So lernen Sie Ihre Stärken kennen

„Sie haben in diesen Punkten schwächen, diese sollten Sie abschalten“ sprach der Berater und verschwand. Meist verwendet man unnötig viel Zeit und Kraft um die Schwächen auszumerzen … Von Stärken stärken ist aber kaum die Rede. Leichter gesagt als getan. Nach der Frage: „Was kann Ihr Unternehmen besonders gut“ herrscht oftmals betroffenes Schweigen – so richtig weiß man das eigentlich nicht. Christian Kalkbrenner zeigt Ihnen, wie Sie einfach Ihren Stärken auf die Schliche kommen …

Zunächst ist es wichtig, sich klar zu werden, wo Sie die Stärken Ihres Unternehmens sehen und wie Sie sie ausbauen wollen. Doch bevor Sie die endgültige Entscheidung treffen, schätzen Sie auch Ihre Kunden, Ihre Noch-Nicht-Kunden und Ihre Wettbewerber nach deren Stärken ein. So verfügen Sie über alle Informationen, die Ihren zukünftigen Weg beeinflussen.

Step 1 — Sie, Ihre Kunden, die Noch-Nicht-Kunden und der Wettbewerb

Zunächst schätzen Sie die Stärken Ihres Unternehmens ein. Welche Stärke hat es am meisten geprägt oder soll es zukünftig am meisten ausspielen? Wie stark ist die Hauptstärke ausgeprägt? Wie stark ist diese im Vergleich zu den anderen Stärken ausgeprägt? Markieren Sie die entsprechenden Felder in der Stärkenprofil-Matrix in der folgenden Abbildung.

Schätzen Sie anschließend Ihre Kunden in Bezug auf deren Stärken ein und bilden Sie Gruppen mit den am häufigsten vorkommenden Mustern. Die Gruppen sollten Sie dann danach bewerten, wie groß deren Wertschöpfungsanteil für Ihr Unternehmen ist. Denn Ihr Fokus sollte auf der Gruppe mit dem höchsten Wertschöpfungsanteil liegen. Nachdem Sie sich nun auf diese Weise mit Ihrem Unternehmen und Ihren Kunden beschäftigt haben, wenden Sie nun Ihren Blick in gleicher Art Ihrem Wettbewerb und Ihren Noch-Nicht-Kunden zu. Ermitteln Sie auch deren Stärkenprofil und übertragen Sie es in die folgende Abbildung.

Nun verfügen Sie über ein konkretes Bild der Stärken aller relevanten Marktteilnehmer, auf dem Sie Ihre weiteren Überlegungen aufbauen können.

Ausprägung        
81 — 100%        
61 — 80%        
41 — 60%        
21 —40%        
0 —20%        
  Qualität Innovation Schnelligkeit Emotion
  Stärken

Wenn Sie sich anfangs mit dieser Matrix ein wenig schwer tun, spielen Sie damit. Setzen Sie Ihnen bekannte Marken ein wie zum Beispiel Rolls Royce, Mini, Bogner, IKEA, Dallmayr, Bang & Olufsen, Club Robinson. Dann werden Sie schneller mit der Funktionsweise vertraut und können die Stärkenprofil-Matrix für Ihr Unternehmen und Ihre Kunden anwenden.

Bei manchen bekannten Unternehmen werden Sie feststellen, dass die klare Einordnung schwierig ist. Nehmen Sie beispielsweise große Unternehmen wie die Deutsche Post, die Deutsche Bahn, die Telekom oder Infineon. Bei diesen schwer zuzuordnenden Unternehmen erkennen Sie sofort deren größten Nachteil: Wie sollen Sie sich für ein Unternehmen entscheiden, wenn Sie seine Stärken nicht kennen? Sobald Sie eine Alternative haben, die Ihnen vertraut und griffiger erscheint, werden Sie diese voraussichtlich vorziehen.

Aus diesem Grund ist es so wichtig, dass Sie selbst an den Stärken Ihres Unternehmens arbeiten.

Step 2 — Die wirtschaftliche Verfassung

Nun gehen Sie einen Schritt weiter, indem Sie sich Folgendes überlegen:

Wirtschaftliche Situation: Wie ist die wirtschaftliche Situation Ihrer Hauptkunden, Noch-Nicht-Kunden und Wettbewerber? Im B2B-Bereich (Business to Business) ist der Gewinn und im B2C-Bereich (Business to Consumer) ist das Einkommen die entsprechende Kenngröße.

Ordnen Sie nun Ihr Unternehmen, Ihre Kunden, Ihre Wettbewerber und Ihre Noch-Nicht-Kunden nach Hauptstärken und, soweit bekannt, nach wirtschaftlicher Verfassung ein. Verwenden Sie dazu die Stärken-Ergebnis-Matrix in Abbildung 5, die auch die wirtschaftliche Seite berücksichtigt.

Wirtschaftliche Ergebisse        
überdurchschnittlich hohe Gewinne        
leichte Gewinne        
leichte Verluste        
überdurchschnittlich hohe Verluste        
  Qualität Innovation Schnelligkeit Emotion
  Stärken

Mit dieser Form der Darstellung können Sie relativ rasch und einfach nachvollziehen, was Ihr Kunde und Ihr Noch-Nicht-Kunde benötigt, und Sie können Ihre Verkaufsargumentation darauf abstellen.

Wichtig ist, dass Sie Ihren Kunden dabei in seiner Bewegung unterstützen. Die Bewegung kann dabei in vier Richtungen gehen:

1. Den Ausbau einer Stärke: Wenn Sie zum Beispiel ein besonders innovatives Unternehmen sind und Ihr Kunde ebenfalls sehr innovativ ist, können Sie sich gegenseitig beflügeln.

2. Den Ausgleich einer Stärke: Wenn Ihr Kunde beispielsweise sehr innovativ, aber in der Qualität mittelmäßig ist, Ihr Unternehmen hingegen als prozesssicher bekannt ist, können Sie durch diese Ergänzung die Performance Ihres Kunden optimieren.

3. Die Verbesserung des Ergebnisses: Sie können Ihre Leistungen und Ihre Verkaufsargumentation so aufbauen, dass sie in Zusammenhang mit dem Ausbau der wirtschaftlichen Situation Ihres Kunden stehen. Ein Weg geht über eine Verbesserung der Produktivität, ein anderer beispielsweise über den Ausbau der Exklusivität Ihres Kunden.

4. Eine Kombination der Wege: In der Praxis wird der attraktivste Weg darin bestehen, eine Kombination aus 1. und 3. oder 2. und 3. anzustreben.

Bauen Sie Ihr Stärken-Marketing und Ihre neue Verkaufsargumentation auf folgendem Gedanken auf: Der Kunde kann durch Sie etwas, das ihm wichtig und wertvoll ist, besser erreichen als es heute ohne Sie der Fall ist. Er hat ein wirtschaftliches Ziel und ein Positionierungsziel. Ihre Aufgabe ist es, ihn dabei wirksam zu unterstützen.

High-Speed-Marketing — Praxistipp: Es gibt keine Geheimnisse

Sofern Sie konkrete Aussagen zur Ergebnissituation Ihrer Kunden und Noch-Nicht-Kunden suchen, erfahren Sie diese zum Beispiel bei Publikums-Aktiengesellschaften auf deren Homepage. Bei anderen Kapitalgesellschaften können Sie die Bilanz kostenlos online unter www.unternehmensregister.de, der Plattform des Bundesministeriums der Justiz, einsehen. Daneben gibt es auch kostenpflichtige Recherchedienste, die Ihnen gezielte Informationen liefern.

Anwendungsbeispiele

Siemens gab vor Jahren das verlustreiche Handygeschäft auf. Die Handys waren nicht innovativ genug, um von der Hauptzielgruppe der Nutzer unter 30 Jahren mehrheitlich angenommen zu werden. Hier lag Nokia (N1) vorne (siehe folgende Tabelle). Doch die Ausstattung und Robustheit der Siemens-Handys hätte sich hervorragend geeignet, um die gutsituierte Altersgruppe 50+ vollständig zu erobern. Vielleicht wäre es zusätzlich möglich gewesen, sich in Unternehmen als das einzige unkompliziert funktionierende Business-Handy zu etablieren. In beiden Fällen wäre das Unterscheidungskriterium der wirtschaftliche Background der Kunden gewesen. Die Bewegung von S1 zu S2 hätte das rettende Ufer sein können (siehe folgende Tabelle).

Golfclubs bestechen üblicherweise durch die Qualität und/oder Emotion ihrer Anlagen. Jeder Golfspieler darf einen bestimmten Qualitätsstandard erwarten und das Klientel, das sich über den Platz bewegt, ist tendenziell den wohlhabenderen Schichten zuzuordnen (G1+G2). Nun gibt es Golfplätze, die sich davon abheben. Sie wollen mit einer Fülle an innovativen Leistungen neue Zielgruppen erschließen und Golf als Breitensport etablieren (G3): Für Menschen mit durchschnittlichen Einkommensverhältnissen.

Die Matrix-Darstellung (siehe folgende Tabelle) zeigt nun eine Marktlücke auf: Es gibt keine Golfclubs, die gezielt den „Rahm abschöpfen“, indem sie sich sowohl dem Thema „Innovation“ verschreiben als auch ausschließlich die Gruppe der Wohlhabenden als Zielgruppe fokussieren (G4).

Ergebnisse der Kunden        
überdurchschnittlich hohe Gewinne S2 | G1 G4   G2
leichte Gewinne S1   N1 | G3  
leichte Verluste        
überdurchschnittlich hohe Verluste        
  Qualität Innovation Schnelligkeit Emotion
  Stärken

Mit dieser einfachen Darstellung wird somit in kurzer Zeit nicht nur deutlich, wohin sich Unternehmen bewegen können, es werden auch die unbesetzten Nischen sichtbar.

Stärken stärken für Hotels und Stadtmarketing

Zieht ein Hotelier oder Touristik-Chef nicht genügend kapitalkräftiges Pub-likum an, so hängt dies meist damit zusammen, dass die Stärken im Vergleich zum Wettbewerb zu wenig ausgeprägt sind. Eine gewisse Ausprägung ist zwar vorhanden, aber die Durchschlagskraft fehlt. Der Auftritt ist nicht konsequent und durchgängig innovativ, emotional, auf Schnelligkeit oder auf Qualität ausgerichtet. Der Wettbewerb ist im Vergleich deutlich wahrnehmbarer. Der Spruch „Jeder hat die Kunden, die er verdient“ ist zwar unbequem und vielleicht auch unfreundlich, doch er hat zwei sehr positive Aspekte: Er macht deutlich, dass nicht die Kunden das Angebot bestimmen, sondern dass das Angebot den Kunden bestimmt! Und damit ist das Heft des Handelns bei demjenigen, der es ergreift, um seine Kundenstruktur zu verändern. Legen Sie fest, in welcher wirtschaftlichen Situation sich Ihre Hauptzielgruppe befinden soll, und überlegen Sie dann, mit welcher Ausrichtung Sie diese gewinnen wollen. Ob über Innovation, Qualität, Emotion oder Schnelligkeit.

Dieser Weg macht die Exklusiven noch exklusiver und die Innovativen noch innovativer. Doch in der Mitte gibt es genügend Differenzierungsmöglichkeiten: zum Beispiel mit Tempo. Einchecken, Auschecken, Nicht-Wartezeiten beim Frühstück, Anschluss- und Abfahrtszeiten, Erreichbarkeit. Ob für ein Hotel oder eine Stadt: Auch diese Stärke kann so ausgebaut werden, dass kein Wettbewerber mithalten kann. Nehmen Sie sich zum BeispielRyanair als Vorbild.

Die Fluglinie Ryanair hat Flugreisen für eine breite Masse mit kleinerem Geldbeutel erschwinglich gemacht und auf diese Weise gleichzeitig eine ganze Branche einem Runderneuerungsprozess unterzogen.

Weshalb sollten Sie als Hotelier oder Tourismusverantwortlicher nicht auch einen Runderneuerungsprozess einleiten können?

Step 3 — Seien Sie exzellent!

Wenn Sie nun wissen, welche Ihrer Stärken Sie zukünftig ausbauen wollen, gilt die Vorgabe „sei exzellent“. Gehen Sie nicht halbherzig in eine Richtung, sondern nehmen Sie sich vor, Ihre Stärken so auszubauen, dass andere von Ihnen lernen können. Machen Sie sich Gedanken darüber, was passieren muss, um das Unternehmen auf diesem Weg in Bewegung zu setzen.

Haben Sie den Anspruch, ein Vorzeigeunternehmen aufgrund Ihrer Stärken zu werden, können Sie beispielsweise in einem Drei-Jahres-Programm denken, in dessen Verlauf bis zu 200 Maßnahmen umzusetzen sind. Die meisten davon sind anfangs nicht teuer. Und die etwas teureren können Sie in der zweiten Projekthälfte aus dem neu erzielten Cash-Flow bezahlen.

Ein Vorteil dieses Weges: Bereits ab dem ersten Tag können Sie diese Neuausrichtung in Ihren Außenauftritt und vor allem in Ihre Verkaufsargumentation einfließen lassen. Es ist nicht entscheidend, dass Sie Ihre Neuausrichtung schon zu 100 Prozent erfüllen. Wichtig ist, dass Sie sich glaubhaft auf den Weg machen und Ihre Kunden bereits jetzt spüren, dass sich bei Ihnen Veränderungen ergeben, von denen sie einen größeren Vorteil haben werden.

Niemand wird Sie daran messen, ob Sie heute schon perfekt sind, sondern ausschließlich daran, wie ernsthaft und intensiv Sie sich auf diesen Weg begeben.

Die Parallelen

Wenn Sie eine Parallele zu öffentlichen Persönlichkeiten und bekannten Marken ziehen, ist es genau dieser Prozess, der Ihnen hilft, sich in der breiten Wahrnehmung passend zu entwickeln.

Nicolas Sarkozy. Nehmen Sie als Beispiel den französischen Ministerpräsidenten: Die Klarheit, Schnelligkeit und Energie, mit der er Themen anpackt und auf den Weg bringt, sichert ihm Zustimmung aus allen Ländern und politischen Lagern. Die Frage, ob er dabei immer alles richtig macht, steht weniger im Vordergrund.

Ferrari. Nehmen Sie den Mythos um Ferrari, ein Unternehmen, das durch Hochs und Tiefs marschierte und sich stets mit einem hohen Perfektionsgrad und der persönlichen Leidenschaft der Menschen, die das Auto repräsentierten, wieder zurückkämpfte. Und bei allen Rückschlägen: Wesentlich ist der Prozess, der sich insgesamt in Richtung Erfolg bewegt. Genau das sollten Sie beim Aus- und Aufbau Ihrer Stärken beherzigen.

 

 

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