde das auch für unser Universum dessen Ende und damit das Erlöschen allen Lebens bedeuten. (Auch die maligne Entwicklung von Tumorzellen wird als unkontrollierte Zunahme von Entropie diskutiert.)

Systeme mit zu hoher Uniformität vernichten sich also ebenso wie Systeme, die zu viel Chaos zulassen. Konstanz bedarf des Wandels und der Wandel bedarf der Regulation durch Konstanz. Die Mischung muss stimmen und damit auch die Balance von Leben und Tod.

Systeme kennen keine Mittel-Ziel-Verknüpfung: Äquifinalität

Wenn unterschiedliche Ausgangsbedingungen zu gleichen Endergebnissen führen oder wenn verschiedene Methoden zum selben Ziel führen, so nennt die Systemtheorie dies Äquifinalität. Die Evolution demonstriert dies vielfältig: Heißt die Idee etwa, als Säugetier zurechtzukommen, so finden wir heute über 4.500 Arten, von fünf Zentimeter bis dreißig Meter Länge, von drei Gramm bis dreißig Tonnen Gewicht. Das Ziel wird mit äußerst unterschiedlichen Lebensformen realisiert. Nimmt man Fortbewegung als Ziel, so führt dies ebenfalls zu völlig verschiedenen Methoden: schwimmen, laufen, fliegen, kriechen, explodieren, sich vom Wind mitnehmen lassen, einen Wirt benutzen, sich ein Flugzeug bauen und einsteigen.

Viele Wege führen nach Rom

Es gibt also keinerlei starre Mittel-Ergebnis-Verknüpfung nach dem Muster: Nur so kann es gehen, und wir haben das immer so gemacht. Evolutive Entwicklung beruht auf Äquifinalität. Nebenbei: Es lässt sich auch mathematisch zeigen, dass manche dynamischen Systeme – auch wenn sie in Gleichungen formalisiert sind – trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen (Startvariable) zu gleichen Ergebnissen führen. (Genannt sei hier wieder das Verhulst-Modell, welches das Wachstum in Populationen beschreibt, und in einem bestimmten Wertebereich seines Parameters zu einem Endwert strebt, ganz unabhängig von der Größe der Startvariablen). Tatsächlich führen also immer viele Wege nach Rom und keineswegs nur der, den wir für richtig halten.

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