Sind Sie Spielführer oder Follower?

Spielen Sie nur mit oder gestalten Sie schon? Die meisten Verkäufer verrichten Dienst nach Plan. Anstatt das Heft in die Hand zu nehmen und das Spiel zu gestalten, warten sie auf günstige Ereignisse. Sie reagieren nur. Der Verkaufsexperte Markus Euler zeigt in seinem neuen Buch, wie Sie das Heft in die Hand nehmen und proaktiv das Spiel vorantreiben …

Mitspielen oder gestalten? Das ist die grundsätzliche Frage, die Spitzenverkäufer mit einem klaren Gestalten! beantwortet haben. Spielführer sein bedeutet nicht, alles in der Hand zu haben oder nur noch im Befehlsmodus oder auf dem Egotrip unterwegs zu sein. Ein Spielführer im Sport akzeptiert grundsätzlich die bestehenden Regeln. Er sucht aber konkret nach Möglichkeiten, die Regeln so weit es geht zu seinem Vorteil auszulegen und zu nutzen. Das ist vollkommen legitim.

Niemand außer einem selbst ist für den eigenen Erfolg verantwortlich

Der Spielführer hat ein klares Ziel und übernimmt die größtmögliche Verantwortung für sein Tun und sein Nicht-Tun. Das ist nicht immer einfach – manchmal merkt man gar nicht, dass man im Grunde nicht mehr agiert, sondern nur noch reagiert. Reagieren ist bequemer, man hat einen Auftrag und führt diesen aus, ohne ihn noch zu hinterfragen.

Schauen Sie sich Ihren Tagesablauf einmal genauer an und fragen Sie sich: Wie viel Zeit verbringe ich reaktiv, wie viel Zeit aktiv und gestaltend? Da ist das Reporting, das fertig gemacht werden muss, der Kunde, der in seiner E-Mail um sofortigen Rückruf bittet, da muss die Präsentation noch angepasst werden, weil man mit einem Kollegen aus einem anderen Bereich zum Interessenten fährt und dieser um Mithilfe gebeten hat. Alles reaktiv. Viele Dinge gehören ohne Zweifel zum Tagesgeschäft und sind auch notwendig. Viele Verkäufer haben sich aber an eine reaktive Grundhaltung gewöhnt und halten kaum noch die Fäden in der Hand. Stopp! Erfolgreich verkaufen funktioniert nur in einem aktiven Modus.

Top-Verkäufer warten nicht ab, bis die Ereignisse auf sie zukommen, sie tun etwas. Das Wort proaktiv beschreibt nicht nur das reine Handeln, sondern das vorausschauende Handeln. Weitsicht also. Das beinhaltet Vorbereitung und Planung von möglichen Entwicklungen. Reaktive Verkäufer warten, bis die Umsätze zurückgehen, und handeln dann. Aus dem bestehenden Zeitmangel heraus meist aktionistisch und nicht mehr strategisch. Auch Veränderungen im Markt und beim Kunden werden zu lange beobachtet. Top-Verkäufer vertrauen ihren Kunden, aber sie verlassen sich nicht darauf, dass es immer so weitergeht wie bisher. Proaktive Verkäufer beobachten und handeln entsprechend. Sie sorgen vor und wollen als Spielführer so weit wie möglich agieren und sich nicht auf das Glück oder die augenscheinlich positive Konjunktur verlassen. Das alles kann nämlich sehr schnell vorbei sein.

Bei genauerer Betrachtung fühlen sich die wenigsten wohl bei der Vorstellung, ein Follower zu sein. Ein Getriebener der Umstände, gewissermaßen ferngesteuert. Zwar tut reaktives Arbeiten manchmal richtig gut. Man hat einen klaren Auftrag und kann Dinge einfach abarbeiten. Das sind meist Routinearbeiten, die nicht sonderlich anstrengen und als kreative Pause angesehen werden können. Aktiv sein kostet dagegen mehr Energie und ist anspruchsvoller, es braucht einen klaren Kopf. Aber es lohnt sich. Denn es ist ein großer Unterschied, ob man das Gefühl hat, nur Beifahrer zu sein, oder wirklich am Steuer sitzt.

Im Verkauf lässt sich eine proaktive Einstellung an folgenden Faktoren erkennen:

1. Vorausschauende Grundeinstellung und vorausschauendes Handeln
Ähnlich wie im Sport kann man sich im Vertrieb immer wieder darauf konzentrieren, die nächsten Schritte zu planen und sich darauf vorzubereiten. Die beste Präsentation, alle Produktkenntnisse nützen wenig, wenn man sich nicht darauf vorbereitet, welche Fragen gestellt werden könnten, mit welchen Einwänden zu rechnen ist und welche Konsequenzen mit bestimmten Schritten verknüpft sein könnten. Vertrieb ist kein Abenteuer, in das man sich reinstürzt und schaut, wo man herauskommt. Spontaneität und Kreativität sind immer erforderlich. Wenn man die Wahl hat, sollte man sich für eine gute Vorbereitung entscheiden und sich nicht auf die eigene Spontaneität verlassen

2. Strategische Planung
Außerdem erlaubt eine strategische Planung, Dinge zu sehen, die im Tagesgeschäft untergehen oder nicht richtig wahrgenommen werden. Die regelmäßige Draufsicht auf den Kunden, das Projekt, den Akquisestatus helfen dabei, längerfristige Ziele zu setzen und einen Schritt vorauszudenken.

3. Die eigenen Spielräume erkennen und gestalten
Volle Konzentration auf das, was man in der Hand hat. Nicht jammern über Umstände, Rahmenbedingungen und die Versäumnisse der anderen. Spielführer haben die Aufgabe übernommen, das Spiel zu führen. Und dabei vor allem sich selbst. Nur wer daran glaubt, Einfluss zu haben, Dinge gestalten zu können, seine eigenen Räume verteidigt und ausbaut – nur der kann aktiv verkaufen.

4. Ein freier Kopf
Aktive Verkäufer kennen die Probleme und Schwierigkeiten, die es zu bewältigen gilt. Sie geben ihnen aber nicht genügend Raum, um die Gestaltungsmöglichkeiten zu überdecken, die per se vorhanden sind. Das hilft dabei, Lösungen und Ideen zu entwickeln, die sich abseits des Normalen bewegen und sonst blockiert werden würden.

5. Geregelte Proaktivität
Alles, was man regelmäßig tut, wird zur Routine. Und dabei kommt es nicht darauf an, ob es hilfreiche oder behindernde Muster sind. Deshalb macht es Sinn, sich ein proaktives Verhalten anzugewöhnen und es zu trainieren. Strategische Planung als fester Termin im Kalender. Und eben nicht nur dann, wenn gerade Zeit dafür ist. Zeit zum Herumspinnen und zur Ideenfindung, Zeit zum Austausch mit Kollegen und Kunden. Alles das sind Regelmäßigkeiten, die dafür sorgen, dass Aktion entstehen kann.

Spielführer verschaffen sich neue Erlebnisse und damit neue Optionen

Die Fähigkeit, Dinge und Verhaltensweisen anders zu sehen, als sie erscheinen, und sich immer wieder von der einen Wirklichkeit zu entfernen, ist unbezahlbar. Denn dadurch werden Perspektivwechsel, Verständnis und die beste Spielvariante erst möglich. Der Follower hat das Gefühl, die Sache in der Hand zu haben, folgt aber entweder seinen eigenen, spontanen Reaktionen und allgemeinen Grundregeln oder den Vorstellungen seines Gegenübers. Dieser Spielverlauf ist in vielen Fällen ab- und vorhersehbar. Besonders im Praxiscoaching erlebe ich immer wieder Situationen, in denen ich den weiteren Verlauf eines Gespräches oder eines Meetings sehr treffsicher skizzieren oder sogar voraussagen kann. Das hat nichts mit hellseherischen Fähigkeiten zu tun, sondern damit, dass hier zwei Menschen im Grunde nur spontan aufeinander reagieren und keiner die Führung übernimmt. Oft sagt sogar der Mitarbeiter nach dem Gespräch: »Das war mir schon zu Beginn des Gespräches, klar, dass es sich so entwickelt.« So spricht der Follower. Er gibt sich der Situation hin. Spielführer hingegen erleben immer wieder neue Situationen, die dadurch entstehen, dass sie in der Lage sind, die Dinge einmal anders zu sehen, als sie scheinen. Sie lernen aus diesen Situationen und verschaffen sich dadurch wieder neue Optionen. Sie erweitern dadurch die eigenen Spielräume. Diese Fähigkeit nutzen sie nicht nur für sich, sondern auch die Kunden profitieren davon. Denn Spielführer provozieren automatisch auch Denk- und Verhaltensweisen des Kunden, die im Normalfall so nicht zustande gekommen wären.

Hermann Scherer bringt es in seinem Buch Glückskinder auf den Punkt: »Der Spieler reagiert nicht auf Reize, er setzt sie.«

Viele Entscheider oder Einkäufer gehen in Verhandlungen meist aus einem einzigen Grund als Sieger hervor: Der Verkäufer war berechenbar, sein Plan konnte durchkreuzt werden. Das Reiz-Reaktionsmuster war so vorhersehbar, dass der Verkäufer am Ende kaum noch eine andere Wahl hatte, als sich auf die Bedingungen des Kunden einzulassen. Werden Sie zum Spielführer! Die meisten Kunden möchten genau diesen Sparringspartner haben, der sie überrascht und zum Nachdenken bringt. Der nicht immer wie erwartet reagiert und dessen Unberechenbarkeit Spannung erzeugt. Einen Verkäufer, der sie über die eigenen gedanklichen Grenzen hinausbringt und seine Kompetenz genau dadurch unter Beweis stellt. Als Spielführer nutzen Sie deshalb auch kontrolliert Methoden, die andere Verkäufer nicht einsetzen: gezielte Provokation, außergewöhnliche Fragestellungen, offenes Feedback und so weiter.

Genau das sind die Dinge, die Verkäufer und Kunden aus der geliebten Komfortzone herauskatapultieren in den Bereich, wo wirklich gute Entscheidungen getroffen werden. Wirkungsvolle Reize zu setzen, ist eine Trainingsaufgabe, und wer konsequent daran arbeitet, wird sicherlich auch einmal eine Grenze überschreiten. Denn eine Provokation kann auch mal schiefgehen, und es ist nicht immer vorhersehbar, wie Menschen reagieren, wenn man sie mit unangenehmen Fragen oder Wahrheiten konfrontiert. Doch die Kollateralschäden sind deutlich geringer als der immense Nutzen, der für Verkäufer und Kunden daraus entsteht.

Es muss nicht immer alles von Anfang an einen Sinn ergeben. Auf den ersten Blick sieht es manchmal aus, als hätten Top-Verkäufer einfach nur viel Glück. Das mag dazukommen, aber sie tragen auch aktiv dazu bei, dass das Glück zu ihnen kommt.

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