Trumps Erfolgsrhetorik oder wie sag ich’s meinem Kinde?

Donald Trump ist das Enfant Terrible unter den Präsidenten. Mit einfacher Sprache, markigen Sprüchen hat er die Deutungshoheit übernommen. Politischen Gegnern und den Medien verschlägt es die Sprache. Sebastian Callies hat Trumps Rhetorik-Muster analysiert

Die traditionellen Medien dies- und jenseits des Atlantiks hatten nach Trumps Wahl im Wesentlichen mehrere Erklärungsversuche für den Irrsinn, der sich da vor ihren Augen abspielte:

  • Erstens, die Demokraten hätten sich die neoliberale Handelspolitik der Republikaner zu eigen gemacht und die Arbeiter vergessen. Diese seien dann Trumps Populismus erlegen.
  • Zweitens, Trump habe eine weiße Identitätspolitik generiert, die weiße Wähler mobilisiert habe.
  • Drittens, Hillary Clinton wäre einfach zu roboterhaft und unbeliebt.
  • Und viertens, das Wahlmännersystem der USA sei einfach unfair und überholt, die Demokratie defekt.

Die Begründungen werden seit 2016 in unterschiedlichen Varianten immer wiederholt. Mir sind sie alle zu fadenscheinig, zu ideologisch und letztlich nicht beweisbar. Aus meiner Sicht gibt es einen beobachtbaren Grund, warum Donald Trump es an die Spitze der USA geschafft hat: Er war einfach der bessere Kandidat – dank seiner Sprache. Damit meine ich keinesfalls, was er sagt, sondern wie er sich ausdrückt.

Moment, denken Sie, dieser hirnlose Tölpel, der in seinem Buchregal nur ein Buch stehen hat (sein eigenes), der bei seinem Besuch in Pearl Harbor nichts über die Bedeutung dieses Ortes für Amerika wusste, der keine Ahnung hat, wo Indien liegt, nur Fernsehen glotzt, noch dazu pausenlos lügt und charakterlich für das Amt völlig ungeeignet ist

Vermutlich werden Sie sich wie meine Frau empört fragen, wie ich überhaupt auf die Idee komme, Trump derartige Qualitäten zuzuschreiben.

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Moment, sage ich. Lassen Sie uns mal versuchen, die politischen Ansichten ebenso beiseitezuschieben wie die Aversion gegenüber der Person Trump.

Daheim haut es die Leute aus dem Sessel

Er verkauft seine Botschaften meisterlich. Einfach, direkt, offensiv. Mit Punchlines, die seine Wähler aus dem Werbefernsehen  kennen. Er hat seine Präsidentschaft zu einem andauernden Wahlkampf und einer Entertainmentshow gemacht. Trump feuert seine Tweets ab, und daheim und in den Redaktionen haut es die Leute aus dem Sessel.

  • Trump über Washingtons Politiker: »Sie sind dumm. Nicht böse, aber dumm. Sie haben keine Ahnung.«
  • Über seine Mauer: »Wir müssen mit dem Bau einer Mauer anfangen. Einer großen, schönen, mächtigen Mauer. Keiner baut Mauern besser als ich, glauben Sie mir.«

Das sind treffsichere Slogans, die im Ohr bleiben wie der Refrain eines aggressiven Rapsongs. Skurril in der Ausdrucksweise, deutlich im Tonfall, punktgenau in der Formulierung – wenn auch grammatikalisch oft schief.

Auch in den täglichen Debatten nutzt Trump die gleiche simple Wortwahl und den stakkatohaften Sprachstil. Wie bei einer Werbekampagne – dauernde Wiederholungen inklusive. Trumps Sprache mag extrem sein, aber sie ist auch in der amerikanischen Politik kein Einzelfall. Noch im 19. Jahrhundert drückten sich die Politiker sehr analytisch aus. Seit etwa 100 Jahren argumentieren sie zunehmend flacher, dafür aber immer selbstbewusster (vgl. Jordan / Sterling / Pennebaker / Boyd 2019).

»Ein Intellektueller ist ein Mann, der mehr Worte verwendet als nötig, um mehr zu sagen als er weiß«
US-Präsident Dwight D. Eisenhower

Sprache auf Pennälerniveau

Die französische Linguistin Bérengère Viennot hat Trumps Sprache eingehend untersucht und kam zu dem wenig schmeichelhaften Ergebnis, der Präsident sei womöglich Legastheniker. Die Sprache sei abgehackt, mäandernd und auf dem Niveau eines Sechstklässlers. Seine Ausdrucksweise egozentrisch, grammatikalisch oft falsch und vulgär. Trump sei kaum in der Lage, zusammenhängende Sätze zu formen (vergleiche Viennot 2019). Unfair, trickreich und direkt in der Konfrontation, das sind schon immer die Mittel des Donald Trump.

Dass sich seine Gegner über sein unmögliches Verhalten beklagen und sich ihm so zumindest moralisch überlegen fühlen, ändert nichts an den Tatsachen seiner offenbar erfolgreichen Kommunikation. Als würden sich die Soldaten einer mit Schwertern und Lanzen bewaffneten Armee zunächst darüber beschweren, dass der Feind den Zweikampf verweigert und mit neuen Gewehren und Pistolen antritt. Dann aber kämpfen die Soldaten ehrenvoll mit der veralteten Bewaffnung weiter. Über das Ergebnis dieser ungleichen Auseinandersetzung darf man sich dann nicht wundern. »Die Linke braucht eine Sprache, die stark genug ist, um Trump zu begegnen«, findet beispielsweise der Journalist George Packer. Trumps Populismus könne nur mit einer gleichen und entgegengesetzten Kraft besiegt werden (vergleiche Packer 2019).

Maximale Vereinfachung

Was ist denn grundsätzlich schlimm an einer Sprache auf Pennälerniveau? Sie stellt sicher, dass Menschen auf jedem Bildungslevel die Aussagen verstehen – das ist wichtig, denn selbst in Deutschland hat fast ein Fünftel der Fünfzehnjährigen keine ausreichenden Lesefähigkeiten und über sechs Millionen Menschen gelten als gering literalisiert (vergleiche LEO-Studie 2018). In den USA kann sogar jeder Fünfte nicht richtig lesen und schreiben (vergleiche NCES 2019).
Die maximale Vereinfachung zur Teilhabe möglichst vieler Menschen am demokratischen Diskurs könnte man daher sogar als absolut geboten betrachten, zumal die Welt ja noch dazu in Informationen ertrinkt. Eine simple Ausdrucksweise muss allerdings nicht zwangsläufig mit platten Inhalten oder gar Lügen zusammengehen.
Die einfache Sprache zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • klare Satzstruktur, maximal zehn bis elf Worte
  • nur ein Gedanke pro Satz.
  • vermeidet das Passiv, nutzt die Gegenwartsform
  • setzt auf allgemein bekannt Wörter anstelle trockenen Fachjargons – etwa »Geld« oder »Kreditkarte« statt »Zahlungsmittel«.

Wenn Sie versuchen, Menschen zu überzeugen etwas zu tun oder etwas zu kaufen, dann sollten Sie deren Sprache nutzen:

  • Die Sprache, in der sie denken, empfahl schon David Ogilvy, der einst berühmteste Werbetexter unseres Planeten (zitiert nach Altstiel/Grow 2006).
  • Er – der allerdings anders als Trump hohe moralische Ansprüche hatte riet seinen Mitarbeitern: Schreib, wie du sprichst. Nutze kurze Wörter, kurze Sätze und kurze Absätze. Es gehe nicht darum, andere mit der eigenen Klugheit zu beeindrucken, sondern zu überzeugen (Raphaelson/Ogilvy 2012).

Dabei nutzt Trump vor allem fiese Spitznamen mit abwertenden Adjektiven, wie man sie von den Schulhöfen kennt. Nordkoreas Diktator wird abwertend zum »kleinen Raketenmann«, Kontrahent Joe Biden zum »schläfrigen Joe«, Hillary Clinton zur »betrügerischen Hillary« und Demokrat Bernie Sanders zum »verrückten Professor«.

Bilder im Kopf

Diese durchaus originellen Begriffe erzeugen Bilder im Kopf der Zuhörer, die sich auch mit besten Argumenten nicht mehr vertreiben lassen – eine überaus wirksame Manipulation, wie die Columbia Journalism Review 2019 bei einer Analyse herausgefunden hat. Die Frage, ob »crooked« Hillary Clinton betrügerisch ist oder nicht, stellt sich gar nicht mehr – es wird als Fakt hingenommen.

Diese Spitznamen bedienen den kindlichen Wunsch, »aus einer komplizierten Welt eine leicht verdauliche Moralgeschichte zu machen« (Allsop 2019). Politiktheoretisch mag das unehrenhaft sein und für den Intellekt von Akademikern beleidigend. Doch leider funktioniert es. Die meisten Journalisten tragen noch zur Verbreitung der Spitznamen bei – selbst wenn sie diese nur als amüsanten Beleg für Trumps Irrsinn einsetzen. Sie gehen dem Präsidenten auf den Leim. Trump schafft es, dass wir seine Gegner so wahrnehmen, wie er es sich wünscht. Sie werden in sein Deutungsraster eingebettet. Das reduziert komplexe Informationen oder blendet sie komplett aus. So geht Framing in Perfektion.

Sprache macht den Unterschied

Egal, wie Sie politisch zu Trump stehen oder standen: Machen Sie sich klar, dass er die Weltöffentlichkeit und Sie manipuliert. Von all seinen Techniken der Körperhaltung, dem immer gleichen Look, seinen Lügen und Drohungen ist dabei der Einsatz seiner Sprache die zentrale. Er pflegt einen eigenen, unverwechselbaren Tonfall, auf den seine Gegner lange keine Antwort gefunden haben.
Die Trump-Sprache erkennen Sie sofort, wenn Sie sie hören. Ein eigenes Vokabular und eine unverwechselbare Sprache tragen auf jeden Fall dazu bei, in einem Wettbewerb den Unterschied zu machen – das gilt für die große Politik ebenso wie für die Wirtschaft und unseren Alltag.

Im Meeting, auf der Party oder beim ersten Date

Eine einzigartige Sprache, die zu Ihnen als Person oder Organisation passt, macht Sie unverwechselbar, unterhaltsam und interessant. Sprechen Sie vor allem ungeschliffen und offen heraus, daran ist in Zeiten politischer Korrektheit niemand mehr gewöhnt und die Effekte sind – siehe Trump – ziemlich beeindruckend. Die Leute werden sich noch lange an Sie erinnern, auch wenn Sie die Party schon verlassen haben.
Orientieren Sie sich weniger daran, was Ihnen Intellektuelle empfehlen, sondern halten Sie sich an die Praktiker. Verkaufen Sie sich, und verkaufen Sie sich authentisch. Seien Sie nah dran an der Alltagssprache und sprechen Sie vor allem in der Muttersprache der Menschen, die Sie erreichen und für sich gewinnen wollen. Vermeiden Sie komplizierte Fachbegriffe, außer sie streben eine wissenschaftliche Karriere an. »Dem Volk aufs Maul schauen« – Luthers Erfolgsrezept für eine wirkungsvolle Sprache hat auch nach über fünfhundert Jahren nichts von seiner Gültigkeit verloren.

Eine Bitte zum Schluss

Falls Sie es einmal weit bringen sollten und Verantwortung für andere Menschen übernehmen: Benehmen Sie sich zivi-lisierter als Donald Trump und setzen Sie Ihre Kraft dafür ein, Menschen zusammen- statt auseinanderzubringen.

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