Und wer lobt und streichelt mich?

Soziale Anerkennung als Berater: „Und wer lobt und streichelt mich?“

Viele erfolgreiche Berater – speziell im B2B-Bereich – sind mit dem von ihnen Erreichten latent unzufrieden. Denn außerhalb ihrer Zielgruppe kennt sie fast niemand. Und gelobt werden sie für ihre Arbeit selten. Hierüber tröstet sie auch ihr hohes Einkommen nicht hinweg, denn: Sie wünschen sich soziale Anerkennung.

 
Das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung ist Berater Müller (Name geändert). Einige einleitende Sätze werden gewechselt, dann beginnt Berater Müller, sein Leid zu klagen. Sein Unternehmen werfe kaum Gewinn ab. „Ich kann mir gerade mal mein Gehalt ausbezahlen“, klagt der Inhaber einer Drei-Vier-Mann-GmbH. „Und wie hoch ist Ihr Gehalt?“, fragt der Autor dieses Artikels nach. „15.000 Euro pro Monat – dazu der Firmenwagen und …“, gesteht der Berater.

Geld allein macht viele Trainer und Berater nicht glücklich

Daraufhin merkt der Autor vorsichtig an: „Das ist doch ein ordentliches Einkommen. Überlegen Sie mal, welche Position Sie in einem Unternehmen haben müssten, um ein Jahresgehalt von 180.000 Euro zu bekommen? Hierfür müssten Sie entweder Bereichsleiter in einem Konzern oder Geschäftsführer eines Unternehmens mit 200 oder gar 300 Mitarbeitern sein.“ So hat der Berater das noch nie betrachtet.

Ähnliche Erfahrungen sammelt man oft mit den Inhabern eigentlich gut florierender Trainings- und Beratungsunternehmen. Sie sind latent unzufrieden mit ihrem Einkommen. Selbst wenn sich die meisten Angestellten – und Berufskollegen – danach die Finger lecken würden. Für sie ist ihr dickes Einkommen so selbstverständlich, dass sie es nicht mehr wertschätzen. Also wollen sie permanent mehr und mehr … und verlieren dabei oft das Maß.

Viele Berater und Trainer sehnen sich nach Anerkennung

Fragt man bei solchen Beratern nach „Warum sind Sie denn unzufrieden?“, „Warum wollen Sie mehr Geld verdienen?“, dann erhält man meist Antworten wie: „Ich mache in den Unternehmen einen Bombenjob. Aber keiner sagt danach: Der Müller hat einen tollen Job gemacht. Vielmehr schmücken sich die Bereichsleiter mit meinen Federn.“ Wonach sich die Berater also letztlich sehnen, ist Anerkennung. Das Einkommen ist für sie nur ein (Ersatz-)Indikator dafür, wie sehr sie und ihre Arbeit gewertschätzt werden.

Der Autor dieses Artikels erklärt in solchen Situationen  den Beratern oft: „Das ist doch das ganz normale Schicksal eines Dienstleisters, dass sich die Kunden mit seinen Leistungen schmücken. Wenn Sie zuhause Ihr Bad neu gestalten lassen, sagen Sie danach doch auch zu Ihren Freunden ‚Wir haben unser Bad neu gemacht’ und nicht ‚Fliesenleger Maier hat unser Bad neu gemacht’.“ Das leuchtet den Beratern meist ein, ändert aber nichts daran, dass sie unter einem Mangel an öffentlicher bzw. sozialer Anerkennung leiden.

Wunsch: Ein „Erfolgstrainer“ und bekannter „Influencer“ werden

Also verweisen sie häufig neidisch auf Beraterkollegen, die es in ihren Augen geschafft haben. Zum Beispiel, weil ihr Name oft in der Zeitung steht. Oder weil sie regelmäßig als Kongressredner engagiert werden. Oder weil sie in den Social Media so viele Follower haben.  Aus der Warte der unzufriedenen Berater meist zu Unrecht: „Nehmen Sie mal den ‚…‘. Was der in seinen Büchern und Social Media-Posts schreibt, ist doch alles nur geklaut. Oder nehmen Sie den ‚…‘. Was der auf Kongressen erzählt, ist banaler Kram. Und trotzdem kriegt er für einen Vortrag 8000 Euro.“

Sagt man den unter Liebesentzug leidenden Beratern in solchen Situationen „Ihre Berufskollegen haben sich diesen Status über viele Jahre erarbeitet“, dann wollen sie dies meist nicht hören. Und überrascht sind sie, wenn man ihnen rät: „Glauben Sie nicht jedes Ammenmärchen, das ihnen die selbsternannten Erfolgstrainer, Influencer und sonstigen Gurus über ihr Honorar erzählen. Und setzen Sie nicht Bekanntheit mit wirtschaftlichem Erfolg gleich. Denn diese beiden Dinge gehen oft nicht Hand in Hand.“

„Erfolgstrainer“ haben eine hohe Bekanntheit … aber oft wenig Geld

Manch selbsternannter „Erfolgstrainer“ und „Top-Speaker“ ist verglichen mit den etablierten Trainern und Beratern, die unter ihrer geringen Bekanntheit leiden, ein Hungerleider. Denn er wird zwar zwei, drei Mal pro Jahr für einen relativ gut dotierten Vortrag bei einer Kick-Off-Veranstaltung gebucht. Doch ansonsten ist sein Auftragsbuch weitgehend leer – obwohl er etwas hat, wovon viele andere Berater träumen, weil es ihrem Ego schmeichelt: eine hohe Bekanntheit.

Sollten auch Sie zuweilen solche Gefühle plagen, dann fragen Sie sich: Was ist mir mehr wert (bzw. wichtiger), dass

  • Hinz und Kunz mich kennen, weil mein Name ab und zu in Illustrierten steht oder ich mehr Zeit in den Social Media als bei Kunden verbringe oder
  • ein prall gefülltes Auftragsbuch, weil ich mir bei meinen Zielkunden den Ruf „Spezialist für…“ erworben habe?

Auch Berater leben nicht „vom Brot allein“.

Rational wird Ihre Antwort vermutlich lauten „ein prall gefülltes Auftragsbuch“. Doch machen Sie sich nichts vor: Auch Sie ticken nicht so rational wie Sie sich gerne präsentieren, denn auch für Berater gilt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“

Gönnen Sie sich deshalb, sofern Sie das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung verspüren, entsprechende Spielweisen – sei es im Internet oder sonst wo – selbst wenn Sie davon keinerlei betriebswirtschaftlichen Nutzen haben. Als Mensch tun Ihnen die entsprechenden Aktivitäten trotzdem gut.

Bernhard Kuntz

Zum Autor: Bernhard Kuntz ist Inhaber der Marketing- und PR-Agentur Die PRofilberater, Darmstadt (www.die-profilberater.de). Er ist u.a. Autor der beiden Marketing-Klassiker „Die Katze im Sack verkaufen“ und „Fette Beute für Trainer und Berater“.

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