Starten Sie nochmal durch (Teil 2)

Bekannte Pfade verlassen, das fällt uns schwer. Wir finden tausend Gründe, die rechtfertigen, warum wir alles beim alten lassen. Doch wie lässt sich der innere Schweinehund überwinden, wie gehe ich mit den Veränderungsgästen um? Dr. Constantin Sander zeigt, wie Sie es dennoch schaffen, die Spur zu wechseln um nochmal durchzustarten …

Veränderungsängste überwinden

Nun werden Sie vielleicht fragen, wie Sie denn diese Initialzündung hinbekommen. Woher soll der Schub kommen, der ausreichend stark ist, um den Schweinehund, die Verzettelung, die Aufschieberitis oder schlicht die gewohnte Alltagsroutine zu überwinden, um das zu machen, was Sie wirklich wollen und auch können?

Es gibt zwei wesentliche Quellen von Blockaden, welche sich zu Werkzeugen der Selbstsabotage entwickeln können. Das sind zum einen unklare Ziele und schlecht verankerte Ressourcen. Ziele und Ressourcen müssen aber schlagkräftig genug sein, um die Widerstände zu überwinden, auf die Sie wahrscheinlich stoßen werden. Denn eines ist klar: Ihnen wird nichts geschenkt. Sie brauchen Durchhaltevermögen. Wer nicht wie ein Bach zu Tal plätschern oder seine Kraft in einer Tretmühle vergeuden will, der muss Widerstände überwinden und Steine aus dem Weg räumen können. Dafür brauchen Sie genügend Treibstoff. Und der besteht – richtig erkannt – aus Ihren Werten und Zielen. Wenn die nicht klar und zugkräftig genug sind, dann werden Ihre unbewussten Erfahrungsanteile signalisieren, dass es schlauer ist, die gewohnte Straße zu benutzen anstatt einen neuen, unbekannten Weg einzuschlagen. Der könnte ja gefährlich für Sie sein.

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Und damit wären wir dann bei der zweiten Quelle von Blockaden. Das sind die Persönlichkeitsanteile, welche Ihren gesetzten Zielen entgegenwirken und die dazu erforderlichen Ressourcen in Frage stellen. Die zugkräftigsten Ziele und gut verankerten Ressourcen nützen wenig, wenn ebenso starke Kräfte dagegen wirken. Angst ist eine solche starke Kraft. Sie ist zwar ein hinderlicher Faktor, aber für das Überleben ungemein wichtig. Deshalb hat unser Gehirn auch einen Schutzmechanismus eingebaut, welcher der Angst immer Vorfahrt gewährt, es sei denn Ihr Mandelkern (das Angstzentrum im limbischen System) hat Schaden genommen. Sie können diesen Anteil bezeichnen wie Sie wollen. Es kann die ewig besorgte Mutter sein, der eifersüchtige Bruder oder der verständnislose Lehrer. Sie werden Ihre Ziele nicht erreichen, wenn Sie den ängstlichen und zweifelnden Anteilen nicht die Kraft Ihrer Ressourcen und die eines starken Bildes Ihrer Zukunft entgegensetzen können.
Wege zum Erfolg finden

Neue Wege sind nie ausgetreten, sondern meist steinig. Sie können dabei auch fallen und sich verlaufen. Von Anthony Robbins stammt folgendes, den Zusammenhang von Erfolg und negativer Erfahrung verdeutlichendes Zitat: „Erfolg ist das Ergebnis von guter Einschätzung. Gute Einschätzung ist das Ergebnis von Erfahrung. Und Erfahrung ist oft das Ergebnis von schlechter Einschätzung.“ Recht hat er.

Die schlechte Nachricht ist also. Ja, Sie werden sich auch die Finger verbrennen. Die gute Nachricht ist: Solange Sie daraus keine Passion machen, um sich und Ihrer Umwelt zu beweisen, dass „es“ immer weh tut, werden Sie schmerzfreie Wege finden. Nur müssen Sie diese suchen und ausprobieren. Liegen Steine im Weg, räumen sie diese weg oder steigen Sie drüber. Sind die zu groß, gehen Sie um sie herum. Ist auch das nicht möglich oder führt der Weg in eine Sackgasse, dann probieren Sie einen anderen Weg. Aber lassen Sie sich nicht von den inneren und äußeren Zweiflern unterkriegen.

Begehen Sie auch nicht den Fehler, die Steine zu beschimpfen oder sich welche vom Wegesrand auf den Weg zu rollen, damit Sie besser drüber stolpern und ihr schweres Schicksal beklagen können. Das wäre zwar Balsam für Ihre Zweifel und Ängste, aber eine Selbstsabotage in Bezug auf Ihre Ziele. Denken Sie an den Bach und an die Tretmühle. Wenn Sie beides nicht mehr wollen, dann auf zu neuen Wegen. Sie schaffen das – wenn Sie wollen.

Rohrkrepierer und Schweinehund

„Jaja, Sie haben ja recht, aber irgendwie bremst mich immer wieder der innere Schweinehund oder meine Ansätze der Veränderung sind Rohrkrepierer“, geht jetzt vielleicht dem einen oder anderen durch den Kopf. Warum fällt uns Veränderung oft so schwer? Warum bleiben wir so oft auf den alten Bahnen und trauen uns nicht, bisher unbekannte Wege zugehen?

Die Antwort: Weil wir uns Autobahnen gebaut haben und die Trampelpfade zugewachsen sind. Unsere Neugier ist der Angst gewichen. Und die kriegen wir durch die reine Vernunft („Du solltest das jetzt mal ändern, sonst kommst Du doch nicht weiter “) nicht weg. Unser Bewusstsein sagt uns vielleicht: „Da läuft was falsch“, aber wir bewegen uns weiter auf den eingefahrenen Bahnen – eben weil unser Unterbewusstsein den bewährten neuronalen Autobahnen oft mehr vertraut, als neuen Trampelpfaden, die erst noch getreten werden müssen.

Den Autopiloten abschalten

Die neurobiologische Forschung konnte inzwischen zeigen, dass unsere bewussten Entscheidungen von unbewussten dominiert werden. Das bedeutet, dass unser Bewusstsein in der neuronalen Hierarchie nicht oben steht, sondern unbewusste Prozesse darüber stehen. Diese laufen zum großen Teil nicht im Großhirn ab, sondern in tiefer liegenden und entwicklungsgeschichtlich älteren Teilen des Gehirns. Wenn wir meinen, eine bewusste Entscheidung getroffen zu haben, hat unser Stamm- und Mittelhirn diese längst getroffen – etwa eine halbe Sekunde vorher.

Zudem treffen wir den größten Teil unserer Entscheidungen gar nicht bewusst. Auf akute Gefahren reagieren wir ohne nachzudenken mit Flucht oder Abwehr, Fahrrad- oder Autofahren können wir „aus dem Bauch heraus“, wenn wir es einmal gelernt haben. Bestimmte Denk- und Verhaltensmuster prägen sich als Gewohnheit ein. In unserem Gehirn bilden sich über Synapsen Nervenstränge heraus, die mit der Häufigkeit ihrer Erregung gestärkt werden. Neuronale Trampelpfade werden so zu Straßen oder Datenautobahnen. Wir reagieren dann automatisch auf bestimmte Reize – und können scheinbar gar nicht anders. Hat sich zum Beispiel ein Verhalten einmal als nützlich erwiesen, legt uns unser Gehirn nahe, das zu wiederholen. Das ist sehr praktisch, weil effektiv, aber zuweilen auch ausgesprochen lästig, nämlich dann, wenn dieses Verhalten in einem anderen Kontext weniger nützlich oder sogar schädlich ist.

Und wenn Sie an so einem Punkt angekommen sind, an dem kaum noch was geht, an dem Sie sagen: „Ja, es muss was anders werden“, dann kann es hilfreich sein, jemanden an der Seite zu haben, der Ihnen hilft, aus diesem „Es“ einen Turbo zu machen. Hier kann ein Coach wertvolle Hilfestellung geben.

Coaching: eine neue Modewelle?

Coaching ist ein schillernder Begriff in der Beratungswelt geworden. Von der Karriere- bis zur Partner­schaftsberatung begegnet uns Coa­ching und oft stellt sich der Eine oder die Andere die Frage, was das eigent­lich ist, „Coa­ching“? Wird da nur eine „weitere Sau durchs Dorf getrieben“? Ist Coaching nicht nur ein neues Mode­wort für Per­sonalentwicklung oder ist das nicht schlicht Lebensbera­tung und damit nur alter Wein in neuen Schläu­chen?

Die Wurzeln des Coaching liegen im Sport, genauer gesagt im mentalen Training und der Motivation von Leis­tungssportlern. Aus der Erkenntnis, dass oft nicht technische Defizite oder Trai­ningsrückstände, sondern mentale Blockaden die Leistung von Spitzen­sportlern begrenzen, entwickelte sich ein neuer Berufsstand neben dem Trai­ner: Der Coach. Er ist zielorientierter, mentaler Begleiter und Motivator des Sportlers. Da auch Führungskräften Spitzenleistungen abverlangt werden, entwickelte sich auch hier eine ent­sprechende Form der Beratung, die auf mentale und emotionale Stärke abzielt.

Ein Coach ist zielorientierter Begleiter von Menschen bei der Rea­lisierung eines An­liegens oder der Lö­sung eines aktuel­len Problems. Beim Führungskräf­teco­aching geht es dabei vor al­lem um die Verbesserung der Lern- und Leistungs­fähigkeit. Der Coach er­mög­licht dem Klienten neue Wahrnehmun­gen und einen Wechsel seines Fokus vom Problem weg und hin zu Lösungen und zu sei­nen Ressourcen.

Als Coaching werden auf dem Bera­tungsmarkt oft auch ande­re Ange­bote, wie die Exper­tenbera­tung, Trai­ning on the Job und die Per­sonal­schulung bezeichnet. Das ist aber irre­führend. Hierbei handelt es sich um Consulting, Training oder Teaching. Coaching vermittelt weder Fach­kenntnisse, noch trainiert der Coach bestimmte Fertigkeiten oder gibt Handlungsanweisungen. Auch das in der letzten Zeit immer wieder mit Coaching in einem Atemzug genannte Sparring ist kein Coaching, sondern allenfalls eine sinnvolle Ergänzung. Sparring ist eine besondere Form des Trainings. Dabei fungiert der Sparringpartner in konkreten Szenarien als simulierter „Wettkampfgegner“, als konfrontativer Feedbackgeber, Rollenspielpartner und Reibungsfläche für die Führungskraft. Im Verständnis vieler Personalentwickler und Manager ist der Coach als Sparringpartner allerdings nicht einmal das, sondern ist zum beratenden Unterstützer des Managers „auf Augenhöhe“ mutiert und damit eher Kumpel und kein Veränderungsbeschleuniger.

Um nicht missverstanden zu werden: Consulting, Training und Teaching können sinnvolle Formen der Beratung sein. Wer Coaching einkaufen will, sollte aber gezielt nachfragen, was er bekommt. Nicht überall, wo Coaching draufsteht, ist auch Coaching drin.

Wie geht Coaching?

Coaching setzt Impulse, die es dem Klienten ermöglichen, seine Ziele bes­ser und schneller zu erreichen. Dabei kommen verschiedene Interventions­techniken zum Einsatz, viele sind der Psychotherapie entlehnt, z.B. der Ver­haltenstherapie, der Trans­aktionsana­lyse, der lösungsfokussierten Kurzzeit­therapie, der provokativen Therapie und der Neurolinguistischen Program­mierung (NLP). In der Praxis werden oft Mischformen verwendet.

Nehmen wir das Beispiel Zeitmanage­ment. Ein Consultant würde für Sie ein Konzept entwerfen, wie Sie Ihr Zeitma­nagement konkret verbessern können. In einer Schulung würde Ihnen vom Pareto-Prinzip bis zur Prioritäten-Matrix das theoretische Rüstzeug dazu bei­gebracht. Ein Trainer würde mit Ihnen praktische Übungen machen. Ein Co­ach hingegen, würde, vielleicht erst nachdem alle anderen Berater ge­scheitert sind, Ihnen helfen, zunächst Ihre Ziele klar zu formulieren, dann das herausarbeiten, was Sie motiviert und was Sie blockiert, diese Ziele zu errei­chen. Erst durch einen unverstellten Blick auf Ihre Ziele und Werte nämlich gewinnen Sie die nötige Energie, die richtigen Priori­täten zu setzen.

Der Coach gibt gezieltes Feedback, ver­meidet aber Ratschläge und Hand­lungsanweisungen, wie sie beim Con­sulting und anderen Beratungs­formen üblich sind. Coaching ist meist zeitlich auf wenige Sitzungen begrenzt, kann aber auch berufsbegleitend über eine längere Periode durchge­führt werden. Grundlage des Prozesses ist ein Coa­chingkontrakt, in dem Ziel und Dauer des Coaching sowie das Ho­norar fest­gelegt werden. Vertraulich­keit von Sei­ten des Coaches sowie Freiwilligkeit und Selbstverantwortung des Klienten sind Voraussetzun­gen für einen erfolgreichen Coa­chingprozess.

Woran erkenne ich einen guten Coach?

Die ver­schie­denen Coachingver­bände ha­ben ei­gene Ausbildungs­grundsätze entwi­ckelt und bieten ent­sprechende Zertifi­zierungen an. Vor­aussetzung für eine Zertifizierung als Coach ist meist eine qualifizierte Coa­chingausbildung, ent­sprechende Be­rufspraxis und die Teil­nahme an Super­visionssitzungen. Ent­schei­dend für die Kompetenz ist neben ei­ner qualifizier­ten Coachin­gausbil­dung auch seine Berufs- und Lebens­erfah­rung sowie seine kommu­nikative Kom­petenz. Ein Coach sollte vor allem gut zu­hö­ren können, empathisch sein, sich trauen, gezielt und beherzt zu interve­nieren, auch zu provozieren. Er sollte sich aber vor der Übertragung eigener Lebens­erfahrungen und Handlungs­konzepte auf seine Klienten hüten. Ein Coach ist also nicht in dem Sinne Bera­ter, indem er seinen Klienten „rät“, sondern in dem Sinne, dass er die ent­scheiden­den Fragen stellt und sei­nen Klienten neue Wahrnehmungs- und Hand­lungsperspektiven eröffnet.

Und nochmals: Verände­rung funktioniert meist nicht über ratio­nale Einsicht, weil unser Denken, Fühlen und Handeln stark von Vor­erfahrungen beeinflusst ist, die uns nicht bewusst sind aber als erlernte Muster die neuronalen Strukturen unseres Ge­hirns prägen. Wir sind so, wie wir wur­den. Das gilt insbesondere dann, wenn wir uns regelrecht festgefahren haben und wie die Fliege hinter der Scheibe immer wieder versuchen, auf die gleiche Art und Weise nach draußen zu kommen – bis zur totalen Erschöpfung.

Hier ist ein Perspektivenwechsel der einzige Weg. Gelingt es uns, ausreichend intensive, alter­native (Sin­nes-)Erfahrungen zu machen und diese entsprechend zu verankern, können bestehende neuronale Struk­turen ver­ändert werden. Ein guter Coach setzt genau diesen Mechanismus in Gang.

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